Zum Inhalt springen

Seite:Meyers Universum 5. Band 1838.djvu/99

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
CCVIII. Falmouth in der Grafschaft Cornwallis.




Am südwestlichen Ende Englands sieht man eine stiefelförmige Landzunge, welche auf der nördlichen Seite vom atlantischen Ocean, südwärts von den Fluthen des Canals bespült wird. Ihre größte Länge beträgt 70 englische Meilen. Ihre Breite verringert sich von 20 bis auf 2 Stunden. Dieser Theil Englands ist die Grafschaft Cornwallis.

Ueppiger Getreide- und Graswuchs schmückt die südlichen Thäler; Pfirsiche und Aprikosen, Wein sogar, kommen an sonnigen Wanden im Freien fort; im Ganzen jedoch ist das Land nicht fruchtbar, und in den Bergdistrikten ist es holzarm und öde. Vor einigen Jahrzehnten lag die Hälfte des Bodens noch unbebaut und wüste. Damals kamen menschenfreundliche Landeigenthümer und Grubenbesitzer auf den Gedanken, jedem armen, jungen Bergmann, wenn er heirathete, zunächst den Gruben, 3 Morgen des öden Landes in Erbpacht zu geben, mit der Verpflichtung, sie urbar zu machen und sich eine Wohnung darauf zu bauen. Der Erfolg übertraf jede Erwartung. Was Einzelner Versuch gewesen, erhob sich zur allgemeinen Anwendung. Auf diese Weise entstanden und entstehen noch immer Dörfer und Flecken in der Nähe der Bergwerke mit jedem Jahre; der Charakter der sonst ödesten Strecken hat sich auf das vortheilhafteste geändert.

Die südliche Küste ist voll malerischer Szenen; wild und großartig ist der Charakter der nördlichen. Senkrecht steigen hier die Granitwände mehre hundert Fuß aus den Fluthen empor, oder, zerklüftet, gleichen sie Castellen, zwischen denen sich das Meer tiefe Canäle weit in das Land hinein grub. Ein 1000–1200 Fuß hohes, wildes Gebirge, durchzieht die Grafschaft und theilt sie der Länge nach in 2 ungleiche Hälften. Sein Rücken ist großentheils Granit. Um und über dieses Gestein aber lagert Thonschiefer, und in dessem Schooße sind jene unermeßlichen Metallschätze verborgen, welche schon vor 4 Jahrtausenden die Phönizier herbei lockten, und um welche Cornwallis berühmt und beneidet ist. Seine Zinngruben allein beschäftigen weit über 24,000 Menschen, und die jährliche Ausbeute an Metallen, jene der nicht minder wichtigen Kupferbergwerke eingeschlossen, kommt dem Werthe von 14 Millionen Thalern gleich. Kein Land in der Welt, Peru und Mexiko nicht ausgenommen, kann eine Ausbeute von solcher Größe aufstellen, und nirgends sonst auf der Erde treibt man den Bergbau so großartig, so kühn, so vortheilhaft und geregelt, und mit so großen Kapitalien.

Empfohlene Zitierweise:
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Fünfter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1838, Seite 91. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_5._Band_1838.djvu/99&oldid=- (Version vom 26.8.2024)