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Seite:Meyers Universum 7. Band 1840.djvu/71

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CCLXXXXV. Das Grab des heiligen Bonifazius
im Dom zu Fulda.




„Dort werde ich liegen,“ spricht der Sinnliche; „und wo ist dann dieses Lebens Stärke? Mein Grab wird bald zum grünen Rasen geworden seyn, und auch diesen letzten, kleinen Ruheplatz werde ich nicht einmal behalten. Andere werden ihn einnehmen, herauswerfen wird man meine Gebeine, die Luft wird sie bleichen und Kinder spielen mit den Knochen dieser starken Arme.“ – Du kleiner Mensch! hat die Wissenschaft dir nicht längst gelehrt und nachgewiesen, daß kein Atom untergehen kann in der Schöpfung und verschwinden in das furchtbare Nichts? Und bist du denn nicht besser als Steine, Bäume und Thiere, du lebendige Seele? Thor, du! Bist überzeugt von der Unzerstörbarkeit des kleinsten Atoms, und bezweifelst deine eigene Unsterblichkeit!

Es gibt zweierlei Fortdauer nach dem Tode, sagt irgendwo Jean Paul: die eine ist unser unentäußerliches Erbtheil; die andere macht sich jeder selbst.

Wohlan, Zweifler! Wenn das Zerstieben deines kleinen geliebten Körpers dir trostlose Vernichtung ist, so gebrauche die dir vom Schöpfer verliehenen Kräfte der Seele und ringe nach der Unsterblichkeit des Wirkens. Glaube nicht, das könne allenfalls nur Der, welcher das ist, was man einen großen Mann zu nennen pflegt. Ein jeder Mensch, seine Verhältnisse, seine bürgerliche Stellung seyen, welche sie wollen, kann in der sittlichen Welt sich einen Wirkungskreis schaffen, von welchem aus er fortleben mag weit über sein irdisches Daseyn hinaus. Wird auch die Welle, die von der Thätigkeit seines Ichs ausgeht, schwächer und unmerklicher, je weiter sie sich in den Ocean der Zeit entfernt: wer kann sagen, wo ihre Schwingungen gänzlich endigen? Wer die Grenze bemessen, wo eine böse oder gute Handlung aufhört zu wirken? Wer sagen, in welchem hundertsten oder tausendsten Geschlechte die während eines ganzen Erdenlebens ausgestreute Saat des Guten oder des Bösen aufhören werde, Früchte zu tragen und sich fortzupflanzen? Wo aber keine Grenze in der Zeit ist, da ist Ewigkeit. Siehe, so kannst du dir eine Unsterblichkeit selbst machen; ja, du mußt dir sie machen ungewollt, wenn du auch noch so närrisch und noch so beharrlich dein großes Erbe verleugnest.

Betrachte diesen Dom. Er wölbt sich als Mausoleum über dem Sarg eines frommen Mannes. Der ward vor eilfhundert Jahren begraben und ist längst verwest; doch ist er lebendig, gegenwärtig, wirksam unter seinen Brüdern, als rollte noch das warme Blut in seinen Adern, welche Staub sind. Sein Mund ist

Empfohlene Zitierweise:
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Siebenter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1840, Seite 63. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_7._Band_1840.djvu/71&oldid=- (Version vom 26.10.2024)