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Seite:Meyers Universum 6. Band 1839.djvu/209

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in Erfüllung gehen!“ So wurde aus dem fremden Sohne der Niedrigkeit und der Armuth, der in seinem Vaterlande acht Jahre lang als gemeiner Musketier den Tornister getragen hatte, der Thronfolger in einem mächtigen Reiche, der Fürst zweier der hochherzigsten Nationen Europa’s. –


Während Bernadotte, als schwedischer Thronfolger, sich ganz mit den Interessen seines neuen Vaterlandes und seiner hohen Bestimmung beschäftigte, wandelte der große Napoleon starrsinnig den eingeschlagenen Pfad zum Verderben fort. Unbekümmert um die Interessen anderer Staaten, bestand der damals Allmächtige überall auf blinden Gehorsam und unbedingte Erfüllung seines von maaßlosem Haß gegen England mißleiteten Willens. Der Mann, dem die Vorsehung die Mittel in die Hände gelegt hatte, eine Welt zu beglücken: er verkannte gänzlich seine Bestimmung. Alle Hoffnung der Völker auf ihn ging in Hoffnungslosigkeit auf und mit jedem Jahre entfremdete er sich mehr und mehr den Interessen der Humanität und Gesittung. Rücksichtslos und hart, mit einem Uebermuth, der aller Nationalität spottete und aller Selbstständigkeit fremder Völker höhnte, übte er eine Diktatur über den Welttheil aus, welche die Regierungen wie die Völker erbitterte, und als Frucht solcher Erbitterung erstand jener furchtbare Bund, an dem die gewaltigste Macht, die seit Karl dem Großen über den Welttheil herrschte, endlich wie ein Strom am Felsen sich brach.

Bernadotte, vermöge seiner Stellung eingeweiht in die Absichten der Verbündeten und vertraut mit der Stimmung der Völker, dabei im Stande, die antagonisten Kräfte gegen einander abzuwägen, war keinen Augenblick über das Ende eines solchen Kampfes in Zweifel. Schon hatte Spanien den Völkern ein großes Beispiel von Dem gegeben, was moralische Kraft über physische Gewalt vermag; schon hatte der Winterfeldzug in Rußland des Kaisers Heereskraft unwiederbringlich gebrochen; schon stand Preußen’s hochherziges Volk gegen den Dränger in Waffen: da beschwor Bernadotte mit aller Begeisterung, die Ehrfurcht vor der Größe des Kaisers, und Freundschaft und Dankbarkeit einflößen können, den Mächtigen zum letzten Male, einzulenken und den Pfad gewissen Verderbens zu verlassen. „Wollen Sie,“ so schrieb er ihm am 13. März 1813, „im Besitze der schönsten Monarchie der Erde, die Gränzen derselben in’s Unendliche ausdehnen und einem weniger mächtigen Arme als der Ihrige ist, die traurige Erbschaft unvertilgbaren Völkerhasses und endloser Kriege vermachen?“ – und den Ausgang ahnend, setzte er hinzu: „Wenn aber keine Wahl gelassen ist, als der Kampf zwischen der Freiheit der Welt und der Unterdrückung, – dann werde ich zu den Schweden sagen: Ich fechte für Euch und mit Euch. – Sire! Für den Fürsten gibt es weder Freundschaft noch Haß; es gibt nur Pflichten zu erfüllen gegen die Völker, welche zu regieren ihn die Vorsehung berufen.“

Empfohlene Zitierweise:
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Sechster Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1839, Seite 201. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_6._Band_1839.djvu/209&oldid=- (Version vom 8.10.2024)