Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Fünfter Band | |
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Engländer! die Mission, welche euch die Allmacht gegeben, war die erhabenste, und nur ein freies, hochstrebendes, gerechtes Volk konnte sie erhalten. Berufen, in vier Welttheilen zugleich zu kolonisiren und als die erste Seemacht der Welt, im Besitze der Mittel, ihren Beruf zu vollziehen, verbreitet diese rührigste und freieste Nation Europas ihre Bildung mit ihrer Sprache, mit ihrer Religion ihre Institutionen, Sitten und Gewohnheiten, und in jeder ihrer unzähligen Anpflanzungen und Ansiedelungen gewinnt die Civilisation einen Damm mehr gegen die Wogen des Despotismus und sein Gefolge von fauler Weichlichkeit, sklavischer Gedankenlosigkeit, Unwissenheit und Verfinsterung der Massen. Bis jetzt ist England noch die einzige Macht, welche bei ihren Colonisationsbestrebungen ein System befolgt, welches den Forderungen der Menschlichkeit, Gerechtigkeit und Klugheit entspricht. Sie begünstigt überall die eigne Kraft-Entwickelung der Gebiete, die ihr unterworfen sind, fördert Fleiß und Thätigkeit, Kultur und Freiheit durch bürgerliche Gesetze und politische Institutionen, den eigenen nachgebildet. Seine MAGNA CARTA trägt der Engländer in alle Zonen. In allen englischen Kolonien findet man Altengland wieder, in wie weit der Zustand der Bevölkerung Annäherung und Gleichstellung verträgt, und vergißt es auch seinen eigenen Vortheil dabei nicht, so ist es doch mehr wie irgend ein anderer Staat ein Mutterland, das die seiner Pflege Zugefallenen als Glieder der großen Familie heraufzubilden sucht.
Die Emanzipation der Vereinigten Staaten, die, obschon fruchtlos bekämpft und erzwungen anerkannt, England unermeßliche Vortheile gebracht hat, gab diesem eine große Lehre, welche es wohl nie vergessen wird. – England hat seitdem der Welt in der Emanzipation der Sklavenbevölkerung seiner sämmtlichen Kolonien ein Beispiel wahrer Großmuth, Gerechtigkeit und Einsicht gegeben; auch das des Mündigsprechens der Kolonien, wird es noch aufstellen und für sie unter allen Völkern Anerkennung des Naturrechts erwirken, nach welchem jedes Kind, wenn es erwachsen ist, sein väterliches Haus verlassen kann, um sich ein eigenes zu bauen. Die Zeit, in welcher die Natur in den Genuß aller ihrer Rechte selbstständig treten will, bleibt weder bei dem einzelnen Menschen, noch bei einem jungen Volke aus, und es straft sich immer, wenn Unverstand, Leidenschaft, Eitelkeit, Geiz oder Herrschsucht ihm jenen Genuß zu entziehen suchen. – Auch in Bezug auf die Kolonien wird man der Macht der Zeit, die unwiderstehlich zum Bessern, Vernünftigern und Gerechtern fortdrängt, bestimmt noch allwärts nachgeben müssen, und nicht länger versuchen, die Tochter an die Mutter zu knebeln, nachdem die Hand der Natur die Bande gelöst hat. Sobald einer Herr in seinem Hause seyn kann, wird er es seyn wollen, und, um fremde Einsprache unbekümmert, sein Hausrecht üben.
Ich fürchte daher nicht, daß sich das blutige Drama, welches in den jetzigen Vereinigten Staaten Nordamerikas von 1763–1783 gespielt wurde, in Canada erneuere. Die letzten Aufstandversuche haben, obschon unterdrückt, der brittischen Regierung die ganze Gefahr gezeigt. Mit Entschlossenheit und Redlichkeit wird sie die Unzufriedenheit
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Fünfter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1838, Seite 27. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_5._Band_1838.djvu/35&oldid=- (Version vom 10.10.2024)