Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Achter Band | |
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(der Poppanassum)
in Indien.
Wir haben lange zusammen die Welt durchwandert und unser Traumbild menschlicher Weisheit ist verronnen. Ueberall sahen wir die nämlichen Mängel: nur das wie groß? und wie viel? war verschieden. Wir sahen allwärts das Recht, die Macht, den Reichthum zusammengehäuft bei einzelnen Menschen, oder Ständen, oder Kasten: – die Massen der Völker aber mehr oder minder arm, nackt ober leidend, und überall die Mehrzahl abhängig von den Wenigen, auch dann, wenn Charten und Constitutionen feierlich Rechtsgleichheit proklamirten. – Auch die Religionen sahen wir selten als Bildnerinnen, viel häufiger aber als Instrumente zur Verdummung der Völker, entweder im Interesse der Priester allein, oder zugleich in dem der Fürsten. Selbst die unvernünftigsten haben sich stets als ausschließliche Wahrheit verkündigt, und um so lauter ist solches geschehen, je mehr sie den reinen Urquell trübten, dem sie alle entsprungen sind, je mehr sie befangen waren in Irrthum; Unduldsamkeit aber fanden wir als ihr gemeinschaftliches Erbtheil. Doch so viel auch des Jammers wir gesehen, so hoch auch der Schutt des Mißbrauchs ist, der die unvertilgbare Saat allgemeinen Menschenglücks dergestalt zudeckt, daß sie nicht aufkeimen und emporwachsen kann: – so haben wir doch bei jedem Rückblick in den Zustand der Vergangenheit den Trost mit hinweggenommen, daß wenn auch die Menge der vorhandenen Uebel unübersehlich groß ist auf Erden, eine fortschreitende Verminderung derselben dennoch nicht geleugnet werden kann. Nur der Vergleich des Jetzt und Einst zeigt den Fortschritt Dem auch, welcher, in seinem Eifer für das Besserwerden, dem allgemeinen Fortrücken der Zeitgenossen immer voraus eilt, und dies oft so sehr, daß er wohl gar in Versuchung gerathen kann, an ein Rückschreiten des Geschlechts zu glauben. Es bleibt wahr, daß die Menschheit in jedem neuen Morgen einen glücklichren Tag werden sieht. Dieß ist begründet in der Ordnung, welche in der Welt der Wesen den Raum vom ersten Krystall an bis zum Menschen ausgefüllt hat.
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Achter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1841, Seite 203. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_8._Band_1841.djvu/211&oldid=- (Version vom 13.12.2024)