Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Achter Band | |
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Jahrhundert. Sie verfiel bei dem häufigen Wechsel. Zuletzt kaufte die alte Stammburg das Haus Oesterreich an sich, das sie noch besitzt, und die ehrwürdige Ruine, deren gewaltige Streitthürme stolz ihr Haupt erheben, und den Charakter der Zeit und der Menschen dolmetschen, die sie errichteten, vor weiterm Verfall sorgfältig schützt, ohne sie durch kleinliches Restaurations-Werk zu verunstalten.
Eine der gefeiertsten Stromgegenden Europa’s thut sich vor uns auf. Wie das verwünschte Schloß einer Wasserfei, so thront das alte, stolze, menschenleere Haus auf seinem Felsen, den die grünliche Woge schützt und umspült. Traulich schmiegt sich an seinen Fuß der friedliche Flecken, wie ein schüchternes, zartes Weib an den starken, schützenden Mann. Hochwinzer, im reichen Schmuck der Donau zwischen Regensburg und Passau eine köstliche Perle, gehörte in der Schreckenszeit des Faustrechts zu den Besitzungen des gefürchteten Geschlechts derer von Ortenburg, die, wenn die Sage wahr ist, hier die Grundruhr übten. – Es war diese ein Recht, zufolge dessen jeder Schiffer, der innerhalb des Burggebiets das Land berührte, oder auf den Grund stieß, für grundruhrig erklärt wurde und Schiff und Gut den Rittern als Beute anheim fiel. Die Lage der Burg war gang dazu geschickt; denn der Strom biegt scharf um die Ecke des Burgfelsens, und ein niedriges Vorland streckt sich ziemlich weit in das Gewässer, so daß es leicht geschehen kann, daß der Schiffer das Land berührt gegen seinen Willen. In spätern Zeiten kamen Burg und Flecken, sammt den Gütern, an Bayern, und bis in das vorige Jahrhundert war Hochwinzer bewohnt, und hatte, als Veste, eine kleine Besatzung. Im Kriege Bayerns mit Oesterreich wurde es von den Panduren eingenommen, geplündert und verbrannt. Seitdem ist Hochwinzer eine der besterhaltenen und schönsten Ruinen in Deutschland. In der alten Burgkapelle, welche nothdurftig hergestellt wurde, wird noch zuweilen Andacht gehalten, und für diesen Zweck ist auch noch der Steg gangbar, welcher, an der Stelle der ehemaligen Zugbrücke, von dem vorderen Felsen über einen tiefen Abgrund hinüber zur eigentlichen Burg führt.
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Achter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1841, Seite 149. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_8._Band_1841.djvu/157&oldid=- (Version vom 8.12.2024)