Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Achter Band | |
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fahren an einem Tage über 40,000 Personen. Höchst eigenthümlich ist die Lust, an solchen Tagen, in Gesellschaft vieler Tausende über das Hausergewühl der Tiefe hin dem Lieblingsziele der Cockney’s zuzufliegen, den immer grünen Hügeln, und Spielgründen und schattigen Gängen im Parke von Greenwich. Ein Wagen voll Musikanten, unmittelbar hinter dem Tender, eröffnet den unabsehlichen Train. Zwar geht die Fahrt großartigen Gebäuden nicht vorüber, allein der Blick, durch tausend andere Dinge beschäftigt, sucht auch nichts weniger als architektonische Schönheit. Von Häusern sieht man fast nur die Dächer; schwärzliche, rußige, ohne Glanz, ohne Zierde, düster, die meisten niedrig und klein. Um so herrlicher aber tritt das grandiose Bild heraus, welches sich dann und wann aufthut, wenn der Blick den Strom in der Tiefe erhascht. Mast an Mast, Wimpel an Wimpel drängt sich dort, so weit das Auge abwärts dringen kann, und durch die Mitte dieses unabsehlichen Waldes wälzt sich der Themse glitzerndes Gewässer, auf dem ein lebendiges Treiben von kommenden und gehenden Schiffen, Leuchtern, Boten und schnaubenden Pyroscaphen hin und her wogt. Ein unverständliches Tosen, das Produkt von hundert verschiedenen Tonelementen, dröhnt herauf: das Zurufen der Kommandirenden, das Aufhissen der Segel, das Knarren der Taue, das Schlagen der Ruder, das Aechzen der Krahnen, das Rasseln der Maschinen, das Peitschen der Wellen durch die Ruderräder, das Hämmern, Poltern, Klopfen an Borden und Kayen macht ein wunderliches Accompagnement zu der Musik, zu dem Zischen und Schnaufen des Feuerrosses, und seinem unheimlichen Hufschlag, von dem der luftige Bau erzittert. Westlich aber erhebt sich das unermeßliche London selbst, nur in den näheren Parthien dem Auge klar und deutlich; seine Ferne in Halbhelle und in Nebel, die fernsten Punkte in undurchdringliche Dunstwolken gehüllt, über denen die Thurmgestalten wie graue Riesenschatten ragen. Das Ganze ist ein Bild, dessen Mannichfaltigkeit und Großartigkeit seines Gleichen auf Erden sucht.
Die ganze Fahrt nach Greenwich dauert nur 6 Minuten, und im bunten, lauten, frohen Gewimmel, das am Ziele empfängt, verschwimmt das Gesehene wie Wolkenbilder einer Traumwelt.
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Achter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1841, Seite 22. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_8._Band_1841.djvu/30&oldid=- (Version vom 30.11.2024)