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Seite:Meyers Universum 8. Band 1841.djvu/64

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stand ich still und rathschlagte, ob es nicht besser sey, zu bleiben und den Morgen abzuwarten; – da stieg der Mond mit vollem Angesicht über eine Felsenwand herauf. Ich athmete leicht, da ich das Gestirn erblickte, welches mir weiter leuchten sollte, und ich jauchzete auf, als ich ganz in meiner Nähe, im bleichen Schatten, den wohlbekannten, uralten Bergstein glänzen sah, mit der Inschrift: Röthelgeheu, Inselberg. Mit der Gewißheit, den Weg nicht verfehlt zu haben, war auch die Müdigkeit verschwunden, und nicht, um auszuruhen, sondern um die Herrlichkeit der Nacht zu genießen, setzte ich mich am Steine nieder. Die Natur feierte, kein Laut verrieth ein lebendes Wesen, nur die Bäche, die murmelnd von den Bergen nieder in die Gründe wandelten, koseten mit einander, und aus dem naben Felsenthale kreischten ein paar Uhu sich Frage und Antwort zu. Ueber mir ragten Felsblöcke, wie wunderliche Riesen, um mich schaukelten thurmhohe Tannen ihre Häupter und lange Schatten tanzten gespenstige Reigen. Keine Furcht kam in mein junges Herz; aber unwillkührlich zog mich’s nieder auf die Kniee; – und ich zähle jene Augenblicke zu den seligsten meines Lebens.


Nach dem Beerberg und dem Schneekopf ist der Inselberg der höchste Gipfel des Thüringer Waldgebirgs, und unter allen seinen Bergen derjenige, welcher sich durch seine malerische Gestalt am meisten auszeichnet. Er bildet auf dem Nordwestende jenes Gebirgs (von den Städten Gotha, Eisenach, Schmalkalden gleichweit und 4 Stunden entfernt und den Mittelpunkt ihres Dreiecks ausmachend) eine abgerundete Kuppe von großer Basis, deren steil abfallende Seiten bis zum Scheitel bewaldet sind. Die Masse des Bergs ist Granit, welchen der Porphyr überlagert. Ich zweifle nicht, daß des Berges ursprünglicher Bau einst weit höher aufragte; denn rundum thürmt sich Schutt, Geschiebe und Gerölle an seinem Fuße und seine Trümmer füllen ganze Thäler aus. Seine jetzige Höhe über der Meeresfläche ist gegen 2900 Fuß.

Queer über die oberste, baumfreie Fläche laufen die Ländergrenzen von Gotha und Kurhessen hin, und auf gothaischer Seite steht ein achteckiges Haus, dessen Oberstock einen heizbaren Salon enthielt, von dem man sonst die schönste Aussicht in ganz Central-Deutschland, geschützt vor der scharfen, oft stürmischen Zugluft, ganz bequem genießen konnte. Die jetzige Regierung hat nichts gethan, das Haus, das schon um seines Erbauers, Herzogs Ernst des Frommen willen, Erhaltung verdiente, vor dem Verfall zu schützen. Ein paar hundert Schritte weiter unten, in einer geschützten Lage, steht das Wirthshaus, Stube, Kammer und Stall im engen Raume fassend, wo im Sommerhalbjahr, von Ostern bis im October, die Schaaren der Reisenden Obdach und Erfrischungen finden. In einem kleinen Garten daneben wird manchmal etwas Gemüse gezogen. Im Winter, der hier oft 7 bis 8 Monate dauert (selbst im Hochsommer fällt zuweilen Schnee, und zu keiner Jahreszeit wird man eine wohlgeheizte Stube überflüssig finden), ist das Haus unbewohnt.

Empfohlene Zitierweise:
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Achter Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1841, Seite 56. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_8._Band_1841.djvu/64&oldid=- (Version vom 1.12.2024)