Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Achter Band | |
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Rußland hat seine Zeit gut gewählt; aber es darf nicht zaudern, und muß den Augenblick benutzen, der noch sein ist. Der alte Jehova schickt keine Ladung, wenn er heimsuchen will; und – „er ist ein eifriger Gott, ein Rächer, zornig und von großer Kraft, dessen Wege im Sturm und Wetter sind, vor dem ein fressend Feuer hergeht, während Dunkel unter seinen Füßen ist.“ Es ist eine Zeugungsstunde einer ganzen verhängnißvollen Zukunft die Stunde, wo Völker ausgetilgt werden, und wie hoch die Weltklugheit der Staatenlenker auch stehen mag, es giebt eine höhere, von der Machiavell nichts gewußt. Mir hat die Geschichte längst gelehrt, daß der Abgrund, der, auf den Willen eines Einzigen, ganze Nationen verschlingt, ein offner Schlund bleibt, den kein Berg ausfüllen kann; er bleibt die immer offne Pforte des Unterreichs, wo die Furien wohnen, welche über schrecklichen Plänen brüten. Wohl weiß ich, daß die Fürsten an das Steuer des Staats gesetzt sind, auf daß sie das Schiff lenken mit starkem Arm. Aber lenken sollen sie es nach göttlichem und menschlichem Gesetz. Wehe ihnen, wenn sie zu Recht sitzen, ohne einen Richter zu sehen über sich, und sie vergessen, daß wir alle Sünder sind. Dann werden sie nicht mehr menschlich Recht sprechen über ihre Brüder, und sie dürfen sich nicht beklagen, wenn auch über sie einst nicht menschlich gerichtet werden sollte. – –
Ehrwürdiges Regensburg! – Wie du herrlich noch prangst an deinem Strome und in deinen Wellen dich beschaust, als freutest du dich des rüstigen Alters. Wohl dir, daß du eigene Kraft genug hast, das Versiegen starker Lebensquellen zu ertragen und die vielfachen Wunden zu vernarben, welche die harten Zeiten dir schlugen. Wohl hattest du Gott und dem Reiche ein starkes Haus gebaut: aber selbst Berge, welche die Natur auf den ewigen Vesten der Erde aufgerichtet, sind gestürzt und in Trümmer aufgelöst, wenn das innere erhaltende Leben abgestorben; und du hast wohlgethan, anstatt in Unthätigkeit zu trauern auf den Trümmern einer blühenden Vergangenheit, rasch und rüstig zu Entschluß und That dein neues Werk des Gedeihens auf die kluge, zeitige Benutzung der neuen Verhältnisse zu gründen, welche die Zeit entwickelt hat und dir bietet.
Regensburg, bis zum Fall des Reichs freie Reichsstadt und Sitz eines der obersten Kirchenfürsten, jetzt ein bayerischer Kreisort und eines dem Erzbischof von Freisingen untergeordneten Bischofs, – ist nicht blos der ältesten bayerischen Städte eine, sondern aller deutschen Lande. Schon die Römer fanden sie, als sie diese Gegenden besetzten. Kaiser Tiber machte sie zum römischen Waffenplatz und nannte sie Tiberia Augusta. Als Rom
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Achter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1841, Seite 92. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_8._Band_1841.djvu/100&oldid=- (Version vom 14.12.2024)