MKL1888:Baukunst
[480] Baukunst,[WS 1] im weitern Sinn die Kunst, alle Arten von Gebäuden (Bauten) nach Zweck und Bedürfnis dauerhaft, bequem und gefällig aufzuführen; im engern Sinn als Hochbaukunst die Kunst, welche im Gegensatz zur Kriegs-, Wasser-, Straßen-, Schiff-, Maschinen- und Bergbaukunst alles unter sich begreift, was zur Errichtung und Einrichtung von Hochbauten gehört. Die Hochbaukunst zerfällt in einzelne mehr oder minder selbständig entwickelte Gebiete, unter welchen die Kirchenbaukunst, die öffentliche und Privatbaukunst oder bürgerliche B. sowie die Eisenbahnhochbaukunst hervorzuheben sind. Bei der bürgerlichen B. pflegt man wieder, wenn sie sich mit der Herstellung ländlicher Wohngebäude, Scheunen, Stallungen etc. beschäftigt, die landwirtschaftliche, wenn sie sich mit Errichtung der in Städten vorkommenden Gebäude befaßt, die städtische B. zu unterscheiden. Bei allen denjenigen Werken der B., wodurch lediglich dem äußern Bedürfnis des Lebens entsprochen werden soll, kommt es auch nur auf äußere Zweckerfüllung, d. h. nur auf mechanisches Geschick, Übung und glückliche Kombination, an. Geht aber der Baumeister darauf aus, dem mechanischen Werk seiner Hand zugleich das Gepräge eines baulichen Kunstwerks zu geben, so betritt er das Gebiet der schönen B. (Architektur). Vgl. den Artikel Baustil. Im engsten Sinn wird die schöne B. nicht mehr zur bürgerlichen B. gerechnet und letztere (dann auch Landbaukunst genannt) auf Herstellung von Gebäuden, die für das bürgerliche (gewöhnliche) Leben und seine Industrie bestimmt sind, bezogen.
Bei jedem Bau unterscheidet man einen Unterbau oder Grundbau, Aufbau, Überbau und Ausbau. Der Grundbau ist entweder einfach (fortlaufende Grundmauer) oder künstlich (Pfeiler und Erdbogen, gesenkte Brunnen, Pfahlrost, Schwellrost etc.). Der Aufbau besteht aus den Umfangs- und Zwischenwänden, der Überbau aus den Decken, dem Dach und den einseitig überbauten Teilen, wie Balkonen, Galerien, Halbdächern. Zum Ausbau gehören die Treppen, Fußböden, die Bekleidung der Decken und Wände, die Fenster, Thüren, die Heizungsapparate, wie Kamine, Öfen, Rauchröhren etc., und der Anstrich. Die massive Bauart (mit Ausschluß der Lehmwände) ist für Wohnhäuser, wenigstens für die Außenwände, allgemein als die vorzüglichere anerkannt, weil sie ungleich dauerhafter und weniger feuergefährlich ist, die Erhaltung gleichmäßiger Temperatur erleichtert und für innern und äußern Schmuck sich am meisten eignet. Die Mauerstärke massiver Gebäude richtet sich nach dem Zweck der letztern, doch genügt es für Wohnhäuser und andre Gebäude, die nicht großen Erschütterungen ausgesetzt sind oder ungewöhnliche Lasten zu tragen haben, bei der Konstruktion aus regelmäßigen Steinen (behauenen oder Backsteinen) und Stockwerken von 3 bis höchstens 4 m Höhe, die Hauptmauern, welche die Balken und das Dach tragen, in dem obersten Geschoß 40 cm stark und in jedem untern 15 cm stärker zu machen. Höhere Geschosse erfordern verhältnismäßig stärkere Mauern; die Giebelwände, insofern sie keine Hauptlast tragen, können stets etwas schwächer gehalten werden. Bei Scheidewänden genügt die Stärke von 30 cm bis zu bedeutender Höhe. Unregelmäßige Steine (Bruchsteine, Feldsteine) erfordern größere Mauerstärken, weil ihr Verband unvollkommener ist; ebenso die Mauern langer, mit Scheidewänden nicht versehener Räume. Hinsichtlich der Bauzeit ist zu erwägen, wieviel Zeit überhaupt zur Errichtung des beabsichtigten Gebäudes gehört, welche Jahreszeit die günstigste und welche Aufeinanderfolge der verschiedenen Bauarbeiten die zweckmäßigste ist. Die Verteilung einer Bauausführung auf eine längere Zeit ist schon deshalb zu empfehlen, weil nach Vollendung gewisser Teile des Baues Pausen sehr vorteilhaft sind, besonders für den Grundbau (am meisten bei weichem Baugrund), ehe die Mauern daraufgesetzt, und für die Mauern, ehe sie geputzt werden. Die Wintermonate sind zur Ausführung der meisten Bauten in Deutschland ungeeignet, namentlich sind Maurerarbeiten, bei welchen gewöhnlicher Mörtel gebraucht wird, bei bevorstehendem Frost und während desselben möglichst zu vermeiden. Dagegen kann gröbere Zimmerarbeit mit Einschluß des Verschalens im Winter ohne Nachteil vorgenommen werden, während feinere Holzarbeiten, namentlich das Legen von Fußböden, Einsetzen von Thüren und Fenstern, der trocknen und warmen Jahreszeit vorzubehalten sind. Die trockenste Luft haben die Frühjahrsmonate, welche daher für Kalkputz im Innern selbst den heißen Sommermonaten vorzuziehen sind. Die bürgerliche B. ist so innig mit den Pflichten und Befugnissen der Staatsbürger gegeneinander und gegen den Staat selbst verwachsen, daß ihre Ausübung in jedem rechtlich geordneten Staatswesen an ein gewisses Recht (s. Baurecht und Baugewerbe) gebunden sein muß. Ein solches Rechtsverhältnis besteht zunächst zwischen dem Bauherrn und dem Unternehmer oder dem Werkmeister und den Arbeitern, sodann zwischen dem Bauherrn, dem Baumeister und irgend einem Dritten, welchem durch den Bau (z. B. auf fremdem Grund oder mit fremdem Material) oder durch dessen Einsturz und Baufälligkeit Schade oder Gefahr erwachsen kann, besonders zwischen dem Bauherrn oder Eigentümer und dessen Nachbarn. Das Gesetz regelt die Rechte und Pflichten dieser Personen und stellt die Grundsätze zur Entscheidung der zwischen denselben entstehenden Streitigkeiten auf. Am wichtigsten sind die nachbarlichen Verhältnisse. Wir finden darüber schon in den alten Gesetzgebungen, insbesondere in der römischen, sehr umständliche Bestimmungen, welche größtenteils noch jetzt in Deutschland als gemeines Recht gelten, zum Teil jedoch durch die verschiedenen Landesgesetzgebungen modifiziert oder mit den auf die neuern Verhältnisse sich beziehenden Zusätzen versehen worden sind. Für Baulichkeiten, deren Errichtung und Unterhaltung im öffentlichen Interesse liegt, doch nicht überall oder ausschließlich vom Staat, sondern etwa von unmittelbar Beteiligten oder aus besondern Titeln Verpflichteten zu bestreiten ist, regelt das Gesetz die Baupflicht oder setzt dafür eine gewisse Konkurrenz fest. Dies geschieht besonders bei Kirchen- und Schulhäusern, dann aber auch bei Anlage von Straßen, Brücken, Dämmen etc., je nach den Jurisdiktionsverhältnissen bei Herstellung von Gefängnissen, Amtshäusern etc. Die Kirchenbaupflicht liegt nach gemeinem Recht (insofern nämlich nicht bereits ein eigner Baufonds vorliegt) zunächst dem Patron ob, sodann der Gemeinde (nach einem in den besondern Landesgesetzen und Gewohnheiten verschieden bestimmten Verhältnis). Insofern die bürgerliche Gemeinde auch zugleich die [481] Kirchengemeinde ist, leuchtet die Billigkeit solcher Bestimmungen ein; wo jene sich aber in mehrere Konfessionen teilt, kann mit Recht nur die Kirchengemeinde als baupflichtig erklärt werden. Ähnliches findet gewöhnlich auch bei Schulhausbauten statt, insofern nämlich nicht eigne Fonds oder näherliegende Hilfsquellen dazu vorhanden sind. Übrigens tritt hier wie dort auch die subsidiäre Baupflicht des Staats ein, deren Grenzen jedoch meist sehr eng gezogen sind.
Die Vervollständigung und nähere Bestimmung der baurechtlichen Gesetze enthalten die polizeilichen Bauordnungen, welche wegen der Verschiedenheit der lokalen Umstände und Bedürfnisse zwar wohl auf allgemeinen Grundsätzen beruhen, jedoch für die Anwendung derselben größtenteils nur partikuläre Vorschriften enthalten können. Es werden durch solche polizeiliche Vorschriften gleichfalls Rechte begründet, sowie anderseits auch die zivilrechtlichen Gesetze großenteils auf polizeilichen Interessen beruhen. Die Entscheidung wird entweder bloß nach der Eigenschaft der Allgemeinheit oder Partikularität der Verordnung oder nach dem darin vorherrschenden Charakter ihres Zweckes, ob sie nämlich mehr das private oder das öffentliche Interesse berührt, getroffen. Von letzterm Umstand hängt auch größtenteils die Bestimmung der Behörde ab, ob die Polizei- oder Justizbehörde die Vorschrift handhaben und über ihre Befolgung wachen soll, und an welche sich deshalb auch der Beteiligte zu wenden hat. Das öffentliche Interesse bei Bausachen geht vorerst dahin, daß die zum öffentlichen Gebrauch bestimmten oder dem Gesamtbedürfnis gewidmeten Baulichkeiten mit den mindesten Unkosten in thunlich entsprechender Zahl und Vollkommenheit aufgeführt und unterhalten werden. Doch findet dasselbe Interesse auch in Ansehung der Privatbauten statt, da, was den Wohlstand und den Lebensgenuß der Einzelnen fördert, auch Gewinn für die Gesamtheit ist. Die teils landwirtschaftlichen, teils polizeilichen Zwecke der Bauordnungen, überhaupt der von seiten des Staats dem Bauwesen zu widmenden Interessen bestehen sonach darin, daß gut, d. h. zweckmäßig, bequem und dauerhaft, gesund, vor Feuers- (und Wassers-) Gefahr möglichst gesichert, allerseits unnachteilig und ungefährlich, thunlichst wohlfeil und, soweit die bemerkten Zwecke und die übrigen Verhältnisse es erlauben, auch geschmackvoll und schön gebaut werde. Das allgemeinste Mittel zur Erreichung dieser Zwecke ist eine zweckmäßige Ordnung und Beaufsichtigung der dem Bauwesen gewidmeten Gewerbe, Unterrichtsanstalten zur Bildung tüchtiger Baumeister und Bauhandwerker, endlich die Einsetzung einer technischen Behörde zur Leitung und Beaufsichtigung des gesamten öffentlichen und Privatbauwesens im Staat und die Verteilung ihrer bauverständigen Mitglieder über die hierfür zu bestimmenden Bezirke. Für die der Gesundheit entsprechende Anlage der Bauten gibt die Sanitätspolizei die geeigneten Vorschriften. Wenn zur Erweiterung der Straßen oder zur Herstellung von Plätzen das Niederreißen von Privatgebäuden oder zur Ausführung der zur Erweiterung einer Stadt oder zu neuen Anlagen erforderlichen baulichen Veränderungen die Erwerbung von Privatgrundstücken notwendig ist, so muß hierzu ein angemessenes Expropriationsgesetz, das den billigen Ansprüchen der Eigentümer Genüge leistet und zugleich die Gesamtheit vor mutwilliger Hemmung oder unmäßiger Verteurung schützt, die Möglichkeit der Realisierung darbieten. Zur Wohlfeilheit der Bauten tragen neben der freien Konkurrenz der Gewerbtreibenden oder überhaupt einer guten Gewerbeordnung die Anstalten für Herbeischaffung oder Bereithaltung der nötigen Baumaterialen bei, welche nach Verhältnis des wahrscheinlichen Bedürfnisses der verschiedenen Ortschaften oder Bezirke zu treffen sind und namentlich in der Sorge für Errichtung einer hinreichenden Zahl von Kalk- und Ziegelbrennereien, für bequemen Transport von Bauholz aller Art, von Bausteinen und andern Baumaterialien bestehen. Die von Staats oder Gemeinde wegen oder auf deren Betreiben von Privaten anzulegenden Magazine solcher Materialien, die sogen. Bauhöfe, und, wo bei etwa mangelnder Konkurrenz eine monopolistische Verteurung droht, die Festsetzung mäßiger Bautaxen für die verschiedenen Arten der Arbeit und der Arbeiter dienen demselben Zweck. Wo sich ansehnliche Gemeindewaldungen vorfinden, wird, ebenso billig wie zweckmäßig, den baulustigen Bürgern das Bauholz zu einem ermäßigten Betrag (dem sogen. bürgerlichen Preis) zu verabfolgen sein, nach Umständen auch andre Baumaterialien, namentlich Bausteine, Kalk und Ziegel.
Die Urgeschichte der B. ist, wie die der andern Künste, in Dunkelheit gehüllt. Ausgegrabene Höhlen, Hütten aus belaubten Zweigen oder Baumstämmen waren die ersten Bauwerke, welche aus Menschenhand hervorgingen. Ein schlichter Stein bildete in jenen frühsten Tagen den Altar, auf den die Gottheit sich niederlassen sollte, um die Gaben und die Gebete der Sterblichen zu empfangen; ein Hügel von Erde türmte sich über den Gebeinen des entschlafenen Helden empor, dessen Großthaten an dem Ort seiner irdischen Rast durch Opfer gefeiert wurden. Mit der Entwickelung des Menschengeschlechts nahmen jene rohen Denkzeichen ein bestimmteres Gepräge an, so: die Grabhügel, welche sich in den nördlichen Ländern Europas in großer Zahl vorfinden, deren Fuß häufig durch einen Kreis von Steinen bekränzt und deren Gipfel durch mächtige Steinplatten gekrönt wird; die Steinpfeiler, hohe, schlanke Steine von zuweilen fast obeliskenartiger Form, die einzeln oder in Gruppen bei einander stehen und besonders häufig im skandinavischen Norden vorkommen, wo man sie Bautasteine nennt und für Denkmäler gefallener Helden hält, und die sogen. Hünenbetten, in der Bretagne Dolmins oder Lechs, bei den Britanniern Cromlechs genannt, welche ebenfalls für Grabmonumente oder Opferstätten gelten. Die merkwürdigen Wagsteine (die Rockingstones der Engländer und Rokkestene der Skandinavier), Felsen, die auf eine oder zwei Unterlagen so aufgesetzt sind, daß man sie wie den Balken einer Wage bewegen kann, sowie die geweihte Stätten umschließenden Steinkreise finden sich vorzugsweise in den keltischen Ländern. Das bedeutendste der keltischen Heiligtümer in Frankreich liegt zu Carnac, bei Quiberon in der Bretagne, und bildet ein weites Feld, bedeckt mit gegen 4000 obeliskenartigen Steinpfeilern, welche zum Teil eine Höhe von ungefähr 10 m erreichen und meist auf ihrem dünnern Ende stehen. Ungleich merkwürdiger ist das vorzüglichste der alten Heiligtümer in England, das bei Stonehenge (s. d.), unfern Salisbury, befindliche, nach seinem ursprünglichen Namen „Choir Gaur“ (oder Côr Gawr), d. h. der große Kreis, genannt. Als Beispiele einer zweiten Entwickelungsstufe treten uns die auf verschiedenen Inseln des Großen Ozeans zwischen Asien und Amerika aufgefundenen einfachen Monumente entgegen, die mit [482] jenen des nördlichen Europa zu vergleichen sind und z. B. auf der Osterinsel große Steinhaufen von pyramidaler Form oder bei den Morais (heiligen Begräbnisorten) regelmäßig behauene, zum Teil mächtige Steine bilden, die zu einem ebenso regelmäßigen wie einfachen architektonischen Ganzen zusammengefügt sind. Andre Beispiele einer frühen Entwickelung der Kunst finden wir in den alten Denkmälern von Amerika (s. Amerikanische Altertümer und Tafel „Baukunst I“, Fig. 1–3). Die Denkmäler des alten Mexiko zeigen, obwohl keiner Urzeit des Menschengeschlechts angehörend, in ihrer künstlerischen Gestaltung keine fremden Einflüsse und sind daher als ein Zeugnis selbständiger, volkstümlicher Entwickelung zu betrachten. Sie zeigen in den Teokallis von Guernavaca (Fig. 1), von Tusapan (Fig. 2), von Papantla (Fig. 3) u. a. die zum Teil schon in reicher Weise ausgebildete und mannigfach geschmückte Grundform der Pyramide.
