Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Achter Band | |
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Wer durch das Land der don’schen Kosacken über den Don, der Küste des asow’schen Meeres entlang, nach Westen wandert, gelangt an einen Golf, in den der Sambock fällt, ein für kleine, flache Barken schiffbares, tiefer im Lande durch Moore und Sümpfe, nahe der Küste zu durch ein felsiges Bette schleichendes Gewässer. An dieses Golfs Westende tritt ein nicht allzuhohes Vorgebirge hinaus in das Meer. Auf seinem Scheitel steht die befestigte Stadt Taganrog, und um die Bucht, die das Vorgebirge bildet und schirmt, reiben sich Magazine. Der Hafen selbst, obschon der belebteste am asow’schen Meere, hat nur 4 Fuß Tiefe; deshalb können ihn die größern Schiffe nicht benutzen. Sie müssen auf der Rhede ankern, und das Löschen und Beladen derselben geschieht mittelst eigenthümlicher Bootkarren auf die Art, wie es unser schönes Bild veranschaulicht.
Taganrog hat in unsern Tagen dieselbe Handelsberühmtheit erlangt, wie einst Azoff, das alte Tanais; es ist eben so der Centralpunkt für den Handel des asow’schen Meeres, wie Odessa für den des schwarzen. Der Werth der taganrog’schen Ausfuhr beträgt jährlich über 10 Millionen Rubel; halb so viel ist jener der Einfuhr. Hauptgegenstand des hiesigen Geschäfts ist Getreide, welches aus den reichen, kornbauenden Ländern, die der Don durchströmt, herbeigeführt wird; sodann Eisen, Caviar, Wolle, Talg, Häute, Wachs. Die Einfuhr besteht aus Colonialwaaren, Weinen aus dem Archipel, getrockneten Früchten aus Smyrna, Südfrüchten aus Sicilien und Manufakturwaaren aus England. Der Verkehr zur See beschränkt sich auf die Monate April bis November, denn im Winter gefriert das asow’sche Meer und der Landhandel bleibt allein übrig, welcher, auf Schlitten, bis in die fernen Gegenden Sibiriens, bis Astrachan und Moskau getrieben wird.
Taganrog steht seit kaum 140 Jahren und wurde von Peter dem Großen gegründet, der, mit dem Scharfblicke eines Alexanders, seine schickliche Lage zu einem Ausfuhrmarkt der fruchtreichsten Provinz des Reichs erkannte. Die Stadt ist recht hübsch gebaut und ihre vielen und thurmreichen Kirchen geben ihr von der Ferne ein nobles Ansehen. Die Bevölkerung, etwa 10,000, ist ein Gemisch vieler Nationen: Russen, Griechen, Armenier, Italiener, Deutsche, Franzosen, Engländer, Juden. Die beiden erstern bilden die Mehrzahl. – Obschon unter der Breite
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Achter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1841, Seite 168. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_8._Band_1841.djvu/176&oldid=- (Version vom 8.12.2024)