Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Siebenter Band | |
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willen reist, der findet, wenn er nur sonst mit den nöthigen Eigenschaften ausgerüstet herkömmt, leicht Eingang in jene anziehenden, hochgebildeten literarischen Zirkel, wo ihm Männer begegnen, die Deutschland als seine größten Zierden verehrt und deren Kreis das Gouvernement, eben so liberal als verständig, stets zu erweitern strebt. Die Namen von Enke, des Astronomen, von Savigny, des Juristen, Raumer’s, des Geschichtsforschers, Humboldt’s, des Reisenden, Ritter’s, des Geographen, Ehrenberg’s, des Naturforschers, kennt und würdigt die ganze wissenschaftliche Welt. Schwerer zugänglich ist der Kreis jener Fraction der Gesellschaft, in welcher, neben Bildung, zugleich der Rang des Fremden in die Wagschale gelegt wird: und jene überschwängliche Gastfreundschaft, welche z. B. den österreichischen und brittischen Adel auszeichnet, ist bei der Berliner Aristokratie gar nicht zu suchen. Letztere ist keineswegs sehr begütert, und wenn eines oder das andere ihrer Glieder ja ein großes Haus macht, so ist das eine Ausnahme, welche nur die Regel bestätigt. Militärischer Rang und Uniform waren von jeher in Berlin gültige Einlaßkarten für die höchsten Cirkel; sie sind’s auch noch, obschon das einst damit verknüpfte ausschließliche Recht ein verlornes ist. – Der Kern der Bevölkerung, die Mittelklasse, Kaufleute, Fabrikanten, Rentiers etc., zeichnet sich, mit dem nämlichen Stande in andern Städten verglichen, durch wissenschaftliche und gesellschaftliche Bildung aus; hierzu gesellt sich aber Hang nach Luxus, der auf Kosten des Wohlstandes Befriedigung findet. Vermögensammeln ist nicht Sache des Berliners und der Handels- und Gewerbstand ist bei aller ihm eigenthümlichen Thätigkeit doch nicht reich. – Die untern Classen endlich haben laxe Sitten und vergnügungslustigen, verschwenderischen Sinn mit allen Hauptstädtern gemein. – Ueberraschen kann es daher nicht, daß die Zahl der Berliner Armen sehr groß ist; über 15,000 Menschen, ein volles Achtzehntel der Bevölkerung, fordern Unterstützung von der öffentlichen Mildthätigkeit. Der Pauperism ist während der letzten Jahre in einem so beunruhigenden Grade gewachsen, daß von der städtischen Armencommission außerordentliche Mittel angesprochen werden mußten, seinen Forderungen zu begegnen. Außer der Behörde sind eine Menge Privatvereine unausgesetzt thätig, nützliche Beschäftigung für die Arbeitsfähigen zu ersinnen und die Immoralität in der furchtbarsten Quelle zu verstopfen. Als wohlthätigste Anstalt hat sich in dieser Beziehung eine Stiftung des Kriegsraths Krantz (1794), das Bürgerrettungs-Institut, erwiesen. Aufhülfe unschuldig verarmter Bürger ist sein Zweck, und mehre der ehemaligen Pfleglinge sind jetzt seine thätigsten und freigebigsten Glieder. – Für Förderung von Wissenschaft und Kunst geschah in Berlin jederzeit sehr viel und die Menge öffentlicher Institute und Privatvereine zu diesem Zwecke ist so groß, daß die Aufzählung aller ermüden würde. Obenan steht die weltberühmte königliche Akademie der Wissenschaften, die bei weitem die wichtigste der derartigen Anstalten in Deutschland ist; sodann die Akademie für bildende Kunst und mechanische Wissenschaften mit ihren Schulen; der Kunstverein; die militärisch-medizinisch-chirurgische Akademie; die Thierarzneischule, 2 Seminarien für Schullehrer-Bildung, eines für Missionaire etc. Die hiesige Universität mit einer langen Reihe berühmter Lehrer ist eine der am meisten
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Siebenter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1840, Seite 15. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_7._Band_1840.djvu/23&oldid=- (Version vom 25.10.2024)