Dieselbe Form finden wir in Ägypten (s. Tafel III). Das ganze sich an den Ufern des Nilstroms hinziehende Land war mit einer Menge von Denkmälern bedeckt, von denen noch viele mehr oder weniger erhalten sind, so besonders die zum Teil kolossalen Grabdenkmäler des alten Memphis (s. Tafel III, Fig. 1 u. 2), die Pyramiden, welche an den Abhängen der libyschen Bergkette auf einer Strecke von 8 Meilen in mehreren Gruppen zerstreut liegen und bis in das 5. Jahrtausend v. Chr. hinaufreichen. In die auf die Vertreibung der Hyksos folgende Blüteperiode des ägyptischen Lebens gehören die glänzendsten, an den Ufern des Nils aufgeführten Denkmäler, vor allen die Monumente von Theben in Oberägypten, die fast sämtlich von Ramses d. Gr. oder Sesostris (um die Mitte des 15. Jahrh. v. Chr.) und seinen Vorgängern und nähern Nachfolgern herrühren. In diesen altägyptischen Bauwerken tritt wieder die Form der Pyramide als älteste Architekturform hervor. Die Umfangsmauern der Tempel erhielten einen Anlauf und wurden an den Kanten mit Rundstäben geschmückt, die Decken mit einem horizontalen Abschluß und mit einer mächtigen Hohlkehle versehen (s. Tafel III, Fig. 18). Keine Fensteröffnung oder Säulenstellung unterbrach die gewaltigen Flächen dieser Umfangsmauern, welche ein langgestrecktes Rechteck umschlossen und mit farbenreicher Bilderschrift, mit Darstellungen der Götter und Herrscher bedeckt waren. Ausgedehnte Doppelreihen von kolossalen Sphinxen oder Widdern führten zu dem hohen, schmalen Eingang, der zwischen zwei turmartige Pylonen gleichsam eingeschoben und bisweilen von Obelisken oder kolossalen sitzenden Herrscherstatuen flankiert ward. Die zu beiden Seiten desselben in die Pylonen eingelassenen Nuten (s. Tafel III, Fig. 4) dienten zur Aufnahme hoher, bei Festen mit flatternden Wimpeln geschmückter Masten. Die enge Pforte führte in den unbedachten, auf mindestens drei Seiten von einer bedeckten Säulenstellung umgebenen Vorhof, welcher sich bei einigen Tempeln hinter einem zweiten Pylonenpaar wiederholt, und von da in einen oft ebenso großen Saal, dessen schwere Steinbalkendecke auf Reihen dicht gestellter Säulen ruht, von welchen die mittlern höher waren und eine höhere Decke trugen, unter der dem Säulensaal von beiden Seiten durch vergitterte Öffnungen Licht zugeführt wurde. An diesen Saal, der in keinem ägyptischen Tempel fehlt, reihten sich die übrigen kleinern und düstern Räume des Heiligtums mit der engen, niedrigen Cella, welche das Götterbild aufnahm. Auch diese innern Räume sind mit bunter Hieroglyphenschrift bedeckt. Die ägyptische Säule (s. Tafel III, Fig. 4–9 und 11–17) zeigt bereits die verschiedenen durch das Wesen der Säule bedingten Elemente in regelmäßiger, gesetzmäßiger Wiederkehr. Über einer runden Plinthe erhebt sich der runde, ganz unten mehr oder weniger eingezogene, nach oben zu allmählich verjüngte Schaft der Säule und nimmt das entweder kesselförmige, unten ausgebauchte, oben eingezogene geschlossene oder kelchförmige, unten etwas ausgebauchte, oben überfallende offene Lotoskapitäl mit quadratischer Platte auf, worüber der aus starken, von Säule zu Säule reichenden Steinbalken bestehende Architrav ruht. Sowohl die Säulenschäfte als die Kapitäler erhalten bisweilen konvexe oder konkave Längsrippen und sind teils mit Pflanzengebilden als Sinnbildern der elastischen Biegsamkeit, teils mit Bilderschrift bedeckt. Insbesondere erhalten die offenen Lotoskapitäler Ornamente aus schlanken Pflanzenblättern oder auf elastischen Stielen sich wiegenden Blüten. Unter die mystischen Symbole der ägyptischen Architektur gehört die besonders über den Portalen oft mehrfach angebrachte geflügelte Sonnenscheibe (s. Tafel III, Fig. 19). Von den einzelnen Monumenten erwähnen wir die Reste der beiden riesigen Tempel zu Karnak (s. Tafel III, Fig. 12 u. 14) und zu Luksor, die durch eine fast 2 km lange Allee von Sphinxkolossen verbunden werden, den großen Tempelpalast bei Medinet Abu (s. Tafel III, Fig. 11 u. 17) und das nördlich von diesem gelegene Trümmerfeld mit vielen Bruchstücken kolossaler Statuen, von denen noch zwei aufrecht sitzen, wovon eine die berühmte Memnonsstatue ist. Der nördlich davon befindliche Totenpalast ist ein Mausoleum des Ramses (s. Tafel III, Fig. 10). Als Werke derselben frühen Periode sind die Denkmäler von Abu Simbal (Ebsambul, s. Tafel III, Fig. 8), Derri, Girrscheh und Sebua in Unternubien zu betrachten, welche ganz oder zum Teil in den Felsen gehauen sind. Bei den nach Anlage und Form mehrfach abweichenden Denkmälern der spätern Zeit, worunter sich der prachtvolle Tempel zu Dendrah unterhalb Theben (s. Tafel III, Fig. 16), der östliche und westliche Tempel auf der Insel Philä (s. Tafel III, Fig. 9 u. 13) und der große Tempel zu Edfu (s. Tafel III, Fig. 4–7) aus der Ptolemäerzeit auszeichnen, ist die vordere große Säulenhalle fast nirgends mehr geschlossen, sondern mit offener Säulenstellung versehen, so jedoch, daß die Brüstungsmauern und Thürpfosten zwischen den Säulen nie fehlen. Vor dieser Halle befindet sich entweder noch der Vorhof mit dem Pylon, oder es fehlt auch diese vordere Anlage. Die auf allen vier Seiten von einer Säulenstellung umgebenen Tempel sind als eine Nachahmung griechischer Tempelbauten zu betrachten, bei welchen nur die auf den Ecken angebrachten anlaufenden Pfeiler an das pyramidale Grundelement der ägyptischen Architektur erinnern. Bei der Säulenbildung kommt das nach oben zu geschlossene Kapitäl nur noch selten, die Kelchform, mannigfaltig geschmückt, als die vorherrschende zur Anwendung. Gewöhnlich ist der Kelch aus mehreren kolossalen Blättern gebildet, worauf Pflanzenornamente eingegraben und durch bunte Färbung ausgezeichnet sind; auch werden die Blätter des Kelchkapitäls nicht selten mit eigentümlichen Voluten und Schnörkeln verbunden, wodurch sie an die griechisch-korinthische Kapitälform erinnern. Die zwischen Kapitäl und Architrav eingeschaltete Platte ist zuweilen sehr niedrig, zuweilen über die Würfelform erhöht und bildet, besonders an den Typhonien, einen [483] hohen Aufsatz, an dessen Seiten dämonische Gestalten dargestellt sind. Der hohe, über dem Kelchkapitäl zunächst mit vier Gesichtsmasken (Bildern der Isis oder Hathor) und über diesen mit vier kleinen Tempelfassaden geschmückte Aufsatz, worüber gewöhnlich noch eine besondere kleine Platte angeordnet ist (s. Tafel III, Fig. 16), erscheint als eine weit spätere Anordnung, bei welcher der eigentliche Kelch des Kapitäls bisweilen ganz weggelassen ist, so daß dasselbe nur aus den Bildern jenes Aufsatzes besteht. Auch in den dem gemeinen Nutzen gewidmeten Unternehmungen leisteten die Ägypter Ausgezeichnetes, besonders im Wasserbau zum Schutz gegen die jährlichen Überschwemmungen des Nils.
Die B. der alten Völker des westlichen Asien diesseit des Indus kennen wir nur aus ungenügenden Berichten der Schriftsteller des Altertums und vereinzelten Resten ihrer Denkmäler. Unter die Bauwerke des einst so mächtigen Reichs von Babylonien gehört der durch die ältesten biblischen Sagen als „Turm von Babel“ bekannte Tempel des Belus, ein massiver pyramidaler Bau, der an der Basis etwa 200 m breit und ebenso hoch war und in acht großen Absätzen emporstieg. Zu den ältern Monumenten von Babylon gehörte ferner die alte königliche Burg, deren Mauern mit bildlichen Darstellungen großer Jagden auf wilde Tiere geschmückt waren. Die übrigen Trümmer von Babylon gehören schon der jüngern Zeit an, wo sich nach dem Sturz des alten Reichs durch das Eindringen der Chaldäer ein neues, chaldäisch-babylonisches Reich erhob. Zu diesen spätern Werken gehört ein zweiter königlicher Palast mit einem prächtigen Garten, der sich terrassenförmig erhob und später unter der Benennung der „hängenden Gärten der Semiramis“ unter die „sieben Wunder der Welt“ gezählt wurde. Der Trümmerberg El Kasr wird für den Rest des Palastes gehalten. Seit Jahrtausenden sind die Ruinen Babylons als Steingruben für den Bau benachbarter Städte benutzt worden und dadurch zu unregelmäßigen Schutthaufen zusammengesunken. Unter den Ruinenhügeln von Nimrud, welche man für Reste des alten Ninive hält, haben der beim Dorf Chorsabad und der mehr nördlich gelegene Kujundschik wertvolle Bruchstücke (s. Tafel II, Fig. 1–3) enthalten. Das Baumaterial sind Steine aus gebranntem Thon, die durch ein Erdharz, zum Teil auch durch Kalkmörtel, auf sehr feste Weise verbunden wurden.
Die Phöniker bildeten einen Teil desselben Volksstammes, welchem die Babylonier angehörten; ihr religiöser Kultus stand in inniger Verbindung mit dem von Babylon. Mancherlei Tempel und andre Architekturen werden zwar erwähnt, aber was wir darüber wissen, bezieht sich meist nur auf die glänzende Ausschmückung, die sie durch edle Metalle erhielten. Zu den berühmtesten Denkmälern gehören die von König Hiram erbauten Tempel zu Tyros. Karthago besaß einen prachtvollen Tempel auf der Burg; an einem andern Tempel am Markt hatten die innern Wände einen Überzug von Goldplatten. Diese Stadt war überdies durch großartige Hafenbauten ausgezeichnet.
An die Bauwerke der Phöniker schließen sich die der Juden (s. Tafel II, Fig. 10–13) an. Unter der Regierung Salomos (um 1000 v. Chr.) wurde die alte transportable Stiftshütte durch einen massiven Tempel auf dem Berg Moria zu Jerusalem ersetzt. Nur ein Teil seines kolossalen Unterbaues (s. Tafel II, Fig. 10) hat sich erhalten, aber von seiner Pracht enthalten die biblischen Schriften überschwengliche Schilderungen. Ungefähr 420 Jahre nach seiner Erbauung ward der Tempel Salomos durch Nebukadnezar zerstört. Der neue, von den Juden nach ihrer Rückkehr aus dem Exil (gegen Ende des 6. Jahrh.) erbaute Tempel war nur ein Schatten von der Pracht und Herrlichkeit des alten. Ein zweiter Neubau, 20 v. Chr. unter Herodes d. Gr. begonnen, sollte den alten Ruhm des Salomonischen Tempels wiederherstellen, stand aber nur 70 Jahre. Über die Detailformen der hebräischen B. geben uns einzelne Bruchstücke aus den Felsengräbern von Jerusalem (s. Tafel II, Fig. 11–13) Aufschluß, unter welchen das sogen. Grab des Absalom (Fig. 13) besondere Beachtung verdient.
Die Volksstämme Kleinasiens haben vorzugsweise Grabmonumente hinterlassen, die sich noch in erheblicher Anzahl und mannigfacher Formbildung vorfinden. Die ältesten und primitivsten derselben stammen von den Lydiern (ca. 700–600 v. Chr.) und haben meist die Form eines einfachen Tumulus, der auf kreisrundem Unterbau kegelförmig aufsteigt (Grab des Tantalos bei Smyrna). Ihnen gegenüber stehen die Felsgrottenbauten der Phrygier mit ihren künstlich aufgemeißelten Giebelfassaden (Grab des Midas im Thal Doghanlü), während die Grabmäler der Lykier (500–300 v. Chr.) wieder eine andre, noch reicher entwickelte Form darbieten. Man meißelte hier entweder aus dem freien Felsgestein das Grabmal als einen selbständigen monolithen Sarkophag heraus, oder man legte die Grabkammer im Felsen an und meißelte dem letztern eine Fassade auf, in beiden Fällen jedoch mit getreuer Nachahmung einer Holzkonstruktion; Beispiele finden sich bei Phellos, Antiphellos (s. Tafel II, Fig. 15), Myra etc. In einzelnen Werken macht sich hier auch griechischer Einfluß geltend, indem der ionische Säulenbau und sonstige griechische Formbildung zur Anwendung kommen, so bei den Gräbern von Telmissos (s. Tafel II, Fig. 14).
