Zum Inhalt springen

Seite:Meyers Universum 7. Band 1840.djvu/192

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.

statten und geben die Produzenten in seine Hand. Vom reichsten Magnaten an bis auf den kleinsten Grundherrn herab sind nämlich in allen Abstufungen eine Menge Individuen, die sich in steter Geldverlegenheit befinden, und sich um jeden Preis Geld verschaffen müssen. Das gewöhnliche Verfahren ist, an den Pesther Commissionär, Großhändler ober Bankier Verkäufe von Producten auf mehre Jahre hinaus, zu niedrigen Preisen, zu machen und einen Theil des Belaufs als Vorschüsse zu empfangen, die überdieß hoch verzins’t werden, und selten hat ein solcher Gutsbesitzer Energie genug, sich jemals wieder von seinem Pesther zu befreien. So ist es denn leicht erklärlich, wie unternehmende Geschäftsleute, die über Capitale zu verfügen haben, große Reichthümer in Pesth sammeln und sich zum Besitze von Millionen emporschwingen können.

Das Pesth gegenüber auf dem rechten Donauufer romantisch um das alte königliche Felsenschloß (jetzt die Residenz des Palatins, des Reichsverwesers,) gelegene Ofen ist unregelmäßig gebaut, der Sitz der obersten Reichsbehörden, Festung und der Aufenthalt der höhern Beamtenwelt, so wie der Generalitat. Ofen hieß in den ältesten Zeiten Sicambri, nach der Colonie, die Rom unter Antonin dem Frommen aus sicambrischen Ansiedlern hier gründete. Noch sieht man von der alten Römerstadt die Ueberreste einer Wasserleitung. Attila machte Ofen zum Waffenplatz und gab ihr den Namen Buda; der deutsche Name Ofen kam im sechsten Jahrhundert auf. Ungarns Könige wählten sie zur Residenz, und sie blieb die Hauptstadt bis 1540, als Soliman der Große den größten Theil Ungarns zum türkischen Reiche schlug. Ofen ward Sitz eines Paschas, bis 1686, der Epoche der Befreiung vom Türkenjoch.

Erst Joseph II. gab Ofen seine Rechte wieder, setzte das Palatinat ein, und ließ die geflüchteten Reichsinsignien wieder herbringen. Sie sind im königl. Palaste in einem Reliquienkasten verwahrt. Weniger glücklich war die berühmte Bibliothek, welche Matthias Corvinus, der zu dem Zwecke in Italien und Griechenland allein 300 Abschreiber viele Jahre lang beschäftigte, gründete. Er hatte so im Ofener Schloß 40,000 Manuscripte zusammen gebracht, außer den schönsten, kostbarsten Erstlingserzeugnissen der Buchdruckerkunst, deren Erfindung in seine Zeit fiel. Die Türken verbrannten nach der Einnahme Ofens diesen Schatz, wie sie einst mit der alexandrinischen Bibliothek gethan hatten. In beiden Fällen war der Verlust für die Wissenschaften unersetzlich. Die einzigen Ueberbleibsel jener Bibliothek sind halb verbrannte und zerrissene Fragmente, die noch gezeigt werden.

Ofen ist ein Kurort. Die heißen Bäder waren schon von den Römern gekannt und benutzt. Matthias Corvinus erhob sie von neuem aus ihrem Schutt, ließ sie reinigen und fassen; Glanz aber erhielten sie erst unter Stambuls Gewalt wieder. Religion und Sitte der Türken gaben Anlaß, zum Schmuck der Thermen prächtige Gebäude aufzuführen, und mehre Derwischklöster sorgten für die Pflege der bedürftigen, hierherkommenden Kranken.

Empfohlene Zitierweise:
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Siebenter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1840, Seite 184. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_7._Band_1840.djvu/192&oldid=- (Version vom 15.11.2024)