Zum Inhalt springen

Seite:Meyers Universum 7. Band 1840.djvu/130

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.

20 großen Dampfschiffen für diesen Zweck, und ihre Konkurrenz wird durch Billigkeit der Preise dem neuen Bedürfniß dienen. Von der entgegengesetzten Seite bietet man ihm gleichfalls die Hand. Die Sidney-Gazette hat den Plan veröffentlicht, Dampfboote regelmäßig durch die Südsee nach der Westküste von Mittelamerika zu schicken, von wo eine kurze Landreise, wie bei Suez, über den schmalen Bergrücken nach Panama bringen soll, der Station einer zweiten Dampfschifflinie, welche die westliche Kommunikation mit Europa in grader Linie vollendet. In weniger als 100 Tagen geschieht dann die Reise um die Welt. So werden die jungen, kaum geborenen Colonieen Australiens Mittel und Impuls, unglaublich Scheinendes zu verwirklichen, sie rücken die Welttheile zusammen, nähern die Völker und kleinern die Erde. Man erwäge, welch ein unermeßliches Feld für die menschliche Thätigkeit diese einzige Thatsache öffnet. Selbst in der Politik wird das Faktum dastehen als Riesenzahl, welche die alten Rechnungen verwirrt, alle frühern Verhältnisse verschiebt und zum Aufsuchen anderer Rechnungsbasen anweist. Im Rathe der Nationen und Staaten wird es sich nicht mehr um Krieg und Frieden eines Erdtheils handeln; man wird fortan immer die ganze Welt umfassen müssen.

Für jetzt steht England noch allein als Leiter da in dieser großen Bewegung. Es hat in der australischen Welt Posto gefaßt auf eine Weise, die deutlich zu erkennen gibt, daß es keinen Nebenbuhler gegen sich aufkommen zu lassen beschlossen hat. England bekennt ohne Hehl, daß, was es in Nordamerika und in dem atlantischen Meere gezwungen aufgegeben hat, es in Australien und der Südsee hundertfältig wiedergewinnen will. Seit den letzten 10 Jahren, in welchen die australische Colonisation so außerordentlich zunahm, sind dem Mutterlande bereits so bedeutende Vortheile daraus erwachsen, daß man sich nicht wundern darf, wenn man sieht, wie es die weitere Ansiedelung auf eine Weise fördert, von der die neuere Geschichte kein Beispiel aufstellt. Eine einzige Thatsache reicht hin, dieß zu erläutern. 1816 wurde versuchsweise eine Heerde sächsischer Schafe nach Sidney geführt, und 1818 kam das erste Produkt dieser Heerde an den Londoner Markt. 1820 bestand das eingeführte Quantum australischer Wolle in 120,000 Pfund; 1830 stieg es auf 2 Millionen und im vorigen Jahre auf 8 Millionen Pfund, zum Werthe von mehr als 10 Millionen Gulden. In weniger als 2 Jahrzehnten muß England in Bezug auf seinen Wollbedarf unabhängig vom Auslande seyn, und australische Wolle mag vielleicht die deutsche noch von unsern eigenen Märkten verdrängen. Auch der so wichtige Wallfischfang in der Südsee, der gegenwärtig 500 brittische Fahrzeuge und 10,000 Seeleute beschäftigt, ist durch den Besitz der australischen Colonieen fast schon ein Monopol Englands geworden. Rechnet man zu den unmittelbaren Handelsvortheilen die noch größern, welche England für seine unsichere Herrschaft in Indien erwachsen, für welche es in seinem australischen Reiche die sicherste Stütze findet: so wird es nicht mehr auffallen, daß es so gierig seine Polypenarme über den ganzen australischen Ocean ausstreckt und alles, was es zu erklammern weiß, mit so viel Ostentation als sein ausschließliches, unantastbares Eigenthum proklamirt. Hat es ja sogar Neuseeland gleichzeitig

Empfohlene Zitierweise:
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Siebenter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1840, Seite 122. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_7._Band_1840.djvu/130&oldid=- (Version vom 3.11.2024)