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Seite:Meyers Universum 6. Band 1839.djvu/41

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CCXXXXII. Die Eisenminen zu Dannemora.




Es gab Jahrhunderte, wo der Glaube aus Priestern Heilige machte, und aus den Königen Götter; es gab Jahrhunderte, wo die Menschheit mit verbundenen Augen geführt wurde von einem Gefängniß in das andere; es gab Jahrhunderte, wo Aberglaube und Vorurtheil, als Gespenster-Geschwister, die ganze Nacht durch schreckten, polterten, umstürzten, zerschmetterten: und als der Morgen graute, war doch nichts verrückt; es gab andere Jahrhunderte, jüngere Zeiten, wo, nachdem die eine Hälfte der Menschheit die andere, durch Arglist und Faustgewalt, um ihr Gleichheitsrecht betrogen, sie der unterdrückten sogar den Menschennamen abstritt; Jahrhunderte, in denen man Seeraub ehrte, den Segen des Strandrechts in’s Kirchengebet einschloß, den Negerhandel als einen Akt der Humanität pries und den Unterthanen-Verkauf als ein Recht der Fürsten. Zwischen dieser Nacht und den lichten Sabbathstagen liegt, wie eine weite Schlucht, unsere und unserer Kindeskinder dämmernde Gegenwart. Was führt hinüber? Eine Brücke von Eisen! Barocker Gedanke! ruft da Mancher. Als ob er nicht wüßte, daß auf der Eisenbrücke der Kultur das Geschlecht schon lange gewandelt! Wer kann den Krieg ohne Eisen sich denken? Die Maschinen des Kriegs aber waren die ersten Säemaschinen der Kultur, auf den blutigen Schlachtäckern sproßten der Menschheit die ersten Aerndten zur weitern Aussaat von Kenntnissen, Wissen und Gesittung. Seitdem freilich die Völker die Ammenmährchen von Nationalhaß und Erbfeindschaft nicht mehr glauben; die Kunst, sie zusammenzuhetzen, in Verruf gekommen ist, wie andere Teufelskünste; der Begriff von der Nothwendigkeit des Kriegs allwärts den Credit verloren hat und anfängt, obsolet zu werden: seitdem sind die Kriegsmaschinen, als Culturwerkzeuge, entbehrlich; aber die Unentbehrlichkeit des Stoffs ist geblieben, obschon die Anwendung sich verändert hat. Man reicht der Welt die Gesittung nicht mehr auf der Spitze des Schwerts, oder läßt sie auf Kanonenkugeln fliegen; aber man baut ihr Eisenbahnen als Heerstraßen, ihre Armeen sind die Dampfwagen, und die Foultons, die Watts, die Cockerills sind ihre Cäsaren und Alexander. Es mag die Metamorphose für den klassischen Kopf immerhin etwas Komisches haben, wie ihm die Behauptung, das Eisen civilisire die Welt, wohl überhaupt widersinnig scheint; aber darum bleibt die Thatsache nicht weniger richtig. Von jeher war das Eisen das Mittel, durch welches die Europäer, als Träger und Repräsentanten der Kultur, ihre Ueberlegenheit der Willens- und Verstandeskraft in allen Theilen der Welt geltend machten, und wodurch sie zu einer Machtvollkommenheit gelangten, vor welcher die Rohheit in den entlegensten Erdwinkeln keine sichere Stätte mehr findet. Wenn die Zeit gekommen seyn wird – und unser ist

Empfohlene Zitierweise:
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Sechster Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1839, Seite 33. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_6._Band_1839.djvu/41&oldid=- (Version vom 14.11.2024)