Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Sechster Band | |
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Die Badehäuser, deren man jetzt 19 zählt, sind sehr ansehnliche Gebäude. Sie erhalten das Wasser durch Röhrenleitungen meistens von der Hauptquelle, welche im Innern des sogenannten Calvarienberges entspringt. Ein an 50 Fuß langer, durch den Fels gehauener Gang führt zu einer geräumigen Höhle, wo die Quelle aus einem 20 Fuß tiefen Kessel, kochend und mit prasselndem Geräusch, armsdick hervorsprudelt und dicke Dampfwolken von sich stößt. In einer Stunde gibt sie an 800 Kubikfuß Wasser her, dessen Wärme von 27 bis 29° Reaumur wechselt. Es sind meistens Gesellschaftsbäder und diese sind so gebaut, daß jedes 100 bis 200 Personen auf einmal fassen kann. Sie werden in der Regel den Einzelbädern vorgezogen; doch kann man auch diese erhalten. Prachtvoll ist das sog. Frauenbad, mit höchst geschmackvoller Einrichtung und Kliebers schöner Gruppe des Aesculaps und der Hygiea im großen Badesaal. Im Theresienbade badet man nur in Wannen; hier sind auch Schwefel- und Tropfbäder eingerichtet.
Die Badezeit ist von 4 bis 10 Uhr Morgens. Die Heilkraft von Baden’s Quelle war schon den Römern bekannt, und eine Menge in der Nähe ausgegrabener Alterthümer und Spuren von römischen Bauwerken lassen den damaligen Ruf Badens ahnen. Bei krankhaften Zuständen, welche von Schwäche in Folge unmäßigen Lebensgenusses herrühren; ferner bei Lähmungen, bei Abspannung des Nervensystems, im Anfange schleichender Lungenübel, bei hysterischen und hypochondrischen Leiden, bei gichtischen und rheumatischen Wehen, in allerhand Hautkrankheiten, Contracturen etc. haben sich die Baden’schen Wasser immer wohlthätig, und oft als ein imperatives Heilmittel erwiesen. Schädlich, vermöge ihrer Erregungskraft, sind sie vollsaftigen und auch solchen Personen, die schon gänzlich entkräftet sind. Die Frequenz der Badegäste ist seit einer Reihe von Jahren im steten Zunehmen, und übersteigt in einer Saison oft 9000. Das Leben ist hier, obschon es durch den Aufenthalt des kaiserlichen Hofs und der Erzherzöge, von denen fast jeder seinen eigenen Pallast hat, äußerst glänzend erscheint, doch nicht theuerer, als an andern deutschen Bädern ersten Ranges. In dem bunten, strahlenden Treiben der Hunderte von Fürstlichkeiten, welche sich hier versammeln, der Menge von Excellenzen, wirklichen und Exministern, christlichen und jüdischen Millionairs und Vettern aus Bremen von allen Theilen der Welt, kann der anspruchlose Badegast sich ganz unbeachtet bewegen, und für Beobachtung ist ihm dabei das reichste Feld geöffnet. Für die Communikationsmittel ist verschwenderisch gesorgt. Eilwagen gehen täglich zweimal nach Wien und zurück, und in der Badezeit sind immer eine große Anzahl Lohnkutscher und Fiaker auf den öffentlichen Plätzen, dem Winke des Badegastes gewärtig, um ihn in die reizende Umgebung, oder zu einer Landpartie zu führen.
Das gewöhnliche Ziel der Spaziergänger ist das Helenenthal, das sich, voller Naturschönheiten, – Felsen, Grotten, Höhlen und kleinen Wasserfällen, umgeben von altersgrauen Ruinen (Raubenstein, Scharfeneck, Rauheneck), – weit in das Gebirge hinstreckt. Der Park ist von großartiger Anlage, mit einem Tempel des Aeskulaps
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Sechster Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1839, Seite 177. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_6._Band_1839.djvu/185&oldid=- (Version vom 7.10.2024)