In der Glanzperiode des persischen Reichs nahmen die Könige ihr Hoflager besonders zu Ekbatana in Medien, Susa und Persepolis. Ekbatana war die Residenz des medischen Reichs gewesen und ihre Burg schon beim Beginn der Mederherrschaft auf großartige Weise angelegt worden. Auf einer Anhöhe stieg sie in sieben Absätzen empor, deren übereinander emporragende Mauerzinnen in verschiedenen Farben erglänzten. Am Fuß der Burg lag der königliche Palast; die Säulen, das Balkenwerk und das Täfelwerk der Wände bestanden aus Zedern- und Cypressenholz und waren durchaus mit Gold- und Silberblech überzogen. Die in der Nähe des heutigen Hamadan aufgefundenen Reste, namentlich Basis und Schaft einer Säule, stimmen mit den Formen der persepolitanischen Architektur überein. Von Susa, dessen Erbauung den ersten persischen Herrschern zugeschrieben wird, wissen wir, daß es in der Bauweise von Babylon angelegt war. Das eigentliche Heiligtum des persischen Reichs bildete aber der alte Stammsitz der persischen Herrscher, ursprünglich Pasargadä („Perserlager“), von den Griechen Persepolis genannt. Hier stand die alte Burg des königlichen Geschlechts, hier wurden die Gebeine der Könige bestattet und ihre Ruhestätten durch glänzende Denkmäler bezeichnet (s. Tafel II, Fig. 7), hier erhob sich ein neuer, umfangreicher Palast (s. Tafel II, Fig. 4 u. 5). Das auf der Stätte der alten Residenz, in der Gegend von Murghab, erhaltene Grabmal des Cyrus (s. Tafel II, Fig. 6) ist ein pyramidaler, aus kolossalen weißen Marmorblöcken aufgeführter, an der Basis [484] 13 m langer, 12 m breiter und 12 m hoher Bau, der in sieben Stufen emporsteigt und auf der obern Fläche ein steinernes Häuschen mit giebelförmigem, durch ein schlichtes Gesims von der Wandfläche abgesetztem Dach (gleichfalls von Marmor) trägt. Dies Häuschen enthielt den goldenen Sarg des Königs. Die in der Gegend des südlicher gelegenen neuen Reichspalastes befindlichen Gräber der spätern Könige sind in den Felsen gearbeitete Kammern mit verschlossenem und verborgenem Eingang, welche an dem Äußern der Felswand durch eine ausgemeißelte Fassade (s. Tafel II, Fig. 7) bezeichnet sind, deren architektonisches Gerüst an sich einfach, jedoch durch bildnerische Zierden bereichert ist. Es besteht aus einer Reihe schlanker Halbsäulen, in deren Mitte eine Thür angedeutet ist, und auf welchen ein mehrfach gegliedertes Gebälk ruht. Die Halbsäulen haben keine weitere Zierde als das Kapitäl, welches aus zwei nach den Seiten hinausragenden, mit den Leibern zusammenhängenden Einhörnern (s. Tafel II, Fig. 8 u. 9) besteht, zwischen deren Hälsen die Stirn eines Balkenkopfes vortritt, welcher einen Querbalken andeutet, worauf der Architrav des Hauptgebälkes ruht. Darüber erhebt sich eine Art von prächtigem Thronbau, der größtenteils durch die Reliefs menschlicher Figuren ausgefüllt wird. Das merkwürdigste aller Monumente der persischen B. bilden die Reste des großen Palastes von Persepolis, die gegenwärtig den Namen Tschil Minar („die vierzig Säulen“) führen (s. Tafel II, Fig. 4). An babylonische Anlagen erinnernd, erheben sie sich in mehreren breiten Terrassen auf einer Abdachung des Bergs Rachmed und umschließen einen Raum von 440 m Länge und 280 m Breite. Die architektonische Ausbildung der Säulen, die Zusammensetzung der Kapitäler sowohl als die besondere Anwendung der Voluten beweisen, daß die persepolitanischen Denkmäler am Schluß einer lange fortgesetzten Kunstentwickelung stehen, insofern sie einer schon ausartenden Kunst angehören.
Getrennt von dem Völkerleben des westlichen Asien entwickelte sich der Osten dieses Weltteils, als dessen Kultursitz vornehmlich Hindostan erscheint. Die zahlreichen Denkmäler dieses Landes sind an Umfang und Pracht nur mit denen des ägyptischen Volks zu vergleichen (s. Tafel I, Fig. 4–13). Der Grundzug des indischen Volkscharakters, eine große Weichheit des Gefühls und eine lebhafte Glut der Phantasie, in der sich fast jede übrige Thätigkeit des Geistes auflöst, zeigt sich auch in den indischen Bauwerken, bei denen durchweg ein lebendiges Gefühl hervortritt, welches die Form nicht um einer konventionellen Bedeutung, sondern um ihrer selbst willen bildet; aber die fessellose Phantasie gestattet dem Gefühl nicht oder nur selten die zu einer harmonischen Durchbildung notwendige Ruhe, sie häuft Formen auf Formen und endet mit dem Eindruck einer fast chaotischen Verwirrung. Die Blütezeit der indischen B. fällt mit dem gleichzeitigen Bestehen des Brahmanismus und Buddhismus zusammen, besonders in das letzte Jahrhundert vor Christo. Die bedeutendsten Baureste finden sich in Dekhan, deren wichtigste jene zum Teil sehr umfassenden Felsmonumente sind, die auf der Westseite der Halbinsel, in größerer oder geringerer Entfernung von der Stadt Bombay, liegen. Sie zeigen eine mehr oder weniger entschiedene Übereinstimmung des Stils und gehören ohne Zweifel derselben Entwickelungsperiode an. Die brahmanischen Felsentempel bedecken gewöhnlich einen viereckigen, zuweilen auch unregelmäßigen Hauptraum von größerer oder geringerer Ausdehnung, an den sich nicht selten kleinere Nebenräume anschließen, unter denen das mit dem Bild oder dem Symbol des Gottes geschmückte Sanktuarium der wichtigste ist, das entweder eine Kammer für sich bildet, oder noch von einem Gang umgeben ist. Der Hauptraum, als die Vorhalle des eigentlichen Heiligtums, hat immer eine flache Decke, welche durch Säulen- oder Pfeilerstellungen gestützt wird, deren vordere Reihe die offene Fassade des Tempels bildet. Höfe mit Galerien, Nebenkammern oder monolithen Monumenten finden sich häufig vor den Tempeln. Zuweilen liegen zwei, bisweilen sogar drei solcher Tempelräume übereinander. Die Säulen oder Pfeiler, welche die Felsdecke des Hauptraums stützen, stehen gewöhnlich in rechtwinkelig sich durchschneidenden Reihen und sind an der Decke durch architravähnliche Streifen verbunden, während die mit ihren Reihen korrespondierenden, an den Wänden hervortretenden Pilaster zwischen sich Nischen einschließen, welche in der Regel durch Bildwerke ausgefüllt sind. Jene frei stehenden Stützen (s. Tafel I, Fig. 10–12) haben meist eine halb pfeiler-, halb säulenartige Gestalt und bestehen durchweg aus einem festen Untersatz von würfelartiger Form, einem kurzen, runden Schaft mit einem unten eingezogenen, oben ausladenden, einem großen Pfühl gleichenden Kapitäl und einem viereckigen Aufsatz, an welchen sich oft (Fig. 11) seitwärts zwei Konsolen anschließen. Zuweilen verbindet sich mit der Grottenanlage ein sehr ausgebildeter, obwohl nur aus dem Felsen gemeißelter Freibau, der dadurch entsteht, daß der das Sanktuarium umgebende Gang in beträchtlicher Breite angelegt und von der darüberschwebenden Felsdecke befreit ist, wodurch das Sanktuarium eine inmitten eines Hofraums liegende Kapelle bildet. In den Grotten von Ellora (s. Tafel I, Fig. 10), namentlich im größern Tempel des Indra und in den Monumenten des Kailasa (s. Tafel I, Fig. 8 u. 9), finden sich sehr merkwürdige Beispiele dieser Anordnung. Die buddhistischen Grottentempel öffnen sich nicht frei gegen außen. Sie bilden einen länglichen Raum, der nach hinten halbkreisförmig abschließt und rings von einem schmalen Umgang umgeben ist; Pfeilerstellungen trennen den Umgang von dem mittlern Hauptraum. Die Decke des letztern hat die Form eines überhöhten halbkreisförmigen, zuweilen hufeisenförmigen Tonnengewölbes, während die Decke des Umganges flach ist. Die Pfeiler sind teils einfach achteckig, ohne Basis und Kapitäl, teils mehr durchgebildet und mit Basis und Kapitäl versehen, welche in der Hauptform denjenigen der Grottentempel gleichen, auch wohl über dem Kapitäl noch mit phantastischen Skulpturen geschmückt sind. Im Grunde des Mittelraums, vor seinem halbkreisförmigen Abschluß, befindet sich das Heiligtum, wodurch sich diese Anlagen als buddhistische kennzeichnen, der sogen. Dagop, eine etwas überhöhte, auf einem breiten, cylinderförmigen Untersatz ruhende halbkugelige Masse. Dieser Dagop, das Bild der Wasserblase und stets wiederkehrende Symbol der Vergänglichkeit im Buddhismus, pflegt irgend eine Reliquie Buddhas oder eines Buddha-Heiligen einzuschließen. Vor ihm steht gewöhnlich die Statue Buddhas in ihrer stets wiederkehrenden typischen Bildung. Einige Grottentempel der Koromandelküste bei Madras tragen den Charakter frei stehender architektonischer Monumente, die aber im Innern nicht ausgehöhlt sind und nach Form und Stil den frei stehenden Monumenten von Ellora entsprechen. Die auf dem heiligen Boden von Orissa, auf der Ostküste Indiens, vorhandenen Monumente sind aus Werkstücken [485] (zum Teil auch aus Ziegeln) aufgeführte Bauten. Diese von den Europäern gewöhnlich Pagoden (verdorben aus dem Wort Bhagavati, „heiliges Haus“) genannten Tempelbauten zeigen je nach dem Grade der Heiligkeit des Ortes größere oder geringere Ausdehnung und als Hauptform wieder diejenige der Pyramide, die aber durch eine Menge aus dem Dach jedes untern Absatzes hervortretender Kuppeln, mannigfaches Pilasterwerk (zum Teil auch Säulen) an den Wänden der untern Absätze, Nischen, die ihre besondern bunt geschweiften (zum Teil spitzbogig geschweiften) Bekrönungen haben, Zwischengesimse, besonders vielgestaltige Fußgesimse, endlich durch eine oft übergroße Menge von bildnerischen Darstellungen, die alle freien Stellen der Architektur einnehmen, das Gepräge einer wüsten Verworrenheit erhalten, die den Sinn des Beschauers schwindeln macht. Hervorzuheben sind die Pagoden zu Tiravalur, Chillambrum u. Madura (s. Tafel I, Fig. 6, 7), wo sich auch der riesige, zur Aufnahme der Pilger bestimmte neuere Saal oder Tschultri (s. Tafel I, Fig. 4 u. 5) befindet, dessen Decke von 124 in vier Reihen stehenden, bis zum Kapitäl aus je Einem Granitblock gearbeiteten Säulen getragen wird.
Auch in den bei Manikyala im Indusland beginnenden, der alten, von Indien durch Kabulistan nach Persien und Baktrien führenden Königsstraße entlang liegenden Topen (von Stupa, „Tumulus“), turmartigen Bauten von 15–25 m Höhe, hat man die Dagope, also dieselben buddhistischen Heiligtümer, wieder erkannt, die sich im Innern der indisch-buddhistischen Tempelgrotten vorfinden. Die Periode, in welcher diese merkwürdigen Denkmäler entstanden, ist diejenige, in welcher hier seit dem Sturz der makedonisch-baktrischen Herrschaft (136 v. Chr.) bis zum 7. Jahrh. n. Chr. und zum Teil noch länger mächtige buddhistische Reiche blühten. In dieselbe Periode gehören auch die kolossalen, an der Felswand von Bamian befindlichen, in Nischen stehenden Relieffiguren bis zu 40 m Höhe. Auch auf Ceylon entstanden seit der Einführung des Buddhismus zu Ende des 4. Jahrh. v. Chr. zahlreiche Bauten, unter denen kolossale, im 2. Jahrh. erbaute Dagope hervorzuheben sind. Auch an den wichtigsten Monumenten von Nepal, den sogen. Chaityas im Norden des indischen Gangeslandes, zeigt sich derselbe Baustil, indem sie außen die kuppelartige Form des Dagop zeigen und innen bereits zum freien, hoch gewölbten Raum geworden sind. Die bedeutenden, auf der Insel Java wie auch auf einigen andern Sundainseln erhaltenen Denkmäler gehören der Zeit des Mittelalters an und verdanken ihren Ursprung indischen Kolonisationen.
Auch China empfing von Ostindien mit der Religion des Buddha seine B. Die bedeutsamsten Monumente der Chinesen gründen sich wiederum auf die hier wesentlich umgestaltete Dagopform. Die chinesischen Buddhisten beseitigten den symbolischen Kuppelbau gänzlich und behielten nur die stufenförmige Spitze bei, die sie zum selbständigen Turmbau (Tha) ausbildeten. Diese Türme steigen in vielen Geschossen empor, jedes obere um etwas verjüngt, jedes mit einem geschweiften Dach versehen und mit Glöckchen behängt; die Dachziegel haben einen goldblinkenden Firnis, die Wände sind bunt angestrichen oder mit glänzenden Porzellanplatten belegt. Der im 15. Jahrh. erbaute Porzellanturm von Nanking ist eins der berühmtesten Bauwerke dieser Art. Die Tempel der Chinesen sind an sich von kleiner Dimension und gewöhnlich von Säulenstellungen umgeben, doch haben die bedeutendern derselben auch anderweite Umgebungen, namentlich Höfe und Säulenhallen verschiedener Art. Nach ihrem architektonischen Charakter sind sie von den Privatbauten, namentlich von deren Höfen und Hallen in den Prachtwohnungen der Vornehmen, nicht verschieden. In dem Prinzip des Säulenbaues erkennt man wieder eine große Verwandtschaft mit den Säulenbauten der spätindischen Kunst, wohin namentlich die Anwendung der auf verschiedene Weise geschnitzten Konsolen gehört, die an dem Kopf der Säulen, statt eines Kapitäls, zur Unterstützung des Architravs hervortreten. Auch die Basen der Säulen, wo solche vorhanden sind, erinnern an spätindische Formen. Übrigens bestehen diese Säulen durchweg aus Holz und sind mit glänzend roter Lackierung versehen. Oben und zwischen den Säulen ist oft ein künstliches vergoldetes Gitterwerk angebracht. Das Dach hat stets eine geschweifte, nach den Ecken aufwärts gekrümmte Form und ist über den Ecken gewöhnlich mit allerlei fabelhaftem Schnitzwerk, besonders mit Drachenfiguren, geschmückt. Die chinesischen, zur Verherrlichung der Thaten verdienter Personen bestimmten Denkmäler sind quer über die Straßen gebaute Pforten, Pälu genannt, und bestehen, je nachdem ein Durchgang oder deren drei beabsichtigt waren, aus zwei oder vier Pfosten (von Stein oder auch nur von Holz), die oben durch Querbalken verbunden sind. Ausgezeichnet dagegen sind die Chinesen in gemeinnützigen Bauanlagen, wohin besonders die kolossale Mauer, als Schutz gegen die Einfälle der Mongolen, ferner das ausgedehnte System von Kanälen, das die gegen Osten fließenden Ströme des Landes verbindet und die ausgedehnteste Wasserkommunikation ermöglicht, gehören.
