verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 13 | |
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(constitutiones) und die Aussprüche der Rechtsgelehrten, welch letztere schon unter Augustus eine große, mit der Zeit immer mehr wachsende Bedeutung für die Ausbildung des Rechts nicht nur, sondern auch für die Ausübung der richterlichen Funktionen gewannen. Alles aber, was auf diese Art das praktische Leben und die Wissenschaft an Rechtssätzen geschaffen hatten, wurde dann auf Anordnung des oströmischen Kaisers Justinian (527–565) in dem sogen. Corpus juris (s. d.) vereinigt.
Eine besonders wichtige Seite des römischen Staatslebens bildet die Religion, welche in Rom aufs engste mit dem gesamten öffentlichen und Privatleben verknüpft ist. Sie ist aus einer Verschmelzung von latinischen, sabinischen und etruskischen Elementen hervorgegangen, im Lauf der Zeit aber hauptsächlich durch griechische Einflüsse immer mehr verändert und in Bezug auf die Götterlehre so gut wie völlig verdrängt worden. (Vgl. Römische Mythologie) Diese, die Götterlehre, unterscheidet sich in ihrer ursprünglichen Gestalt von andern Religionen vornehmlich dadurch, daß sie ebensowohl aller poetischen Ausschmückung wie einer tiefern Spekulation entbehrt. Die Götter der alten Römer sind teils die Kräfte der Natur in den verschiedensten Beziehungen auf äußere Dinge, teils Abstraktionen der Güter und Übel, deren Gewährung oder Abwehrung man von der Gottheit erwartete. Es gab daher z. B. eine Ossipaga, d. h. eine Göttin, welche die Knochen der Kinder festzumachen hatte; einen Statilinus und eine Statina, welche die Kinder stehen, einen Fabulinus, welcher sie reden lehrte; einen Jugatinus, den Heiratsgott; eine Libitina und Nänia, die Todesgöttinnen; einen Rubigus und eine Rubigo, welche den Rost von den Saaten abwendeten; ferner wurden die Tugenden Clementia, Concordia, Fides, die Glücksgüter Felicitas, Fecunditas, Salus, Victoria, aber auch Furcht und Schrecken (Pallor und Pavor) angerufen und verehrt. Und hiermit stimmt es vollkommen überein, daß man ursprünglich keine Götterbilder kannte, und daß die Gottheiten unter äußerlichen Symbolen, z. B. Jupiter unter dem eines Kieselsteins, Mars unter dem eines Speers, verehrt wurden, wie denn noch in später Zeit das Feuer Symbol der Vesta war. Erst durch den ältern Tarquinius (616–578) ward der kapitolinische Tempel für die drei Gottheiten Jupiter, Juno und Minerva als Nationalheiligtum gegründet und wurden den Göttern Statuen errichtet, worauf dann nach und nach der Kreis der Hauptgottheiten auf zwölf festgestellt wurde, die Ennius in folgenden Versen aufzählt:
Juno, Vesta, Ceres, Diana, Minerva, Venus, Mars,
Mercurius, Jovis (Jupiter), Neptunus, Vulcanus, Apollo.
