Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Sechster Band | |
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„In Hallein bleiben mocht’ ich nicht; mich trieb’s nach Salzburg. Der Nachmittag war heiß, der Himmel wolkenlos; nur am äußersten Horizont quollen weißliche Wölkchen auf, einen gewitterschwülen Abend verkündigend. Schwerfälliger als je trabten unsere Braunen auf dem prächtigen Heerwege das Salzathal hinab. Keine Kühlung stieg heute von den Fluthen auf. Nur ein würziger, warmer Geruch von Erdbeeren und Alpkräutern parfümirte den lästigen Staub, mehr ermattend als erquickend. Langsam rollte der Wagen an einer Kette von freundlichen Dörfern: Kaltenhausen, Niederalbe, Anif, Morzig hin und den vor uns liegenden Schlössern Leopoldskron und Hellbrunn entgegen. Ueberall sahen wir auf den Alptriften die schönsten Kühe weiden mit harmonisch-klingendem Geläute; die Hirten bliesen auf ihren Schallmaien unter den schattigen Felsen, und auf den höchsten Thälern glänzten ruhige, friedliche, einsame Sennhütten. Gesättigt von diesen so oft schon genossenen Alpenbildern, ermattet von der Hitze und eingelullt vom rauschenden Gewässer der Salza schlummerte ich ein wenig ein. Wie lange, weiß ich nicht; als mich ein Geräusch wie fernes Donnern weckte. Aufschauend, blitzte mir die sinkende Sonne entgegen, als sie eben im Begriffe war sich hinter eine breite schwarze Wolke zu verbergen, aus derem glühenden Saum sie noch einen Halbkreis von Feuerstrahlen schoß. Finster lagen die Wälder und schwarzen Berghäupter unter ihr. Bald erhellte und röthete sich der Saum eines weit ausgebreiteten Gewitters und in dessen weiß-grauen Wolkenmassen fing blasses Wetterleuchten an zu zittern. Noch war die Sonne nicht untergegangen, – nur verhüllt; tiefblau glänzte über mir das Himmelszelt und die schwarze Wand in der Ferne brach das Tageslicht nur so viel, um die Gegenstände um so ruhiger betrachten zu können. Ueber das weite Thal hin schwelgte mein Auge in dem Anblick, eines entzückenden Alpengebirgs, dessen kühn aufstrebende Kegel und Zacken, vielfach gefärbt, sich im Luftmeere badeten. Während ich mich ganz der Betrachtung hingab, kamen wir auf fast ebenem Wege, in immer weiterm Grunde, an den Punkt, wo bei einer Wendung der Heerstraße Salzburg sichtbar wird. Doch ich – denn träumerisch hing noch mein Auge an der heiligen Alpenwelt – sahe es nicht eher, als bis es ganz entfaltet vor mir lag, so wie du es, lieber Leser, hier im Bilde vor dir siehst. Lebhaft rief mir der erste Anblick den von Berchtesgaden zurück. Auch dieses liegt in einem Alpenkessel von Bergen umgeben; nur ist für Salzburg’s Gegend
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Sechster Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1839, Seite 181. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_6._Band_1839.djvu/189&oldid=- (Version vom 7.10.2024)