Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Siebenter Band | |
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Den Schiffern wird Helena in zwölfstündiger Entfernung ale dunkle Wolkenbank mit zerrissenen Spitzen am äußersten Horizonte sichtbar. Nach und nach treten die wilden Umrisse deutlicher in den Vorgrund. Kein Baum, fein Busch, kein lebendes Wesen ist an den grauschwarzen, scharfgezackten Feldmassen zu sehen, welche vor dem erstaunten Blicke da liegen wie die chaotischen Riesentrümmer einer untergegangenen Welt. Mit furchtbarem Getöse rollt die tobende Brandung an den senkrechten oder überhängenden Wänden hin, jede Annäherung verbietend. Nur an einer einzigen Stelle, an der Nordseite, ist in dem Felsengurte des Eilands eine Spalte; auf sie steuert das Schiff zu und bald werden die Signalhäuschen auf den Höhen, die Redouten und dräuenden Batterien sichtbar, welche alle Punkte der Einfahrt bedecken. Die Schlucht steigt landeinwärts ziemlich steil an; nur nahe bei’m Meere wird die Abdachung sanfter. Auf derselben liegt der einzige Ort der Insel, das Städtchen Jamestown, mit weißen, massiven Häusern und grünen, schlanken Palmen, lieblichen, lebensvollen Anblicks, der einen wohlthuenden Contrast mit den todten Felsen macht. Schon in der Ferne waren die Signale auf dem Schiffe und am Lande thätig zu gegenseitiger Verständigung. Die brittischen Batterien dröhnen ihr Willkommen, – einen Augenblick später fallen prasselnd die Segel zusammen; donnernd rollt der Anker von seinen Ketten in den Grund, tief beugt das Fahrzeug sein Haupt, erhebt sich wieder, und im ersehnten Hafen liegt’s nun ruhig und sicher vor allen Stürmen. –
Die größte Länge der Insel beträgt 2 Stunden, ihre Breite nur eine. Ein Tag reicht hin, um an alle Orte zu pilgern, welche das Andenken des großen Todten heiligt.
Ein Besuch in Jamestown ist schon durch die Schicklichkeit geboten, da ohne Erlaubniß des Gouverneurs weder Longwood noch das Grab gesehen werden können. Das der Schlucht eingebaute, zu beiden Seiten von schwarzen Feldmassen überragte Städtchen, bildet 3 recht ansehnliche Straßen, welche freie Plätze zwischen sich lassen, die mit Cocospalmen und Pisangbüschen anmuthig bepflanzt sind. Nicht ohne Verwunderung sieht man in diesem entlegenen Weltwinkel die Zeichen des Wohlstandes und heitern Lebensgenusses. Läden reihen sich an Läden; einige sind mit den kostbarsten Manufakturen und Stoffen Japan’s, China’s, Bengalens und der ostindischen Inseln angefüllt; in andern sind die schönsten Erzeugnisse brittischer Manufakturen ausgelegt. Doch hohe Preise haben die Waaren im Durchschnitt alle, und die gewöhnlichen Bedürfnisse des Lebens sind unglaublich theuer. Ein Huhn kostet z. B. 5 Gulden, ein Sack Kartoffel 12 Gulden, eine Chaise zu einer Fahrt von 5 Stunden 30–40 Gulden. Damit steht der Preis der Arbeit im Verhältniß; der gewöhnliche Handwerksgeselle verdient sich 3 Gulden den Tag. – In Jamestown sind 9/10 der ganzen Bevölkerung vereinigt, welche etwa 2200 Weiße und 2900 Farbige zählt. Die letztern sind Bengalesen, Laskaren und Chinesen. Culturfähig ist ein verhältnißmäßig nur kleiner Flächenraum des Landes, bochtend etwa 30,000 Morgen. Die Landwirthschaft erfordert viele Beschwerden, lohnt aber; denn alle
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Siebenter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1840, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_7._Band_1840.djvu/15&oldid=- (Version vom 24.10.2024)