Ebenso äußerlich wie die Götterlehre war auch der Kultus, d. h. der Dienst der Götter. Derselbe bestand in einem ungemein ausgedehnten, an die strengsten Vorschriften gebundenen und mit der peinlichsten Genauigkeit beobachteten Zeremoniendienst, der über das gesamte öffentliche und Privatleben ausgebreitet war, so daß keine Gemeinschaft ihrer besondern Heiligtümer und Opfer entbehrte und kein irgend erhebliches öffentliches oder Privatunternehmen ohne religiöse Handlungen begonnen wurde, namentlich nicht ohne die Auspizien, d. h. ohne Erforschung des Götterwillens aus dem Vögelflug und aus andern Anzeichen. Dieselben dienten nicht sowohl dazu, das eigne Verhalten danach zu bestimmen, als vielmehr nur, die Götter gewissermaßen zur Unterstützung des Unternehmens zu verpflichten, wie schon daraus hervorgeht, daß dieselben, wenn sie ungünstig ausfielen, so lange wiederholt zu werden pflegten, bis die Götter ihre Zustimmung dazu gaben. Die Aufsicht über diesen Zeremoniendienst und die Ausübung desselben für das Staatsleben galt in der Königszeit und in der ersten Hälfte der republikanischen Zeit als ein Vorrecht der Patrizier, die daher auch in ausschließlichem Besitz der öffentlichen Priesterämter waren, bis die Plebejer sich, zuletzt 300 v. Chr., den Zugang zu ihnen erkämpften. Die wichtigsten dieser Ämter sind: die der Pontifices, der Flamines (Opferpriester), der vestalischen Jungfrauen, der Augurn, der Fetialen und der Salier; die Opferschauer (haruspices), welche nicht selten, wenn irgend welche Unglück drohende Ereignisse (portenta) eintraten, wegen der den Göttern zu leistenden Sühne befragt wurden, stammten aus Etrurien, und ihr Amt und Geschäft wurde immer als ein fremdländisches angesehen. Eine besondere Erwähnung verdienen aber noch die Fünfzehnmänner (quindecimviri sacris faciundis, ursprünglich 2, dann seit 367 v. Chr. 10, auf 15 wahrscheinlich von Sulla gebracht), deren Hauptobliegenheit die Bewahrung und Befragung der Sibyllinischen Bücher (s. d.) war.
Diese so beschaffene Religion hat ohne Zweifel lange wesentlich dazu beigetragen, unter den Bürgern Roms Zucht und Gehorsam gegen die Obrigkeit zu erhalten. Allein von der Zeit kurz nach dem zweiten Punischen Krieg an begann ihre Kraft nachzulassen. Zwar bestanden die Priesterämter fort, und auch der äußere Religionsdienst wurde nach wie vor geübt, nicht nur, solange die Republik erhalten blieb, sondern auch unter den Kaisern. Aber der religiöse Sinn, der Glaube an die Götter und an die Wirksamkeit der Religionsübungen, schwand immer mehr. Der Grund hiervon ist, abgesehen von der besondern, ein wirkliches religiöses Bedürfnis in keiner Weise befriedigenden Beschaffenheit der Religion, darin zu suchen, daß der fremden Götter und Kulte in Rom immer mehr wurden, daß die gegen den religiösen Glauben überhaupt polemisierenden Schriften griechischer Philosophen immer mehr Eingang fanden, insbesondere aber darin, daß die religiösen Institutionen, vorzugsweise die Auspizien, von der Regierung vielfach gemißbraucht wurden, um mißfällige Volksbeschlüsse zu hintertreiben und überhaupt um politische Zwecke zu erreichen. Je mehr aber der alte Glaube schwand, desto mehr suchte das nie ganz zu unterdrückende religiöse Bedürfnis außerhalb desselben Befriedigung zu finden. Daher kam es, daß fremde Götter und fremde Kulte, unter ihnen namentlich der der Isis, verbunden mit Astrologie und sonstigem Aberglauben, unter den Kaisern immer allgemeiner Eingang fanden, bis endlich das Christentum der religiösen Entwickelung neue Bahnen eröffnete. – Über die Kunst bei den Römern s. Baukunst, Bildhauerkunst etc.; Über ihre Litteratur s. Römische Litteratur.
Was die Privatverhältnisse der Römer anlangt, so war die Familie im alten Rom ein mit dem Staatsorganismus eng verknüpftes Glied. Wie jeder der drei patrizischen Stämme in 10 Kurien und jede Kurie in ebenso viele Dekurien oder Geschlechter (gentes) zerfiel, so enthielt jedes Geschlecht anfangs wohl 10 Familien. Jedes Glied einer Familie gehörte einem bestimmten Geschlecht an, und jedes männliche Mitglied hatte daher drei Namen: seinen Individualnamen (praenomen), wie z. B. Gajus, Marcus, der gewöhnlich abgekürzt geschrieben wurde, wie C., M., den Geschlechtsnamen (nomen gentile
verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 13. Bibliographisches Institut, Leipzig 1889, Seite 938. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b13_s0938.jpg&oldid=- (Version vom 7.11.2024)