Als das erste Stadium in der Entwickelung der griechischen Architektur (Tafel IV) betrachten wir die Schöpfungen, welche dem Heroenzeitalter der griechischen Geschichte angehören. Die einfachsten Denkmäler, deren in den Homerischen Gesängen Erwähnung geschieht, sind die Grabmäler der gefallenen Helden, kegelförmige Erdhügel, in deren Tiefe die Asche des Verstorbenen beigesetzt ward, und auf deren Spitze bisweilen einzelne große teils roh-, teils unbearbeitete Steine aufgerichtet waren. Die wichtigsten Äußerungen baukünstlerischer Thätigkeit finden wir in der Anlage von Burgen, deren gewaltige, von der spätern Sage als Cyklopenmauern bezeichnete Ringmauern aus polygonen Steinblöcken (s. Tafel IV, Fig. 2) bestanden. Die erhaltenen Mauerreste (s. Tafel IV, Fig. 1–5), welche einen allmählichen Fortschritt der Technik erkennen lassen, sind teils aus rohen, kolossalen Blöcken aufgebaut, deren Lücken mit kleinern Steinen ausgefüllt wurden, teils aus mehr oder weniger sorgfältig behauenen, mit ihren Kanten und Winkeln genau ineinander gefügten Steinen zusammengesetzt. Das Streben, die Steine in horizontalen Schichten übereinander zu legen, führte endlich zum regelmäßigen Quaderbau. Die in diesen Mauern angebrachten Thore zeigen verschiedene Gestalt. Ihre Seitenwände haben in der Regel eine Neigung, die teils dadurch, daß die obern Steine über die untern mehr heraustreten, teils durch schräg stehende größere Pfosten erzeugt wird. Auch ihre Bedeckung ist häufig von giebelförmiger Gestalt, teils durch übereinander vorgekragte, teils durch sparrenförmig gegeneinander gelehnte, seltener durch horizontal liegende Steine gebildet. Bei größern Thoren, z. B. zu Phigalia und Amphissa (s. Tafel III, Fig. 4 u. 5), sind beide Arten der Überdeckung in der Weise kombiniert, daß ein über die Thürpfosten gelegter starker steinerner Sturz durch [486] allmählich vorgekragtes, ein hohles Dreieck bildendes Mauerwerk entlastet und dieses Dreieck nur durch einen flachen Stein von verhältnismäßig geringem Gewicht ausgesetzt wird. Das bedeutendste Werk dieser Art ist das Löwenthor zu Mykenä (s. Tafel IV, Fig. 1), bei welchem der zuletzt erwähnte dreieckige Stein die Reliefdarstellung zweier Löwen zeigt, die sich gegen eine kandelaberartige Säule emporrichten. Über die Beschaffenheit der Fürstenhäuser jener Epoche haben uns auch die Ausgrabungen von Schliemann nur unvollkommene Vorstellungen geliefert. (Vgl. Mykenä, Orchomenos, Tiryns, Troja.) Auch nach diesen Ausgrabungen sind wir noch nicht über das Stadium der Vermutungen hinausgekommen. Die zur Aufbewahrung von Kostbarkeiten bestimmten Teile dieser fürstlichen Anlagen, die sogen. Thesauren oder Schatzhäuser, bestanden in meist unterirdischen, kreisrunden Räumen, die durch kuppelförmige, aus horizontalen, allmählich vorgekragten Steinringen bestehende, oben durch je eine größere Platte geschlossene Überbaue abgedeckt waren, und unter welchen das Schatzhaus des Atreus zu Mykenä das merkwürdigste und am besten erhaltene ist. Wenn Schliemanns Ausgrabungen uns auch keine positiven Aufklärungen über die Wohnräume der griechischen Heroen geliefert haben, so verdanken wir ihnen doch ein sehr reichhaltiges Material zur Unterstützung des Nachweises, daß die griechische B. ein Sprößling des Orients ist, und daß der griechische Geist aus den Überlieferungen Asiens und Ägyptens jene Gebilde edelster Harmonie entwickelte, deren herrlichstes Symbol der griechische Tempel ist. Die ältesten Göttertempel sind auch die ältesten Erzeugnisse nationalgriechischer Kunst. Der griechische Tempel in seiner ursprünglichen Anlage bestand nur aus der rechteckigen Zelle, in welcher das Götterbild aufgerichtet war, und aus einer offenen Vorhalle, welche eine freie Säulenstellung erhielt, die man bei größern Anlagen später rings um das Tempelhaus führte. Als die Ausbildung der Tempelform ihren Höhepunkt erreicht hatte, wurde das architektonische Gerüst aus der Reihe der Säulen gebildet, die, auf einem gemeinsamen, aus mehreren Stufen bestehenden Unterbau errichtet, in geschlossener Kraft emporstrebten und den Architrav aufnahmen, der durch seine äußere Form die flache Bedeckung der Halle und ihre Verbindung mit dem Tempelhaus aussprach. Über dem Architrav erhob sich nicht unmittelbar, wie in den übrigen Architekturen der Alten Welt, das krönende Gesims, sondern der für den bildnerischen Schmuck bestimmte Fries, der Zophoros oder „Bildträger“. Über dem Bildwerk des Frieses ruhte das Kranzgesims, dessen Hauptglied, eine stark vortretende Platte, einen festen Abschluß bildete. An der Schmalseite des Tempels und der ihr entsprechenden Rückseite stieg über dem Kranzgesims noch der Giebel empor, dessen Gestalt, ein flaches Dreieck, durch die Form des Tempeldaches bedingt war. In dem Giebelfeld war das bedeutsamste Bildwerk enthalten, das wiederum in dem kräftig vortretenden Giebelgesims seinen Abschluß fand. Die Endpunkte des Giebels, der Gipfel und die äußern Ecken, waren außerdem durch aufgelegte Platten, die Akroterien, und frei gebildetes, aufstrebendes Ornament ausgezeichnet. Je nach der einfachern oder reichern Anwendung einer einfachen oder doppelten Säulenstellung, nur an der Vorder- und Hinterseite oder auf allen Seiten des Tempels, unterscheidet man den Tempel in antis, den Prostylos, Amphiprostylos, Peripteros, Pseudoperipteros, Dipteros, Pseudodipteros. Nach der wegen des in der Mitte liegenden Einganges stets geraden Zahl der Säulen an der Vorderseite des Tempels nannte man die Tempel tetrastylos (viersäulig), hexastylos (sechssäulig), oktastylos (achtsäulig), dekastylos (zehnsäulig), dodekastylos (zwölfsäulig); nach der geringern oder größern Weite des Zwischenraums zwischen je zwei Säulen: pyknostylos (engsäulig), systylos (nahsäulig), eustylos (schönsäulig), diastylos (weitsäulig), aräostylos (fernsäulig). Näheres s. Tempel und die einzelnen eben genannten Gattungsbezeichnungen. Das geschlossene Tempelhaus bestand aus der eigentlichen Zelle (Naos), die bei den gewöhnlichen Anlagen keine Fenster hatte, und aus der Vorhalle (Pronaos), die mit jener durch eine große Thür verbunden war. Bei einzelnen Tempeln findet sich hinter der Zelle ein abgeschlossenes, wohl meist als Schatzkammer dienendes Hinterhaus (Opisthodom). Der Amphiprostylos erhielt gewöhnlich an der Rückseite eine dem Pronaos entsprechende Halle (Posticum). Bei Tempelanlagen, die eine größere Ausdehnung hatten und zur Aufnahme eine größere Menschenmenge bestimmt waren, dehnte sich die Zelle zum offenen Hofraum, dem Hypäthron, aus, der mit Säulenreihen vor den Wänden, bisweilen mit zweien übereinander, von denen die obern eine Galerie bildeten, oder mit vorspringenden Wandpfeilern, von denen mehr oder weniger tiefe Nischen eingeschlossen wurden, umgeben war. Die Einzelform gestaltete sich nach den Eigentümlichkeiten des dorischen und ionischen Stammes, durch welche die griechische B. ein zweifaches Gepräge erhielt, verschieden. Die dorischen Tempel zeigen schwerere Verhältnisse. Die Säulen stehen in einem Abstand von 11/4–11/2 ihres untern Durchmessers und sind etwa nur vier- bis fünfmal so hoch als ihr unterer Durchmesser, während ihre Verjüngung sich auf etwa 1/6 des untern Durchmessers beläuft. Die Höhe des Gebälks und Giebels beträgt 1/3–1/2 der Säulenhöhe. Ebenso kräftig wie die Gesamtanordnung ist die Profilierung der einzelnen Glieder. Zu den vollkommensten Schöpfungen des dorischen Stils gehört der Tempel des Theseus oder das Theseion, der der Pallas Athene oder der Parthenon (s. Tafel IV, Fig. 6) zu Athen und der des Zeus in Olympia. In der ionischen Bauweise erscheint die Form des architektonischen Gerüstes reicher gegliedert und zierlicher ausgebildet; die Zwischenglieder sind mannigfaltiger, weicher und flüssiger. Die Verhältnisse sind freier und leichter, das Ganze hat das Gepräge einer anmutvollen Majestät. Von großer Feinheit der Form sind der Tempel der Athene zu Priene und der Tempel des Erechtheus oder das Erechtheion (s. Tafel IV, Fig. 7) auf der Akropolis zu Athen.
Als Bauwerke von Bedeutung reihen sich den Tempeln die Prachthallen an, welche den Zugang zu dem heiligen Bezirk, der die Tempel umgab, bildeten: die Propyläen. In ihrer äußern Erscheinung den Tempeln nahestehend, unterscheiden sie sich von jenen durch das Fehlen der Zellenmauern, wodurch sie einen offenen Durchgang bilden. Beispiele von Propyläen sind in Athen und Eleusis erhalten. Die für andre Zwecke bestimmten Säulenhallen wurden teils mit ringsum offenen Säulenstellungen, die eine gemeinsame Decke trugen, versehen, teils außerhalb der Säulen durch Mauern von dem allgemeinen Verkehr abgeschlossen, teils als Säulenhöfe, etwa nach Art der Hypäthraltempel, eingerichtet. Hierher gehören die sogen. Basiliken, Gerichtshallen, die jedoch erst in der Periode der römischen Kunst ihre höhere Bedeutung erhielten. Auch bei den Gymnasien pflegten die Säulenhallen den wichtigsten Schmuck zu bilden, nicht [487] minder in den reichern Privatwohnungen der spätern alexandrinischen Zeit. Die Hauptanlage der Wohngebäude dieser spätern Zeit ist folgende: ein Säulenhof (als wichtigster Teil), um den die Räume der Männerwohnung, zum Teil mit prachtvollen Säulensälen, gelegen waren; weiter zurück die Frauenwohnung, womit häufig, von dem Hauptbau durch kleinere Zwischenhöfe getrennt, besondere Gastwohnungen verbunden waren. Ausgedehnte Bauanlagen waren ferner die für die Spiele, gymnastischen und musischen Wettkämpfe bestimmten, zu welchen das wieder aufgefundene Theater zu Segesta (s. Tafel IV, Fig. 11) und namentlich das vollkommen aufgedeckte Olympia gehören. Mit den Wettkämpfen im Zusammenhang stehen die von seiten der Chorführer für den in musischen Spielen errungenen Sieg errichteten choragischen Monumente, die entweder Säulen, oder durchgebildete Architekturen, auf deren Gipfel ein Dreifuß aufgestellt war, oder kapellenartige Bauten bildeten, die in ihrem Innern das Siegeszeichen enthielten. Ein Werk dieser Art ist das einen kleinen, runden Tempel darstellende Monument des Lysikrates in Athen (s. Tafel IV, Fig. 8 u. 9). Die Grabmäler waren zum Teil sehr einfach, bestanden aus schlichten Pfeilern, waren mit einem blumigen, den Akroterien der Tempel ähnlichen Schmucke gekrönt und enthielten an ihrer Vorderseite ein einfaches Bildwerk, zum Teil waren sie von altarähnlicher Form oder bildeten Felsgrotten, deren Fassade architektonisch dekoriert war. Einzelne Bauten der spätesten Zeit griechischer B., wie der Turm der Winde (s. Tafel IV, Fig. 10), enthalten bereits ausländische Formen.
Als ein wichtiges Zwischenglied in der Geschichte der klassischen B. erscheinen diejenigen künstlerischen Bestrebungen Italiens, welche den Boden vorbereiteten, auf welchem sich nachmals die römisch-griechische Kunst entfalten sollte. Die Bauwerke der Ureinwohner Italiens bekunden dieselbe Richtung, die wir bei den griechischen Werken des heroischen Zeitalters wahrnehmen. Zu einer charaktervollen Ausbildung gelangte jedoch nur die B. der Etrusker (s. Tafel V, Fig. 1–11). Zu den altertümlichsten Werken altitalischer Architektur gehören die Mauern der alten Städte, die sehr häufig in jener cyklopischen Bauweise aufgeführt sind wie die von den pelasgischen Urbewohnern erbauten Mauern Griechenlands. Bei den in Etrurien vorkommenden Bauten dieser Art, wie bei den Mauern von Volterra, Fiesole, Cortona, Populonia, herrscht das Bestreben vor, die Steine regelmäßiger, in horizontalen Schichten übereinander zu legen, wodurch sie zwischen der polygonen Bauweise und dem Quaderbau in der Mitte stehen. Hieran reihen sich die der Struktur der altgriechischen Thesauren entsprechenden Anlagen, deren Räume durch Kuppeln, welche aus horizontal vorgekragten, ringförmigen Steinschichten bestehen, abgedeckt sind. Unterirdische Gemächer dieser Art, vermutlich Gräber, finden sich zu Norba, Vulci, Tarquinii; ein ähnliches besitzt Rom in dem untern Gemach des Carcer Mamertinus, dem sogen. Tullianum, am Abhang des kapitolinischen Bergs. Außer und neben dieser Kragsteinkonstruktion wandten die Etrusker bereits den Gewölbebau (s. Konstruktion des Rundbogens, Tafel V, Fig. 2) mit aus Keilsteinen gebildeten Bogen an, wie ihn die noch erhaltenen alten Thore von Volterra und Perugia (s. Tafel V, Fig. 3 u. 4) zeigen. Ein andres findet sich zu Tusculum, wo es als Wasserbehälter für eine Wasserleitung dient (s. Tafel V, Fig. 1). Zu den mächtigsten etruskischen Gewölbebauten gehören die zur Ableitung des in den Sümpfen und Seen am palatinischen Berg angesammelten Wassers bestimmten Kloaken zu Rom (s. Tafel V, Fig. 5) und der um 393 ausgeführte 2500 m lange Entwässerungskanal des Albanischen Sees. Eine hohe Bedeutung unter den erhaltenen Monumenten der etruskischen Architektur haben vornehmlich die Grabmäler, unter denen besonders drei Gattungen zu unterscheiden sind. Die erste ist aus der Form der rohen Erdhügel hervorgegangen und erscheint in mehr oder minder bedeutenden Abmessungen häufig noch in dieser Form, indem man dem Erdhügel nur einen kreisrunden, aus Steinen sorgfältig gearbeiteten Untersatz zufügte. Hierher gehört das Monument in der Nekropolis von Vulci, welches den Namen der Cucumella führt (s. Tafel V, Fig. 8), ferner das sogen. Grabmal der Horatier und Curiatier bei Rom, das über einem viereckigen Unterbau fünf kegelförmige Spitzsäulen enthält (s. Tafel V, Fig. 9). Die zweite Gattung besteht aus architektonischen Fassaden, welche man aus den Wänden der Felsen gemeißelt hat, und die sich sehr zahlreich in den Nekropolen der etruskischen Orte Orchia (jetzt Norchia) und Aria (jetzt Castel d’Asso oder Castellaccio; s. Tafel V, Fig. 10), beide unfern von Viterbo, vorfinden. Die dritte Gattung endlich besteht aus solchen Grabmälern, die ganz unterirdisch in den Tuffstein eingegraben sind. Ein schmaler Gang oder eine Treppe führt gewöhnlich zu einem Vorraum, an dessen Seiten sich die Grabkammern, in der Regel symmetrisch geordnet, anschließen. Bisweilen sind in diesen Räumen kurze Pfeiler (viereckig, mit einfachen Deckgesimsen) zur Unterstützung der Decken stehen geblieben, welch letztere entweder flach oder in giebelförmiger Schräge gearbeitet sind. Von den sehr zahlreichen Gräbern solcher Art sind die interessantesten in der Nekropolis von Vulci. Von etruskischen Tempeln (s. Tafel V, Fig. 6, 7) sind keine Reste auf unsre Zeit gekommen, da deren Überbau aus Holzbalken bestand; wir kennen aber ihre Anlage und architektonische Ausbildung aus der Anweisung, welche Vitruv zur Aufführung von Tempeln dieser Gattung, deren Stil von der spätern römischen Architekturschule als die toscanische Ordnung bezeichnet wird, hinterlassen hat. Unter den für öffentliche Spiele bestimmten Gebäuden der Etrusker sind die Ruinen des Theaters zu Fiesole hervorzuheben. Endlich ist den Etruskern die erste Ausbildung der von der griechischen abweichenden italischen Häuseranlage zuzuschreiben, welche sich von jener durch einen mehr nordischen Charakter unterscheidet. An die Stelle des offenen Säulenhofs, um den sich in dem griechischen Haus die Gemächer aneinander reihen, tritt hier ein mehr geschlossener Raum, das Atrium, der oberwärts zwar auch gegen den Himmel geöffnet ist, bei dem aber diese Öffnung (impluvium) eine verhältnismäßig geringe Ausdehnung hat.
