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Seite:Meyers Universum 7. Band 1840.djvu/46

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ein Schloß, daß ich ausruhen könnte!“ und jene kolossale Schmeichelei des Höflings, welche es wagte, der Monarchin auf ihrem berüchtigten Triumphzuge nach der Krim erdichtete Städte an den Weg zu bauen, ihr Deputationen zu senden von erdichteten Bevölkerungen, und, um ihr die Stärke des Heeres zu zeigen, die nämlichen Regimenter in dreierlei Uniformen vorüber zu führen, schuf binnen 2 Monaten ein kahles Feld zum herrlichsten Park und großen Schlosse um, ausgeschmückt mit der üppigsten kaiserlichen Pracht. Als Katharina mit ihrem Liebling auf einer Spazierfahrt bald darauf wieder in diese Gegend kam, ließ Potemkin vor den Flügelpforten des Parks halten und auf das Schloß weisend, sagte er: „Ew. Majestät Wunsch war mir Befehl!“ Wie nun die Kaiserin, ob der Rede verwundert, den Blick hineinwirft, schauert sie zusammen: – sie sieht in der Form des Palastes die Gestalt eines Sarges. Sofort läßt sie umwenden und nie war sie zu bewegen, jemals das Schloß zu betreten. Den Sargpallast nennt es der gemeine Russe bis auf den heutigen Tag und der abergläubische Sinn knüpft daran die Sage, der Letzte des Hauses Romanoff werde ihn einst bewohnen. –

Czaratzina liegt 14 Werste von Moskau. Die schattigen kühlen Gänge des Parkes sind für die vornehme Welt der alten Kaiserstadt ein Lieblingsziel ihrer Ausflüge zu Wagen und zu Roß in der schönen Jahreszeit.




CCLXXXIX. Die Londonbrücke.



Paris hat den größten Ruf, den größten Zeitungsnamen; es imponirt durch das ewige Gerede von einer Weltstadt; vergleicht man es aber, was Größe, Ausdehnung, Bevölkerung, Verkehr, Opulenz und Majestät der Anlage betrifft, mit London, dann schrumpft es zusammen und verliert den prunkenden Titel, der ihm nicht geziemt.

In der That, Paris und London verhalten sich nicht anders zu einander, als sich die Flüsse zu einander verhalten, an welchen jene Städte liegen. Wie ein großer Bach schleicht die trübe Seine dahin, die zierlichen Brücken mit den großen Namen nehmen sich recht hübsch aus, und die Kayen gar freundlich mit ihren ein- und ausladenden Booten und Barken, unter denen jedes kleine Dampfschiff einen Grandioso spielt. Leben ist genug da; aber ein zahmes, anmuthiges Residenzleben ist’s, nicht das große der Weltstadt. Wie ganz anders, wenn man vom Pont

Empfohlene Zitierweise:
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Siebenter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1840, Seite 38. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_7._Band_1840.djvu/46&oldid=- (Version vom 26.10.2024)