Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Siebenter Band | |
|
umher liegen zu sehen. Das Feuer ihrer Augen war erloschen, alle Kraft von ihren frischen Gliedern gewichen, die mit kaltem Schweiß bedeckten Gesichter schienen den nahen Tod zu verkündigen. Erst als sich die Körper durch stundenlanges Würgen völlig entleert hatten, trat ein besserer Zustand ein, und die Abgematteten taumelten nun den Cajüten zu, um in den Armen des Schlafs Genesung zu erwarten. – Dem so lärmend begonnenen Tage folgte die tiefste Stille der schönsten Nacht. Ich, abgehärtet durch so viele Seereisen, hatte keine Lust, zu den stöhnenden und schnarchenden Gesellen hinab zu kriechen, und blieb auf dem Verdecke sitzen, das mondbeleuchtete Meer zu betrachten, dessen aufhüpfende Goldwogen einer unermeßlichen Schaar von Sirenen und Nixen glichen, die ihre Klagen durch die Lüfte flüsterten. Ich dachte zuerst und lange Zeit an die Heimath, dann an das Ziel meiner Reise, an Carthago und dessen Geschicke, und an Den, dessen Geist vom Urbeginn an brütend über dem Ocean der Geschichte schwebt und den Kreislauf seiner Fluthen leitet. Vom Lichtglanz der Wellen geblendet, hatte ich die Augen schlummernd geschlossen und schwere, wilde Träume hielten mich umfangen. Mir war’s, als zogen mit jedem Athemzuge Schauer-Geister der Tiefe aus und ein, Titanengezücht, das sich in der Kammer meiner Seele bekämpfte, festkrallte, und, in Knäueln verstrickt, wieder hinaus sich wälzte, in den Abgrund hinunter, wo es noch lange tobte, bis bleiche Riesengebeine der Erwürgten auf den Wellen rollten, die sich als Dünen an das Gestade legten. Und auf jedem der Riesenknochen stand mit großen Lettern der Name eines Volks – bekannte Namen vergangener und lebender, und unbekannte künftiger. Da schlug die Schiffsuhr zwölf, und ehe sie ausgeschlagen, war der gräßliche Alp geflohen und seine Last von mir gewälzt. Betäubt und erschöpft wankte ich hinab zur Kajüte und sank auf meiner Matratze in erquickenden Schlaf.
Am andern Morgen war alles frisches Leben, und das Wehe der Seekrankheit vergessen. Der Wind blies aus vollen Backen, alle Segel waren ausgebreitet, so daß die Masten krachten unter des gefangenen Windes Last – wir flogen. – Eben hatten wir uns zu einem derben Frühstück versammelt, als der Ruf: Land! Alles in freudige Bewegung setzte. Jeder drängte sich dem Vordertheile zu, wo in der That, nur wenige Seemeilen fern, die grünen Ufer der Insel Minorka aus der blauen Meerfluth auftauchten. Wir Alle labten uns herzlich an diesem Anblick, denn wir fingen nachgerade an, der See mit ihrem ewigen Einerlei satt zu werden. Bald erschienen auch die Thürme und Häuserreihen der Stadt Mahon, welche am Ende ihrer weiten Bucht, die alle Flotten Europa’s aufnehmen könnte, anmuthig hinter Orangenwäldchen und Gärten hervorlacht. Der eigentliche Hafen ist klein, aber vortrefflich und durch ein Fort geschützt. Nach Abgabe einiger Briefe und einem kurzen Besuche des französischen Viceconsuls setzte unser Schiff seine Fahrt nach Afrika fort. Noch vor Einbruch der Nacht hofften wir die Küste des Welttheils zu erspähen, so schnell fuhren oder flogen wir vielmehr bei dem günstigen Winde. Vergeblich; die Küste wollte nicht sichtbar werden, und wir legten uns verdrießlich zu Bette.
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Siebenter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1840, Seite 237. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_7._Band_1840.djvu/245&oldid=- (Version vom 20.11.2024)