Die Römer waren ein Volk ohne künstlerische Anlage. Was zu Rom in den ersten Jahrhunderten des Staats an architektonischen Kunstwerken ausgeführt ward, verdankte man wesentlich den benachbarten Etruskern, sei es, daß die Arbeiten von etruskischen Künstlern eigenhändig ausgeführt wurden, oder daß man der Lehre und dem Beispiel derselben folgte. Als die römische Kultur sich mit der griechischen berührte, gewann letztere einen solchen Einfluß auf jene, daß auch die griechische Kunst nach Rom übertragen wurde und hier eine schöne Nachblüte erlebte. Die beiden Formprinzipien, welche in der [488] römischen B. (s. Tafel V und VI) zusammenfließen, sind die des griechischen Säulenbaues und des italischen Gewölbebaues, der zuerst von den Etruskern auf beachtenswerte Weise zur Anwendung gebracht worden war. Der Gewölbebau wird von den Römern durchgehends in seiner ursprünglichen Schlichtheit und Massenhaftigkeit angewandt, er bildet den Körper der römischen Architektur und verleiht derselben ihr gewaltiges Gepräge. Der Säulenbau verbindet sich teils als ein integrierender Teil mit dem Gewölbebau, um dessen strenge Erscheinung zu beleben, teils tritt er, der griechischen Bauweise entsprechend, in selbständiger Freiheit auf. Die einfachen Gattungen der griechischen Architektur, die dorische und die ionische, werden bei den Römern selten und, wo sie erscheinen, nur in einer nüchternen Ausbildung angewandt. Statt ihrer wird jetzt die korinthische Säulenform vorherrschend, deren volles Blätterkapitäl dem Streben nach Pracht und Glanz besser entspricht als die mehr geometrischen Kapitälformen jener beiden Ordnungen; auch die Gliederungen des Gebälkes werden mannigfaltiger und mit reicherm Schmuck versehen. Ihr Hauptgepräge erhält die römische B. durch die umfassende Anwendung des Gewölbebaues, durch den sich zuerst eine in sich abgeschlossene innere Architektur entwickelt. Die oblonge Halle wird durch ein Tonnengewölbe (s. Tafel V, Fig. 12) überspannt und schließt, dem Eingang gegenüber, durch eine Nische mit halber Kuppel harmonisch ab. Über dem kreisrunden (oder achteckigen) Raum erhebt sich in stolzer Wölbung die Kuppel, und weiter ausgebildet, in Teile gesondert erscheint dieser Raum, wenn an den Seiten der cylindrischen oder prismatischen Wandung Nischen mit Halbkuppeln ausgespart werden. Andre Räume werden durch Kreuzgewölbe (s. Tafel V, Fig. 13), die eine noch belebtere Gewölbeform bezeichnen, überspannt, und aus der verschiedenartigen Weise, wie Haupt- und Seitenräume überwölbt werden, entsteht das reich kombinierte Ganze. Die starre Masse gewinnt auch im Äußern ein vielgeteiltes Leben, und wie sich Gewölberäume über Gewölberäume emporbauen, so treten auch am Äußern Bogenöffnungen neben und über Bogenöffnungen vor. Als freies und selbständiges Monument erscheint der Bogen, der sich über die Straße des lebendigen Verkehrs hinwölbt. Die großartigen Bedürfnisse und der Luxus der Römer riefen eine Menge neuer Anlagen hervor, denen allen dasselbe Gepräge der Macht und Großartigkeit aufgedrückt war. Man baute Tempel der mannigfaltigsten Art, teils und meist nach einfach griechischer Anlage, teils mit eigentümlicher Anwendung des Gewölbes, führte die verschiedenartigsten Gebäude für Zwecke des öffentlichen Lebens auf, darunter besonders Basiliken in großartiger und eigentümlicher Ausbildung. Tempel und Staatsbauten reihten sich um das Forum her, das, selbst eine besondere architektonische Anlage, mit jenen ein imposantes Ganze bildete. Der Gesundheit, aber auch dem öffentlichen Vergnügen und behaglichen Müßiggang wurden die Thermen gewidmet, die eine ganze Welt von Pracht und Luxus in sich einschlössen. Riesige Werke, wie Theater, Amphitheater, Naumachien, Zirkusse, erhoben sich, zu unverwüstlicher Dauer wurden die für den öffentlichen Nutzen bestimmten Bauten ausgeführt, unter welchen die Heerstraßen, Brücken und Wasserleitungen mit ihren mächtig geschwungenen Bogen und die öffentlichen Brunnen hervorzuheben sind. Eben so glanzvoll erschienen die Ruhmesdenkmäler der Einzelnen, die Säulen, an denen man die Trophäen der Sieger aufhing, oder über denen sich die Gedächtnisstatuen erhoben, das stolze Gepränge der Triumphpforten, die Grabmonumente, die in den verschiedensten Formen, zuweilen in riesigem Maßstab, emporgetürmt wurden. Mit dem Glanz der öffentlichen Anlagen endlich wetteiferten die Privatwohnungen, Häuser, Paläste, Villen.
Den lebendigern Aufschwung der römischen B. mit Beginn des 3. Jahrh. v. Chr. kennzeichnet der in dieser Zeit beginnende Bau der großen Heerstraßen und Wasserleitungen (s. Aquädukt), unter welchen die Via Appia und der Aquädukt des Claudius (s. Tafel VI, Fig. 3) hervorzuheben sind. In derselben Zeit erhielt auch das Forum der Stadt Rom eine großartigere Gestalt. Erhalten ist von den Monumenten dieses ersten Aufschwunges der römischen B. nur ein kleineres dekoratives Werk, das Grabmal des L. Cornelius Scipio Barbatus, aus dem Anfang des 3. Jahrh. (gegenwärtig im vatikanischen Museum). Einen erneuten Aufschwung nahm die römische Architektur um den Beginn und noch mehr um die Mitte des 2. Jahrh. v. Chr. Griechische Kunstwerke und griechischer Geschmack wurden aus dem eroberten Griechenland nach Rom verpflanzt, und jetzt erst wurde zu den römischen Prachtbauten, die früher aus dem rohern Peperin aufgeführt waren, das bei den Griechen übliche edlere Material des Marmors angewandt. Schon in der ersten Hälfte des 2. Jahrh. erhielt das römische Forum wieder eine neue Gestalt, indem es mit großartigen Basiliken, dem öffentlichen Handelsverkehr und der öffentlichen Rechtspflege gewidmeten Säulenhallen, umgeben wurde. Auch von den Werken dieses zweiten Aufschwunges der römischen Architektur ist nur weniges auf unsre Zeit gekommen, worunter das am Abhang des Kapitols nach dem Forum hin 78 v. Chr. erbaute, als Archiv und Schatzhaus des Reichs dienende Tabularium hervorzuheben ist. Die Monumente von Pompeji bezeichnen den Übergang zwischen griechischer und römischer Architektur. Die Blütezeit der letztern beginnt mit dem Zeitalter des Julius Cäsar, durch welchen die großartigen Unternehmungen eingeleitet wurden, die Augustus vollendete. Unter Augustus entstand ein ganz neues, prächtigeres Rom; er konnte sich rühmen, die Ziegelstadt, die er vorgefunden, als eine Marmorstadt zu hinterlassen. Indes betraf dies mehr die von ihm hinzugefügten neuern Stadtteile. Die alte Stadt war dabei großenteils noch in ihrer frühern unregelmäßigen Beschaffenheit geblieben, erst Nero verschaffte durch die von ihm entzündete Feuersbrunst auch im Herzen der Stadt Raum zu den umfassendsten Anlagen. Vespasian baute ein prachtvolles neues Kapitol; noch glänzender wurde dasselbe nach einem bald darauf erfolgten Brande durch Domitian wiederhergestellt. Noch herrlichere Bauten führte Trajan aus, dessen Forum sich zu einer nicht genug zu bewundernden Anlage gestaltete. Aber auch die Provinzen wurden nicht vergessen, an verschiedenen Orten stiegen neue, prächtige Städte empor. Bis zur Zeit Hadrians hält sich der Stil der römischen Architektur ziemlich auf gleicher Höhe, und erst in der zweiten Hälfte des 2. Jahrh. n. Chr. zeigt sich ein allmähliches Sinken des Geschmackes, indem die Verhältnisse minder edel erscheinen und Überladung an die Stelle glänzender Pracht tritt. Die bedeutendsten noch vorhandenen Gebäude des römischen Altertums sind das von Agrippa 26 v. Chr. erbaute Pantheon zu Rom (s. Tafel V, Fig. 14–16) und der von Hadrian 135 n. Chr. erbaute Tempel der Venus und Roma (s. Tafel V, Fig. 17 [489] u. 18), der größte unter allen uns bekannten Tempeln Roms, von dem noch charakteristische Ruinen vorhanden sind. Die Theater, worunter das Theater des Marcellus hervorzuheben ist, wurden zunächst den griechischen nachgebildet, während die zu blutigen Kampfspielen bestimmten Amphitheater, wie das berühmte Kolosseum zu Rom, diejenigen zu Nîmes (s. Tafel VI, Fig. 1 u. 2), Arles, Verona und Pola, die römische B. kennzeichnen. Außerdem gehörten neben den Prachtforen des Julius Cäsar und der Kaiser die Thermen zu den eigentümlichsten und großartigsten Anlagen Roms. Die Thermen des Caracalla (die rekonstruierte Ansicht eines Saals s. Tafel VI, Fig. 11) aus der frühern Zeit des 3. und des Diokletian aus dem Anfang des 4. Jahrh. ragten durch Größe und Pracht hervor. Von großartigen Brückenanlagen aus dieser Zeit sind uns erhalten: der einfachere Pons Aelius (jetzt Ponte Sant’ Angelo) und der zierlichere Ponte rotto (Pons Palatinus oder Senatorius) zu Rom sowie die ebenfalls zierlich ausgebildete Brücke des Augustus zu Rimini. Von den Ehrensäulen erscheinen in reichster Ausbildung die Säulen des Trajan und Mark Aurel zu Rom. Der römischen Kunst eigentümlich und dieselbe in ihrer ganzen Majestät zeigend sind die Ehrenbogen, namentlich die Triumphbogen. Unter den erhaltenen sind die frühsten die Triumphbogen des Augustus zu Rimini und zu Susa in Piemont sowie der Siegesbogen zu Aosta am Fuß der Alpen, während der Bogen der Sergier zu Pola in Istrien der besten Zeit der römischen Kunst angehört und unter den zu Rom erhaltenen der frühste der des Titus ist, dem sich die des Septimius Severus und des Konstantin (s. Tafel VI, Fig. 7) anschließen. Die Grabmäler sind teils unterirdisch und ohne bedeutendere Entfaltung architektonischer Formen, teils als mehr oder weniger bedeutsame Werke über der Erde angelegt. Die unterirdischen Gräber sind entweder in den Fels gearbeitet, wie die Katakomben von Rom, Neapel, Syrakus, Malta, Alexandria etc., oder gemauert und überwölbt, wie das Grabmal der Familie Furia bei Frascati. Überreste bedeutenderer, über der Erde angelegter Grabdenkmäler bilden das sogen. Grabmal des Vergilius am Posilippo, das sogen. Grabmal der Servilier bei Rom, das aus der Zeit des Julius Cäsar herrührende Grabmal der Cäcilia Metella bei Rom und das der Plautier bei Tivoli. In riesigem Maß vergrößert und zugleich mit reichster künstlerischer Dekoration versehen erscheint die altertümliche Form in dem Mausoleum des Augustus auf dem Marsfeld und dem Mausoleum des Hadrian (s. Tafel VI, Fig. 8–10), dessen untere Teile den Kern des heutigen Kastells Sant’ Angelo bilden. Die Pyramidenform tritt in der noch erhaltenen, 35 m hohen Pyramide des C. Cestius zu Rom aus der Zeit des Augustus auf. Die römische Häuseranlage, welche der pompejanischen verwandt ist und in dem Haus des Pansa in Pompeji (s. Tafel VI, Fig. 4–6) einen Repräsentanten findet, unterscheidet sich von der griechischen dadurch, daß in ihr die Frauenwohnung minder bestimmt von der Männerwohnung gesondert war, dann durch die Verbindung des italischen (etruskischen) Atriums mit den der griechischen Architektur entsprechenden Räumen. Das Atrium bildete den Mittelraum in dem vordern Teil des Gebäudes und diente für die öffentlichen Geschäfte des Hauses, während sich hinten der Hof mit seiner Säulenumgebung anschloß. Reich und umfassend wurden auch die Villen der Vornehmen angelegt. Eine neue Erscheinung bot Neros sogen. goldenes Haus dar, dessen Prunkräume von Gold, edlen Steinen, Perlen etc. erglänzten, und in dessen Umfang ganze Felder, Wiesen, Weinberge und Gehölze eingeschlossen waren. Domitian gründete einen neuen Kaiserpalast auf dem Palatin, und die spätern Kaiser bauten daran fort; die interessantesten Baureste, die sich auf dem Palatin (in den Farnesischen Gärten und in der Villa Spada) erhalten haben, gehören dem Domitianischen Bau an. Höchst ausgedehnt war die Villa des Hadrian zu Tivoli, von der noch ein Labyrinth von Ruinen übrig ist, und die aus Wohnräumen der mannigfaltigsten Art, aus einer Menge größerer und kleinerer Hallen, mehreren Theatern, Thermen etc. bestand.
