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Seite:Meyers Universum 8. Band 1841.djvu/115

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Kuppeln und Thurmspitzen, welche von den unzähligen Kirchen und Klöstern emporragen, läßt die Stadt noch größer erscheinen, als sie wirklich ist. Sie deckt einen Flächenraum, der dem von Berlin mindestens gleichkommt, und die Zahl ihrer Bewohner übersteigt 180,000. In der neuen Welt wird sie nur von Philadelphia und New-York an Größe übertroffen. Mexiko ist so angelegt, daß sich die vollkommen geraden Straßen in rechten Winkeln durchschneiden. Die Hauptstraßen sind fast so breit, wie die in Petersburg, und sie haben eine Länge von 1 bis 1½ Stunden. Trottoirs laufen an beiden Seiten hin; aber die Reinlichkeit läßt Vieles zu wünschen übrig. Die Nebengassen zumal sind bei feuchtem Wetter wegen des fußhohen Kothes kaum zu passiren.

Der Blick von allen Hauptstraßen, welche die Stadt von einem Ende zum andern schnurgerade durchschneiden, ist außerordentlich schön. Das Auge des Wandelnden ruht auf den imposant gestalteten, das Thal von Mexiko umgebenden hohen Gebirgen, welche, der Klarheit der Atmosphäre wegen, so nahe erscheinen, als erhöben sie sich unmittelbar am Ende der Straßen. Die schönste der letztern ist die de los Plateros. Blos Juweliere und Silberschmiede wohnen da, in deren Läden man die ungeheuersten Reichthümer aufgespeichert findet; denn nirgends in der Welt ist der Luxus in goldnen und silbernen Geschirren so allgemein und so überschwenglich, als in diesem, an edlen Metallen so reichen Lande. Die Architektur der Privatwohnungen ist nicht prächtig; Stattlichkeit und Solidität aber den meisten gemein. Sie haben zwei, auch drei Stockwerke; nie mehre. Balkons aus Eisen oder von Kupfer, hübsch, oft sogar kunstreich gearbeitet, siebt man an jeder Etage. Der Anstrich der Häuser ist grellfarbig – meist blau, roth oder grün; hie und da stehen Heiligenbilder und Madonnenstatuen in Wandnischen, und vor manchen brennen ewige Lampen. Alle Häuser haben platte Dächer mit Attiken. Das Erdgeschoß ist in der Regel nur zu Kaufläden eingerichtet, deren beständig geöffnete Thüren das Licht zuführen. Große Schilder über und neben dem Eingang tragen den Namen des Besitzers. Das Hauptthor der größern Häuser führt, wie im andalusischen Mutterlande, in einen Hof (den Patio) der mit bunten Steinen zierlich gepflastert und gemeinlich mit Bäumen und mit Blumenstellagen umgeben ist. Nach dem Hofe zu läuft um jede Etage ein Säulengang, auf dessen Brustwehr blühende und seltene Gewächse, oft in porzellanen Gefäßen, geschmackvoll geordnet stehen. Ein Springbrunnen in der Mitte des Hofs verbreitet Kühlung. Auf jenen Gallerien öffnen sich auch die Thüren der Zimmer und Säle. Die Wohnräume, stets hoch und luftig, sind selten tapezirt, sondern auf nassem Kalk bemalt. Kupferstiche in goldnen Rahmen trifft man im Zimmer jedes Wohlhabenden. Das Meublement ist glänzend, oft von Mahagony. Die bessern Meubel werden jedoch nicht hier gefertigt, sondern als Waare aus Frankreich und Nordamerika eingeführt. In jedem Zimmer steht wenigstens eine Heiligenfigur (von Holz, Wachs oder Elfenbein) auf einem Ecktischchen, zwischen mit künstlichen pariser Blumen angefüllten Porzellanvasen, unter

Empfohlene Zitierweise:
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Achter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1841, Seite 107. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_8._Band_1841.djvu/115&oldid=- (Version vom 5.12.2024)