Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Achter Band | |
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Die Pampas sind die Steppen von Amerika, wie jene in Südrußland die von Europa. Aber sie sind mit diesen eben so wenig zu vergleichen, wie mit den Savannen und Prairie’s am Missouri und Mississippi, oder den Llano’s am Orinoco und am Magdalenenstrom. Diese sind mit wogenden Kräutern des uppigsten Bodens, mit Schlingpflanzen und herrlichem Graswuchse bedeckt; auf den Pampas hingegen erblickt man nichts als krüppelhafte Gesträuche und Gruppen salziger Pflanzen, und dazwischen Sandhügel, mit denen der unaufhörliche Windzug auf diesen Ebenen sein Spiel treibt. Die meiste Aehnlichkeit haben die Pampas mit den Salzsteppen am Aralsee in Asien oder in der Heimath der wandernden Mongolen, der Cobi. Wir müssen und schon auf Mühseligkeiten und Beschwerden bei einem solchen 200 Meilen weiten Ritt durch eine dünn bevölkerte Oede gefaßt machen; aber sie werden uns doch nur klein erscheinen, Angesichts der Gefahren und Anstrengungen, die unserer beim Uebergang über die Anden warten. Schon in der Entfernung von 30 Meilen entdeckt das Auge über dem trüben Horizont der Ebenen die drohenden zackigen Firnen jener Bergriesen, welche jeden Morgen und jeden Abend, je näher, je herrlicher, im Sonnenroth glänzen. Während des Sommers sind die Maulthierpfade über das Gebirge außerordentlich belebt. In Karavanen vereinigt, übersteigt man in 4 Tagen die dreifache Kette. Es bleibt zwar eine Reise der Gefahr und der Anstrengung; aber es ist auch eine Reise der Lust. Jeder versorgt sich mit Lebensmitteln reichlich; nur auf den Zinnen ist das Klima rauh, und für jede schwierige Stelle folgt unmittelbarer Lohn durch die Aussicht in die majestätische Bergwelt. Keine Stunde vergeht, daß nicht Haufen von Arriero’s (Maulthiertreiber) begegnen, die von dem Ziele kommen, das man zu erreichen strebt. Dörfer und Gasthöfe sind in den Anden unbekannte Dinge. Grotten und die Casucha’s, kleine steinerne Häuser ohne Thüren und Fenster, die in der Entfernung von 3–4 Stunden dem Saumpfade entlang stehen, um dem Reisenden vor schlechtem Wetter oder vor den Lavinen eine Zufluchtsstätte zu gewähren, dienen zu Nachtlagern; die Grotten vorzugsweise, und die meisten haben als Rastorte besondere Namen. – In Schluchten und tiefen Bergspalten hin geht’s zum Col der ersten steilen Kette. Oben ragen zur Seite theils rauchende, theils erloschene Vulkane – zunächst das höchste Horn der Kette in dieser Gegend, 600 Fuß höher als der Pik von Teneriffa, unerklimmbar und noch unerstiegen. Es stößt Rauch aus und ist der Erzeuger der Erdbeben, welche die Gegend so oft verwüsteten. Wenn der Vollmond über diesen Vulkan schwebt, so wird seine Vorderseite auf mehr als sechzig Stunden in der Pampasebene sichtbar, während er den verirrten Seefahrern, die von Fels zu Fels den Hafen von Valparaiso suchen, in noch größerer Entfernung als Leuchtthurm dient. Er hüllt sein Haupt in ewigen Schnee. Aus der Nähe seines Gipfels kann der Reisende auf die Höhe schließen, in welcher er sich befindet.
Auf dem Col wird gerastet, und jeder genießt nach seiner Weise den schönen Anblick, der sich vor ihm ausbreitet. Taufende von phantastischen und bizarren Berggestalten im Prachtgewande der Gletscher,
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Achter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1841, Seite 136. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_8._Band_1841.djvu/144&oldid=- (Version vom 7.12.2024)