Mit dem Beginn des 3. Jahrh. n. Chr. trat in der römischen Architektur das Bestreben hervor, die Masse auf eine mannigfaltigere Weise zu gliedern, sie reicher zu beleben, die Teile in verschiedenartigerm Wechsel aufeinander folgen zu lassen. Mit den einfachen Formen des griechischen Säulenbaues und der italischen Gewölbarchitektur vereinigen sich nicht selten bunt geschweifte, phantastische Bildungen. Pilaster, Halbsäulen, frei vortretende Säulen unterbrechen die Wandflächen häufiger als bisher; Nischen und Tabernakel der verschiedenartigsten Form füllen oft in mehrfachen Reihen übereinander die Räume zwischen ihnen aus, während die Giebel der Tabernakel öfters in gebrochenen Formen erscheinen. Reihen von Säulchen, frei von Konsolen getragen und einzig zur Dekoration bestimmt, treten an den obern Teilen der Wände hervor; Bogen setzen unmittelbar über den Säulen auf. Die Ornamente werden oft so gehäuft, daß die Hauptglieder zwischen ihnen ganz verschwinden. Aber mitten aus dieser Auflösung der Kunst der Alten Welt treten zugleich die Prinzipien einer neuen Kunstwelt immer deutlicher hervor, in der auf eine mehr malerische Wirkung hingearbeitet wird, während sich eine selbständigere Behandlung des Gewölbe- und Bogenbaues, teils in eigentümlicher Anwendung des Kreuzgewölbes, teils darin, daß man Bogen unmittelbar von Säulen ausgehen ließ, erkennen läßt. Die Hauptmotive dieser neuen Umwandlung der antiken B. hat man, wie es scheint, im Orient zu suchen, wo in dieser Zeit verschiedene großartige Bauanlagen ausgeführt wurden, unter denen sich die mächtigen Bauten zweier Städte Syriens auszeichnen, von denen bedeutende Reste bis auf unsre Zeit gekommen sind: Palmyra (Tadmor) und Heliopolis (Baalbek), bei denen jene Überladung und mannigfache Teilung der architektonischen Massen bereits sehr auffallend hervortritt. Andre asiatische Architekturen reihen sich denen der eben genannten Städte an, so die Felsengräber bei Jerusalem, im Thal Josaphat, die Ruinen der Felsenstadt Petra (südlich von Palästina). Ungleich wichtiger und interessanter ist das mächtige Schloß, welches sich Kaiser Diokletian im Anfang des 4. Jahrh. zu Salona, dem heutigen Spalato (s. Tafel VI, Fig. 12 u. 13), in Dalmatien erbauen ließ, und wovon ebenfalls noch bedeutende Reste erhalten sind. Dasselbe bildet ein großes Viereck von 220 m Länge und Breite, außerhalb von Mauern und Türmen umgeben, innerhalb nach Art des römischen Feldlagers abgeteilt und mit vielen Säulengängen und Hallen, mit Tempeln und Wohnräumen für den Kaiser und sein Gefolge versehen. Unter die charakteristischen Baureste dieser Periode zu Rom gehören die kolossalen und reichen Architekturfragmente, welche man gewöhnlich das Frontispiz des Neropalastes nennt, und die einem Tempel des Sol angehören, welchen Aurelian in der zweiten Hälfte des 3. Jahrh. mit dem größten Prachtaufwand [490] erbaute, der Tempel des Vespasian (fälschlich der Tempel der Concordia genannt) am Forum, der Janus Quadrifrons am Forum Boarium aus der Zeit Konstantins, die Basilika des Konstantin auf dem Forum Pacis, bei der eine großartig neue Entfaltung des Gewölbebaues erscheint und die Art, wie das Kreuzgewölbe des Mittelschiffs angelegt ist, bereits das Prinzip der mittelalterlichen Architektur, wenn auch noch unentwickelt, zeigt, und das Mausoleum der Constantia, außerhalb Roms, die heutige Kirche Santa Constanza. Durch Konstantin, der den Sitz der kaiserlichen Herrschaft von Rom nach Byzanz (Konstantinopel) verlegte, wurden auch hier mannigfache und ansehnliche Anlagen veranlaßt und in diesen die Werke des alten Rom zum Teil nachgeahmt.
Mit dem Sieg des Christentums trat ein von den gesamten Bauweisen des heidnischen Altertums wesentlich abweichendes Prinzip in die B. ein. Während die Tempelanlagen des letztern aus dem Begriff einer körperlichen Gegenwart der Gottheit hervorgingen und meist nur die Vorhalle, nur die äußere Umgebung es war, woran sich die künstlerische, der Bedeutung des Heiligtums entsprechende Form entwickeln konnte, sollte das christliche Gotteshaus die in ihm zum Gebet versammelte Gemeinde über die irdischen Gedanken emporheben und seine Form in einer diesem Zweck angemessenen künstlerischen Weise durchgebildet sein. Die christliche B. ist also eine Architektur des Innern. Die älteste christliche B. (s. Tafel VII) ging daher von den einfachen antiken Basiliken aus, die ohnehin schon die Bestimmung hatten, eine größere Menschenmenge in sich aufzunehmen. Die frühsten christlichen Kirchen, welche nach dem Muster der antiken Basiliken erbaut wurden, waren von diesen ohne Zweifel in nichts Wesentlichem verschieden; aber schon gegen das Ende des 4. Jahrh. gab sich eine eigentümliche und bedeutsame Umbildung kund, indem sich den größern Basiliken mancherlei Neubauten: kleinere Basiliken, verschiedene Kapellen, teils von viereckiger Form und mit eigner kleiner Tribüne, teils von runder Form, anschlossen (s. Basilika). Unter die ersten Basiliken Roms gehören die alte fünfschiffige Peterskirche Santa Maria Maggiore und die von Theodosius aufgeführte Kirche St. Paul vor Rom (s. Tafel VII, Fig. 1–3). Zu den wichtigern Nebenbauten gehören die Triklinien, große Säle mit einer oder mehreren Tribünen oder Nischen, welche zur Bewirtung der Pilger, zur Feier besonderer Agapen u. dgl. dienten, die Taufkirchen (Baptisterien), die man nach dem Vorbild der Baptisterien in den antiken Thermen errichtete. Aus diesen und andern Elementen, namentlich aber aus dem Prinzip des Gewölbebaues entwickelte sich im 5. und vornehmlich im 6. Jahrh. im byzantinischen Reich ein eigentümlicher Baustil, der als ein wesentlicher Fortschritt betrachtet werden muß. Der Gewölbebau ward von dem Zwang, welchen ihm früher die fremdartigen griechischen Formen auferlegt hatten, befreit; kräftige Pfeiler stiegen frei und unbehindert empor, durch stolze Bogen verbunden, über denen sich der Raum in einer leichten Kuppel zuwölbte. Andre Räume, meist mit Halbkuppeln oder auch andern Wölbungen bedeckt, an jene Bogen anlehnend, schlossen sich dem Hauptraum an (s. Tafel VII, Fig. 7 u. 8), oder es wurden zierlich bewegte Säulenarkaden in mehreren Reihen übereinander zwischen jene großen Pfeiler und Bogen so eingesetzt, daß sich das architektonische Detail der mächtigen Hauptform auf angemessene Weise unterordnete. In Harmonie mit diesen Formen trat die Linie des Halbkreises, auch als freier Abschluß der Außenwände, an Stellen, wo man früher etwa nur die Form des Giebels angewandt hatte, hervor und diente zur Vermehrung des bunten Reichtums, den das Ganze darbot. Aber noch verharrte die byzantinische Architektur, was die eigentlich künstlerische Durchbildung des Gewölbebaues betrifft, auf einer niedrigen Stufe. Jeder Teil des Gebäudes blieb in sich beschränkt und abgeschlossen und ward nur äußerlich an den andern gelehnt oder in denselben eingeschoben. Jene mächtigen Pfeiler waren durch Bogen verbunden, aber die Kuppel, welche die Bedeckung des Raumes bildete, war nicht aus ihnen hervorgewachsen; vielmehr erhob sie sich teils ohne charakteristisches Übergangsmotiv aus dieser Bogenarchitektur, teils war sie von derselben durch einen horizontalen Gesimskranz scharf abgetrennt. Beide Bausysteme der altchristlichen Kunst, das des Basilikenbaues und das des byzantinischen Stils, wurden von ihren beiden Hauptausgangspunkten, von Rom und Konstantinopel, hinausgetragen, wobei es an mancherlei Wechselwirkungen nicht fehlen konnte, in welchem Betracht die Bauten zu Ravenna besonders merkwürdig sind. Im allgemeinen erscheint zwar auch hier der Basilikenbau vorherrschend, doch findet man dabei eine Behandlung des Details, welche sich häufig als eine byzantinische ankündigt, die namentlich in einer freiern Behandlung der Säulenform und in der Anwendung eines als Kämpfer dienenden keilförmigen Aufsatzes über dem Kapitäl der Säulen (s. Tafel VII, Fig. 5 u. 6) besteht, daneben aber auch die unmittelbare und vollständige Aufnahme des byzantinischen Gewölbebaues zeigt. Von den meisten ravennatischen Bauwerken, darunter das interessante Mausoleum Theoderichs (die heutige Kirche Santa Maria della Rotonda), haben sich Bruchstücke bis auf unsre Zeit erhalten; dagegen sind Überreste altchristlicher B. in Frankreich, Deutschland und England nur sparsam vorhanden. Der vermutlich als Baptisterium benutzte Rundbau zu Riez, die alte Kathedrale zu Vaison, wohl eine Basilika, das alte Baptisterium der Kathedrale von Aix gehören den frühsten Zeiten altchristlicher B. an. In Deutschland hatte sich Aachen, die Hauptresidenz Karls d. Gr., einer besondern Gunst jenes großsinnigen Förderers der B. zu erfreuen, durch welchen diese Stadt, wie Zeitgenossen sich ausdrücken, ein zweites Rom ward und ein Forum, Theater, Thermen, eine Wasserleitung etc. erhielt, von deren Anordnung wir freilich nichts Näheres wissen. In der Nähe des daselbst von Karl ausgeführten prachtvollen Palastes wurde 796 bis 804 die durch einen Portikus mit ihm verbundene, der heiligen Jungfrau geweihte Münsterkirche erbaut, welche noch steht und das vorzüglichste Beispiel altchristlicher Architektur diesseit der Alpen bildet. Zu den durch Karl d. Gr. an verschiedenen andern Orten seines Reichs erbauten Palästen und Villen gehören der Palast von Ingelheim am Rhein, zu dessen reicher Säulenpracht Rom und Ravenna hatten beisteuern müssen, sowie der Palast zu Nimwegen, wo sich ein 16eckiges, der Münsterkirche zu Aachen ähnliches Baptisterium erhalten hat. Die zahlreichen, zum Teil prachtvollen, vornehmlich im 7. und 8. Jahrh. unter der Herrschaft der Angelsachsen ausgeführten Bauten in England sowie die altchristlichen Bauten in Spanien sind untergegangen. Dem Basilikenstil gehören ferner die ersten christlichen Bauunternehmungen im oströmischen Reich an. Römisch waren ohne Zweifel die wichtigsten Kirchen, welche Konstantin in Konstantinopel anlegte: die der heiligen Weisheit [491] (Sankta Sophia), des heiligen Friedens und der heiligen Kraft. Die angeblich von der Mutter des Kaisers, der heil. Helena, erbaute, noch stehende große Kirche zu Bethlehem bildet eine mächtige fünfschiffige Basilika mit einfachen römischen Säulen und geraden Gebälken. Auch das Kloster auf dem Sinai soll von der heil. Helena gegründet worden sein, während die große Kirche der Verklärung, eine einfache Basilika, den darin vorhandenen Inschriften und bildlichen Darstellungen zufolge ein Werk aus der Zeit des Justinian ist. Von den koptischen Kirchen in Ägypten und Nubien, welche die einfache Basilikenform zeigen, tragen einzelne ein hochaltertümliches Gepräge und deuten somit auf die frühsten Zeiten des Christentums zurück.
Nachdem die Sophienkirche zu Konstantinopel 530 ein Raub der Flammen geworden war, ordnete Kaiser Justinian den Neubau derselben an, und an dieser neuen Sophienkirche (s. Tafel VII, Fig. 9–12) bildete sich der byzantinische Baustil in seiner umfassendsten und charaktervollsten Gestalt aus. Das Verdienst der Erfindung des neuen architektonischen Systems gebührt dem Baumeister Anthemius von Tralles, als dessen Gehilfen Isidorus von Milet und der Baumeister Ignatius genannt werden. Im J. 537 war der Bau vollendet und hat sich, von einzelnen Restaurationen unter den folgenden Kaisern und geringen Abänderungen seit seiner Umwandlung in eine Moschee abgesehen, bis heute erhalten. Die ältere Basilikenform ist allerdings noch zu erkennen, die Anwendung des Systems der Kuppelwölbungen hat aber der gesamten Erscheinung des Gebäudes ein wesentlich abweichendes Gepräge gegeben. Die Sophienkirche (s. Konstantinopel) blieb der Stolz und das Vorbild der byzantinischen B., und schon unter Justinian wurden ihr außer andern die Apostelkirche in Konstantinopel und die Kirche des Evangelisten Johannes in Ephesus nachgebildet. Die Kirche des heil. Bakchos zu Konstantinopel, die auch den Namen der kleinen Sophienkirche führt und ebenfalls noch vorhanden ist, kann als ein Mittelglied zwischen der Kirche San Vitale in Ravenna (s. Tafel VII, Fig. 5 u. 6) und der großen Sophienkirche betrachtet werden. Bei dem fortschreitenden Verfall des byzantinischen Reichs fehlte es später sowohl an der künstlerischen Kraft als selbst an den Mitteln, größere Rotunden zu erbauen, so daß die früher untergeordneten Seitenteile der Gebäude allmählich wieder anwachsen mußten; doch blieben diese Seitenabteilungen der Kirche, gleich dem Mittelraum, stets überwölbt. Noch dürftiger mußten die griechischen Kirchenbauten ausfallen, seit das Reich unter die Türkenherrschaft gekommen war. Ein quadratischer oder etwas länglicher Raum, in dessen Mitte eine auf vier Pfeilern ruhende erhöhte Kuppel, die Seitenräume mit Tonnengewölben, die Eckräume mit kleinen Kuppeln bedeckt, drei Tribünen, eine Vorhalle (Narthex) und vor dieser zuweilen ein Portikus, dies sind die regelmäßig wiederkehrenden Elemente der spätern griechischen Kirchen. Als byzantinische Bauten sind schließlich die Zisternen zu nennen, die vornehmlich zu Konstantinopel schon seit der Zeit Konstantins in großer Anzahl angelegt wurden und gewöhnlich große Reservoirs für Wasser bildeten, deren gewölbte (aus kleinen Kuppeln oder Kreuzgewölben bestehende) Decke von einer größern oder geringern Zahl von Säulen getragen ward. Eine kolossale Ausdehnung hat die westlich vom Hippodrom gelegene Zisterne, welche den Namen Binbirdirek (die Zisterne der 1001 Säulen) führt. Mit diesen Anlagen waren Wasserleitungen verbunden.
