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Seite:Meyers Universum 6. Band 1839.djvu/225

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CCLXXXI. Danzig.




Schon ehe die deutschen Städte sich zum Bund der Hansa vereinigten, war Danzig eine bedeutende Handelsstadt; es war die Kornkammer des Nordens und schloß mit den polnischen und litthauischen Fürsten und mit dem mächtigen Novogorod Verträge und Bündnisse ab. Im Jahre 1241 trat die Hansa zu gemeinsamem Schutz gegen die Ritter und Fürsten des Raubs und der Wegelagerei in’s Leben. Danzig wurde eins ihrer ersten und thätigsten Glieder.

Nachdem die Hansa fast drei Jahrhunderte geblüht hatte, unterlag auch sie dem ewigen Wechsel der menschlichen Dinge.

Der Handel überhaupt fing an andere Canäle aufzusuchen, als jene, in welche die Hansa ihn zu ihrem Vortheil geleitet hatte. Dazu gesellte sich Uneinigkeit unter den Bundesgliedern selbst. Der Verein verlor mit seiner Macht zugleich sein Ansehen. So stürzten allmählich die Grundpfeiler seiner Größe nieder und das Band, welches ihn zusammengehalten hatte, löste sich von selbst. Jede Stadt strebte aus den Trümmern für sich so viel zu retten als nur möglich; auch Danzig that dies, das, nebst Lübeck, sich vermöge seiner Lage von dem Handel mit den Ostseeländern, besonders mit Polen, das meiste zueignen konnte. Bisher hatte sich Danzig an die Macht der Deutschherren gelehnt, welche ebenfalls Glieder der Hansa gewesen waren. Jetzt wog die Verbindung mit Polen über. 1454 erklärte sich Danzig unabhängig vom Deutschen Orden und zu einem integrirenden Theil der Republik Polen, unter Vorbehalt großer Freiheiten, die ihm fast völlige Selbstständigkeit sicherten. Die Stadt hatte und behielt ihr eigenes Gesetzbuch, welches die Danziger Willkühr hieß. Ein Glied des Stadtraths, welches wechselte und Burggraf genannt wurde, repräsentirte die Suzeränität des polnischen Königs; eine Repräsentation ohne Attribute wirklicher Macht. Die Stadt schlug ihre eigenen Münzen, hielt in Warschau einen beständigen Residenten und gab bei den Reichstagen und Königswahlen ihre Stimme durch Abgeordnete.

Mit Polens Größe schwand auch die Danzig’s. Die erste Theilung Polen’s umschloß es mit preußischem Gebiet; Weichsel und Fahrwasser waren in Preußens Gewalt und schwere Zölle und lästige Fesseln drückten den Handel der polnischen Stadt. Von Jahr zu Jahr sank die zum Theil auswandernde Bevölkerung. Am Vorabend der dritten polnischen Theilung erklärte Polens König dem um Hülfe gegen preußische Bedrückung flehenden Danzig, er könne nichts thun und überlasse den Ort seinem Schicksal. Am 28. Mai 1793 besetzten die Preußen die Außenwerke, und nach kurzem Kampfe mit den zu den Waffen greifenden Bürgern machten sie sich zum Meister der

Empfohlene Zitierweise:
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Sechster Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1839, Seite 217. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_6._Band_1839.djvu/225&oldid=- (Version vom 8.10.2024)