Einen besondern Zweig der byzantinischen Architektur bildet die russische B. Wladimir d. Gr. (981 bis 1015), der sich die Ausbreitung des Christentums angelegen sein ließ, baute zahlreiche Kirchen, zu deren Ausführung er byzantinische Architekten berief. Die bedeutendsten Kirchen waren die der damaligen Residenzstadt Kiew, und unter diesen ragt die Kirche der heil. Sophia hervor, deren Name auf das byzantinische Vorbild deutet. In Nowgorod ließ der Großfürst Jaroslaw (um 1040) gleichfalls unter der Leitung griechischer Architekten eine andre Sophienkirche erbauen, ebenfalls eine Nachbildung der byzantinischen. In Moskau wurde 1326 auf dem Kreml der Grundstein zur Kirche der Verklärung der Mutter Gottes gelegt und in der zweiten Hälfte des 14. Jahrh. das Schloß des Kremls aus Steinen aufgeführt. Iwan III. Wasiljewitsch (1462–1505) und seine Nachfolger schmückten ihre Residenz mit prächtigen Bauten, und diese vornehmlich sind es, welche den russischen Baustil als einen eigentümlichen zeigen. Zwar sind Grundlage, innere Einteilung und Anordnung der Kirchen ganz die des byzantinischen Baustils, doch erscheint das Innere durchweg schwerfällig, eng und düster. Desto größere Pracht wurde im Äußern entwickelt, wo sich unverkennbar asiatischer Einfluß zeigt, der teils aus den Zeiten der Mongolenherrschaft herrühren, teils aber auch in der größern geographischen Verwandtschaft Rußlands mit Asien begründet sein mag. Wo in der byzantinischen Architektur die Räume durch schlichte Kuppeln bedeckt wurden, da steigen hier turmartige Bauten, teils in breiter Masse, teils schlank und keck wie die Minarets der Mohammedaner, in die Lüfte empor, oben von Kuppeln gekrönt, die bald als Halbkugeln, bald in Eiform, bald in der geschweiften Form einer Birne oder Zwiebel erscheinen. Dabei ist das Äußere mit Ornamenten bedeckt, unter denen man hier byzantinische, dort modern-italienische, arabische und andre Formen findet, und die mit grellen, bunten Farben bemalt sind, während jene Kuppeln meist in goldenem Glanz funkeln. Auf gleiche Weise wurden auch die Paläste und andre Bauten von Bedeutung, geschmückt. Diese Bauweise hatte sich über ganz Rußland verbreitet, als Peter d. Gr. im Anfang des 18. Jahrh. dort modern-europäische Kultur einzuführen begann, in deren Gefolge denn auch der modern-europäische Baustil allmählich einen überwiegenden Einfluß auf die russische Kunst gewann.
Die neue Religion des Islam, welche sich seit 610 zunächst über Arabien verbreitete, brachte eine neue Weise der Gottesverehrung, und diese bedurfte einer neuen Gestaltung der Kunst (s. Tafel VIII). Aber das Volk der Araber besaß jene eigne, höhere Kultur nicht, die zu solchen Unternehmungen die Mittel hätte liefern können, und es blieb ihnen somit vorerst nichts übrig, als die Kunstformen, welche sie in den von ihnen beherrschten Ländern vorfanden, für ihre Zwecke zu benutzen. Dies waren aber vornehmlich wieder die Formen der spätern Römerzeit. Hiermit verband sich ein speziell orientalisches Kunstelement. Zum Teil hatten bereits die Römerbauten in Asien und Afrika eine mehr oder weniger deutliche orientalische Färbung erhalten, teils konnte es nicht fehlen, daß dies Element durch die unmittelbare Berührung mit den alten Kulturvölkern Asiens noch mehr hervortrat, und wie sich im Verlauf der Zeit die mohammedanischen Nationen selbständig entwickelten, so ging aus diesen Grundelementen auch eine eigentümliche Richtung der Kunst hervor. Die [492] Kunst des Islam steht somit, was ihre Ursprünge anbetrifft, zu der des christlichen Altertums in sehr naher Beziehung, wurde aber durch den Mangel aller bildlichen Darstellung, vornehmlich der Darstellung menschlicher Figuren, welche in der Religion des Islam aufs entschiedendste verboten war, an einer höhern Vollendung gehindert. Bei ihren Monumentalbauten, vornehmlich den Moscheen, begegnen wir zwei Haupttypen, deren einer dem altchristlichen Basilikenstil, deren andrer dem byzantinischen Baustil nähersteht. Jener scheint der ursprüngliche und mehr den westlichen Gegenden des Islam angehörige, dieser erst später allgemein geworden und der den östlichen Gegenden eigentümliche gewesen zu sein; doch unterscheidet sich die erstere Hauptform in mehreren wesentlichen Punkten von der Anlage der christlichen Basiliken. Während bei den letztern das Gebäude ein in sich geschlossenes Ganze bildet und sich demselben als unabhängiger Raum ein Vorhof anschließt, hat hier das Gebäude der Moschee in sich keinen architektonischen Mittelpunkt und keinen Schluß; es ist eigentlich nur ein großer, viereckiger, von mehrfachen hintereinander liegenden Arkadenreihen umgebener Hof. Die einzelnen Schiffe, welche die Arkadenreihen bilden, sind voneinander nicht unterschieden, und das Heiligtum (die Nische, die nach Mekka hindeutet, und wo insgemein der Koran aufbewahrt wird) ist, wenn auch reichdekoriert, doch für die architektonische Gesamtanlage als solche kein wichtiger, beziehungsreicher Punkt. Indem die ganze Anlage also nur die architektonische Dekoration eines offenen, heitern Platzes, der durch eine starke Mauer von dem Treiben des gewöhnlichen Verkehrs abgesondert ist, darstellt, befindet sich dabei stets, wie aus den Vorhöfen der altchristlichen Basiliken, ein mit einer kleinen Kuppel überwölbter Brunnen. Die umschließende Mauer hat im Äußern, mit Ausnahme der Portale und der Zinnen, keine architektonische Ausbildung, und nur der schlanke Turm, der sich an ihrer Seite in die Lüfte erhebt, und von dem herab der Muezzin die Stunden des Gebets verkündet (das Minaret), gibt dem Gebäude nach außen hin eine Auszeichnung. Bei der zweiten Hauptform enthält der Körper des Gebäudes eine in sich geschlossene Architektur, indem der Hauptarm durch eine Kuppel überdeckt ist, die Nebenräume gleichfalls überwölbt und mit jenem auf ähnliche Weise verbunden sind wie bei den Anlagen des byzantinischen Stils. Vor dem Gebäude ist auch hier durchweg ein von gewölbten Portiken umgebener Vorhof. Das Äußere erscheint hier zum Teil in zierlicher Ausbildung, insbesondere bilden die Minarets, welche zu 2, 4, 6 an den Ecken des Gebäudes emporschießen, gegen dessen imposante Hauptmasse einen zierlich bewegten Gegensatz. Wenn demnach die Hauptformen der mohammedanischen Architektur, etwa mit Ausnahme des Minarets, keine besondern neuen Eigentümlichkeiten in die Kunst einführen, so ist dies gleichwohl im Detail der Fall. Hier zeigt sich überall und schon in den frühern Zeiten der orientalische Geist, aus dem der Islam hervorgegangen war, und der bei Überdeckung der Arkaden, Thür- und Fensteröffnungen zu neuen Bogenformen führte. Selten genügte hier die Form des ruhigen und schlichten Halbkreisbogens, dessen sich die antike und altchristliche Kunst bedient hatten; der bewegliche Geist der Orientalen verlangte nach Formen, die dem Auge ein lebendigeres Linienspiel gegenüberstellten. Die eine dieser neuen Bogenformen, der sogen. Hufeisenbogen und Kielbogen (s. Tafel VIII, Fig. 1 u. 2), die einen größern Abschnitt des Kreises als der Halbkreis bilden, besitzt etwas eigentümlich Keckes und Kräftiges, womit ganz wohl übereinstimmt, daß man sie vorzugsweise in den westlichen Gegenden, namentlich bei den Bauwerken der ritterlichen Mauren in Spanien, angewandt findet. Eine dritte Bogenform ist der aus zwei Bogenstücken bestehende, ohne Zweifel auf orientalischen Vorbildern beruhende Spitzbogen, dessen konsequente Anwendung sich zuerst in denjenigen Bauresten zeigt, die in Persien aus der Zeit der Sassaniden (226–651 n. Chr.) erhalten sind. Auch in Ägypten erscheint er bereits an Monumenten aus der frühsten Zeit der Herrschaft des Islam, vollkommen sicher aber an solchen, die dem Anfang des 9. Jahrh. angehören. Im allgemeinen kommt er mehr an den östlichen Monumenten des Islam vor, an welchen er teils rein und einfach, teils mit hufeisenförmigem Ansatz, teils oberwärts gedrückt, sehr häufig auch mit aufwärts geschweifter Spitze auftritt, während bei der Anwendung dieser Bogenformen, insbesondere bei ihrem Verhältnis zu den stützenden Pfeilern oder Säulen, eine große Verschiedenheit und viel Willkürlichkeit obwalten. Ein organisches Verhältnis zwischen Bogen und Stütze (wie in der ausgebildeten romanischen und in der germanischen B.) entwickelt sich nicht, vielmehr bleiben beide Teile sich ihrem Wesen nach ebenso fremd wie in der spätrömischen und altchristlichen Kunst. Alle weitere Ausbildung des Details der mohammedanischen B. ist nicht als eine architektonische, sondern als eine ornamentistische zu bezeichnen, da alle Flächen, alle Teile der Architektur, die nur zur Aufnahme eines spielend bewegten Schmuckes geeignet waren, mit solchem überdeckt wurden, und in der That hat die mohammedanische Kunst hierin einen Reichtum, häufig auch einen Schönheitssinn entwickelt, der höchste Anerkennung verdient. Gleichwohl bewegt sich auch diese Ornamentbildung in einem bestimmten und sogar trotz ihres Reichtums ziemlich eng abgegrenzten Kreis; fast überall beruht das Prinzip auf einer einzelnen schematischen Regel, auf einer abstrakten Formel, die kein Gesetz lebendiger Entwickelung in sich trägt und durch ihre stete Wiederholung zuletzt ermüdet (s. Arabesken). An den wichtigsten Stellen der Räume und der architektonischen Teile, welche in dieser Weise verziert sind, erscheinen die das belebende Bildwerk ersetzenden Inschriften, Stellen aus dem Koran oder Verse, die einen besondern Bezug auf das Lokal und seinen Erbauer haben. Die Säulenkapitäler erscheinen oft auf ähnliche Weise dekoriert, nicht minder die aus der Antike beibehaltene schwere Fläche der Bogenlaibung. Die letztere wird gern durch kleine Zackenbogen ausgefüllt, die bald wie feine Reifen nebeneinander liegen, bald in größerer Dimension aus der Masse hervortreten. Hierher gehört auch eine auf einzelne Bogen oder auch größere Räume angewandte zellgewebartige Ausbildung der Gewölbeform (s. Tafel VIII, Fig. 4), die ursprünglich, wie es scheint, an solchen Stellen in Anwendung kam, wo ein Übergang aus rechtwinkelig zusammenstoßenden Flächen zu einer größern Gewölbemasse nötig war, und wobei kleine, gleiche, selbständig abgeschlossene Gewölbestückchen so lange übereinander gesetzt wurden, bis der nötige Raum ausgefüllt war, oder wobei sich auch die obere Spitze des einen Gewölbestücks, die dem andern zum Ansatz dient, hängend niedersenkt, so daß das Ganze den Eindruck von Tropfsteinbildungen gewährt.
Die maurischen Architekturen Spaniens unterscheiden sich von denen der übrigen mohammedanischen [493] Völker ebenso wie die Geschichte und das Leben des Volks, das sie errichtet. Die imposanten Kuppeln, die zierlich spielende Form des Minarets finden wir hier zwar nicht; aber die Arkaden haben mehr oder weniger das Gepräge einer Sicherheit und Bestimmtheit, welche den Bauten des Orients nicht in gleichem Maß eigen zu sein pflegt. Unter den ältern Bauwerken ist die Moschee von Cordova hervorzuheben, deren Anlage sich auf die oben besprochene ursprüngliche Form der Moscheen gründet, während das Hauptgebäude von dem Vorhof bereits abgeschlossen ist und eine bedeutende Ausdehnung nach der Tiefe gewonnen hat (s. Tafel VIII, Fig. 5). Zwischen 936 und 976 ward ein Herrscherpalast, Azzahra genannt, 5 Meilen unterhalb Cordova am Guadalquivir errichtet, der 4312 Säulen enthalten haben soll, und welchen die Erzählungen arabischer Schriftsteller als das Höchste schildern, was Pracht und Glanz hervorzubringen vermochten. Das in der zweiten Hälfte des 13. Jahrh. erbaute und später erweiterte Königsschloß der Alhambra (s. d. und Tafel VIII, Fig. 6–12) erhebt sich noch heute über Granada und zeigt uns die spätere Entwickelung der maurischen Architektur in ihrer ganzen romantischen Pracht. Charakteristisch für die letzte Zeit der maurischen Architektur sind einige zum Teil bereits unter christlicher Herrschaft aufgeführte Monumente von Sevilla, worunter der Alkazar („königliches Schloß“) gehört, an dessen von Hallen und Galerien umgebenem Hof die modernen Elemente schon deutlich hervortreten, während der Audienzsaal sich durch die edle und gemessene Behandlung der maurischen Formen auch sehr vorteilhaft auszeichnet.
Der Stil der mohammedanischen Monumente Ägyptens steht ungefähr in der Mitte zwischen den Stilen der maurischen Architektur und der ostasiatischen Länder. Besonders wichtig sind die Monumente von Kairo, unter ihnen der Nilmesser (Mequyas) auf der Insel Rodah, ein viereckiger, brunnenartiger Bau mit Treppen, spitzbogigen Nischen an den Wänden und einer großen, reichverzierten Säule in der Mitte, an welcher man das Steigen und Fallen des Wassers beobachtete. Für die älteste unter den Moscheen von Kairo gilt die 643 gegründete, nach einem Brand 897 erneute Moschee Amru, deren Säulen von antiken Gebäuden entnommen sind und hohe, breite Spitzbogen mit hufeisenförmigem Ansatz tragen, deren Spitze sich jedoch wenig über die Kreislinie erhebt. Zwischen den Säulen und Bogen ist ein hoher, würfelförmiger Aufsatz, offenbar eine Nachbildung jenes hohen, über den Kapitälern der spätern Zeit des altägyptischen Stils so häufig vorkommenden Aufsatzes, angebracht. Ungleich merkwürdiger ist die 885 gegründete und angeblich durch einen christlichen Architekten vollendete Moschee Tulun, bei welcher die den Hof umgebenden Arkaden nicht durch Säulen, sondern durch breite Pfeiler gebildet sind, über denen sich die einfachen, ebenfalls breiten Spitzbogen erheben. In die Ecken der Pfeiler sind kleine Säulen eingelassen, das frühste, in der mohammedanischen Architektur sehr seltene Beispiel einer architektonischen Vermittelung der Pfeilerflächen, die in der romanischen Architektur des Occidents zu eigentümlichen Formenbildungen führte. Diesen ägyptischen Monumenten reiht sich die große Moschee von Damaskus in Syrien an, deren Grundriß ebenfalls einen von Säulenhallen umgebenen Hof darstellt.
Auf Sizilien, das die Araber 827 eroberten, haben sich unfern Palermo zwei arabische Schlösser, Zisa u. Kuba, erhalten, welche, mit Ausnahme einzelner Veränderungen aus späterer Zeit, das Gepräge des arabischen Stils tragen und hohe, kubische Massen mit Erkertürmen auf den Seiten bilden, während die Außenwände mit flachen, spitzbogigen Nischen versehen sind. In der Mitte des Innern befindet sich eine reichgeschmückte Halle (oder Hof). Bei den Moscheen der europäischen Türkei, vornehmlich den Prachtbauten von Konstantinopel, welche den spätern Zeiten der mohammedanischen Kunst angehören, ist der byzantinische Kuppelbau vorherrschend, und zwar bildet das Gebäudeganze stets dasselbe nicht sehr organische Konglomerat von Kuppeln, Halbkuppeln und Bogen, während nur die Hauptkuppel durchweg in einem höhern, freiern Bogen emporsteigt als diejenige der Sophienkirche. Das orientalische Gepräge erhalten diese Moscheen durch die Minarets, die den Körper des Gebäudes schlank und frei umstehen, durch die mehr oder weniger arabische Bildung des Details und durch die Anwendung von Inschriften statt des Bildwerks.
In Indien ist das Gebiet des Gangesstroms vorzüglich reich an den prächtigsten Monumenten, unter denen einige noch aus den frühern Zeiten der Herrschaft des Islam in Indien, aus der Periode der vom Schluß des 12. bis zum Schluß des 14. Jahrh. blühenden Patanendynastie, herrühren. In Dehli, der Residenz der Herrscher dieses Geschlechts, finden sich zur Seite der spätern Prachtbauten noch einzelne Monumente jener Zeit, unter denen der sogen. Kutab-Minar, das Minaret, welches Kutab als die stolze Triumphsäule des Islam errichtete, hervorragt. Die Monumente, die unter der Herrschaft der Großmoguls errichtet wurden, gehören zu den schönsten Erzeugnissen der mohammedanischen Kunst und zeigen vorherrschend den Kuppelbau. Die Masse des Gebäudes steigt in der Regel als ein fester, viereckiger Körper empor, dessen Außenseiten mit Nischenwerk oder mit regelmäßig wiederkehrenden Öffnungen versehen und mit zierlichen Zinnen gekrönt sind, worüber sich zuweilen in verjüngtem Maßstab noch einige Absätze von ähnlicher Einrichtung erheben, während der mittlere Teil von einer mächtigen Zwiebelkuppel bekrönt wird. Die auf den Ecken gewöhnlich angeordneten Minarets reihen sich dem Ganzen in harmonischer Weise an und zeigen nicht jenes übertrieben schlanke Verhältnis der türkischen. Die Portale bilden gewöhnlich einen Vorbau von beträchtlicher Erhebung und werden durch eine große, spitzbogige Nische gebildet, in deren Grund die verhältnismäßig kleine Thüröffnung sich befindet, und deren Seiten durch Minarets eingefaßt zu sein pflegen. Die Bogenform ist durchgängig die des Spitzbogens, der in der Regel flach und oben mit etwas geschweifter Spitze gebildet ist (s. Tafel VIII, Fig. 2), sodann stets einen rechtwinkeligen, durch breite Bänder gebildeten Rahmen erhält, der wieder in Harmonie mit dem gemessenen Charakter der Gesamtanlage steht. Die berühmtesten dieser Bauwerke gehören der Regierung Schah Akbars d. Gr. (1556–1605) und seines Sohns, des Schahs Jehan (1605–58), an und finden sich in Dehli und Agra sowie in deren Umgebung. Schah Jehan ließ zu Dehli 40 große Moscheen errichten, unter welchen die sogen. „große Moschee“ (die Jamna oder Dschamna) den in Rede stehenden Stil in seiner glänzendsten Entwickelung zeigt (s. Tafel VIII, Fig. 15). Denselben Baustil sehen wir gleichzeitig in Persien verbreitet u. durch ihn die Herrschaft der Sofidynastie verherrlicht. Im höchsten Glanz erscheinen hier vornehmlich die stolzen Bauten, mit denen Schah Abbas d. Gr. (1585–1629) seine Residenz Ispahan schmückte.
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Als im 10. Jahrh. die alten und die neuen Kulturverhältnisse sich voneinander zu scheiden begannen, neue Staaten sich bildeten und im Bereich der Kunst mit frischer Kraft die Formen, welche in den Werken der altchristlichen Kunst vorlagen, wieder aufgefaßt und zu einem lebensvollern Organismus umgebildet wurden, entwickelte sich zunächst eine in ihren Hauptzügen übereinstimmende Richtung der Kunst, welche noch unmittelbar auf den Elementen der frühern, altchristlichen Kunst mit ihren aus der Antike herübergenommenen Formen beruhte, aber den Geist der neuen Zeit in der mehr oder minder freien Umbildung der alten Formen offenbarte. Indem man diesen Stil mit dem Namen des romanischen (s. Tafel IX) bezeichnet, folgt man dem Vorgang der Sprachwissenschaft, welche die Idiome, die sich gleichzeitig aus der alten Römersprache bildeten, mit demselben Wort benennt. Die Basilika erscheint zunächst noch als die Grundlage des Systems der romanischen Architektur, die architektonische Struktur tritt aber bald in einer wesentlich abweichenden Form auf, indem sie an die Stelle einer flachen Bedeckung der Räume das Gewölbe setzt. Die Träger der Arkaden, jetzt gegliederte Pfeiler statt der Säulen, werden an den Wänden des Mittelschiffs bis zur Decke hinaufgeführt und dort durch weite, über das Schiff der Kirche hinausgesprengte Rundbogen miteinander verbunden, während der zwischen diesen Bogen enthaltene Raum nicht, wie bei den Byzantinern, durch Kuppeln, wovon jede in sich abgeschlossen erscheint, sondern durch Kreuzgewölbe überbaut wird, die eine zusammenhängende, in der Halbkuppel der Altartribüne auslaufende Reihe von Gewölben bilden. Während die niedern Seitenschiffe auf ähnliche Weise überwölbt werden, wird in der Durchschneidung von Querschiff und Langschiff zwar die dem byzantinischen System entsprechende Kuppel angewandt, welche gleichsam den Gipfelpunkt der in den Gewölben entwickelten Kräfte bezeichnet; doch hat sie in der Regel nicht die ungegliederte Form der byzantinischen Kuppel, vielmehr pflegt auch sie, den Kreuzgewölben entsprechend, aus einzelnen in der Mitte zusammenstoßenden und hier in einem gemeinsamen Schlußstein vereinigten Gewölbekappen zusammengesetzt zu sein. Völlig konsequent finden wir dies System zuerst in der zweiten Hälfte des 11. Jahrh. in der Normandie, wo sich, nachdem das germanische Volk der Normannen daselbst seine Herrschaft gegründet, eine eigentümliche Blüte des Lebens entfaltete. In Italien kennen wir Bauten dieses Stils vornehmlich nur in der Lombardei, wo ebenfalls das germanische Element von vorwiegender Bedeutung war. In der Bildung und Behandlung des architektonischen Details treten zum Teil sehr bedeutsame Umbildungen der alten Form insbesondere da hervor, wo eine unmittelbare Einwirkung der Bogenform sichtbar wird, so zunächst an der Bildung der Säulenkapitäler. Nicht selten zwar, besonders in den Gegenden, wo das antike Element vorwiegt, sind die romanischen Kapitäler den antiken mehr oder weniger frei nachgebildet; häufiger jedoch und vornehmlich, wo das germanische Element das Übergewicht hat, erhalten sie die Form des sogen. Würfelkapitäls (Tafel IX, Fig. 1), die auf einen harmonischen Übergang aus der cylindrischen Form der Säule in den prismatischen Anfänger des Bogens berechnet ist: die Form eines an seinen untern Ecken abgerundeten Würfels, wodurch die Seitenflächen desselben nach unten durch Halbkreise begrenzt werden. Erst in der spätern Zeit des romanischen Stils nähert sich das Kapitäl wieder mehr der Kelchform. Der Bogen hat vorherrschend die Form des Halbkreises, neben dem sich als Nebenform der aus der mohammedanischen Architektur herübergenommene orientalische Spitzbogen am häufigsten da findet, wo die Kunst des Islam eine unmittelbare Einwirkung auf die romanisch-christliche auszuüben vermochte, wie in Sizilien. Der romanische Bogen zeigt sich zunächst noch ebenso schwer und massiv wie in der altchristlichen und römischen Kunst, namentlich bei den Bogen der Arkaden, welche die Schiffe voneinander trennen, sowie bei den breiten Gurtbogen der Decke, zwischen welche die Kreuzgewölbe eingespannt sind; wo aber der Bogen die dem Äußern zugewandten Öffnungen des Gebäudes, besonders die Portale, überdeckt, zeigt er sich von vornherein in reicherer und flüssigerer Gestalt. Die Seitenwände des Portals, weit abgeschrägt, laden den Beschauer gleichsam in das Innere ein, stufen sich in Pfeilerecken ab und ersetzen diese durch einen bald mehr, bald weniger reichen Wechsel von Säulen und Pfeilern, während die Wölbung des Portals dieselben wechselnden Formen wiederholt. Das romanische Ornament zeigt oft eine phantastische, wahrscheinlich auf den ursprünglichen Eigentümlichkeiten der germanischen Nationalität beruhende Richtung, indem Tier- und Menschengestalten, fabelhafte Gesichtsmasken, Drachen und ungeheuerliche Bildungen aller Art sich nicht selten mit einem vielfach geschwungenen und gewundenen Blattwerk zu anziehenden Phantasiespielen vereinigen. Auch in dem Verhältnis der bildenden Kunst zur Architektur zeigt sich ein höherer Grad der Entwickelung als in der altchristlichen Kunst, welche zunächst und insbesondere den bildnerischen Schmuck der Portale betrifft, dem hier eine bestimmte Stelle angewiesen wird, und durch den die reiche Architektur des Portals erst ihre Ausbildung erhält. Der zunächst an Kirchenbauten entwickelte Baustil wurde dann auch auf die Gebäude von geringerm Umfang, so auf die Baptisterien, die heiligen Grabkirchen, die Klöster und hier namentlich auf die Kapitelsäle und die sogen. Kreuzgänge übertragen und zeigt eine glänzende Entfaltung an den Prachträumen fürstlicher Schlösser und selbst an den Fassaden bürgerlicher Wohnhäuser.
In reichster Pracht romanischer Architektur erscheinen unter anderm zunächst die der ersten Hälfte des 13. Jahrh. angehörigen Klosterhöfe von San Paolo außer den Mauern und von San Giovanni in Laterano zu Rom, die Basilika San Piero in Grado in Toscana, der Dom zu Pisa und die Kirche San Miniato zu Florenz. Unter den romanischen Monumenten von Venedig, welche eine entschiedene Entwickelung dieses Stils zeigen, dabei aber im einzelnen manche Motive der mohammedanischen Architektur enthalten, ist die 976 begonnene und 1071 in ihrer ursprünglichen Anlage vollendete Kirche San Marco hervorzuheben, deren Grundplan ein griechisches Kreuz bildete, worüber sich, zum Teil von Säulen unterstützt, fünf Kuppeln erheben, die im Innern samt den obern Teilen der Wände mit Mosaiken auf Goldgrund geschmückt sind, während die untern Teile der Wände und Fußböden mit den feinsten Marmorplatten belegt sind. Die großartigen und prachtvollen Denkmäler, welche die Normannen, vornehmlich im Verlauf des 12. Jahrh., in Sizilien errichteten, sind im römisch-christlichen, im byzantinischen oder mohammedanischen Stil aufgeführt. Das glänzendste Beispiel dieses normännisch-sizilischen Baustils geben der um 1174 begonnene und in kurzer Frist beendete Dom von Monreale, unfern von Palermo, und die [495] Kathedralen von Messina und Palermo. Unter den romanischen Bauten der Lombardei sind der gegen den Schluß des 11. Jahrh. begonnene Dom von Modena, der in der ersten Hälfte des 12. Jahrh. begonnene Dom von Cremona, der 1122 begonnene Dom von Piacenza, der in der zweiten Hälfte des 12. Jahrh. begonnene Dom von Parma, der Dom von Ferrara zu nennen, während das bedeutendste Erzeugnis romanischer Architektur in Spanien die Kathedrale von Tarragona ist. Eins der ältesten Monumente der romanischen B. in Frankreich ist die Kirche St.-Front zu Périgueux (in Guienne). Zu den Monumenten des südöstlichen Frankreich, welche im einzelnen noch die den alten Römerbauten jener Gegend entlehnten Motive erkennen lassen, gehören die Kirche Notre Dame du Port zu Clermont in der Auvergne, die Kirchen von Issoire, Brioude und Puy en Velay. Die Monumente im westlichen Frankreich sind schwerer in den Formen, willkürlicher in der Komposition und überladen mit bildnerischem Schmuck. Das hervorragendste Beispiel einer solchen noch völlig barbarischen Pracht ist die Kirche von Notre Dame la Grande zu Poitiers. Wesentlich verschieden sind die Monumente im nördlichen Frankreich, wo das germanische Volk der Normannen ein selbständiges Kulturleben begründete. Ihre Werke zeigen das System der gewölbten Basilika, das hier jedoch mit einer schlichten, strengen Konsequenz ausgebildet ist, so daß wir die Normandie wenn auch nicht als den Ort der Erfindung, so doch als das Gebiet der ersten selbständigen Ausbildung dieses Systems betrachten müssen. Eins der frühsten Beispiele der romanischen Kunst ist die zwischen 1050 und 1066 erbaute Kirche St.-Georges von Bocherville, unfern von Rouen, während die ältern Teile der Kathedrale von Bayeux aus der zweiten Hälfte des 12. Jahrh. stammen. Das umfassendste Beispiel des normännischen Baustils, wie er sich unter der Normannenherrschaft in England entfaltete, bietet die 1096 gegründete und im Lauf des 12. Jahrh. ausgebaute Kathedrale von Norwich. Die ältesten deutschen Gebäude der in Rede stehenden Periode gehören dem Schluß des 10. Jahrh. an, treten uns aber bereits in so bestimmter Physiognomie entgegen, daß wir ältere Bestrebungen voraussetzen müssen, welche zu der Ausbildung der ihnen eigentümlichen Richtung geführt haben. Eins der ersten romanischen Denkmäler des nördlichen Deutschland, welches die ersten und wichtigsten Zeugnisse jener Frühzeit der deutschen Kultur bewahrt, ist die Schloßkirche von Quedlinburg, die zwischen 997 und 1021 erbaut ist und sich durch den Reichtum der Anlagen auszeichnet. Ähnlichen, doch fast noch rohern Stil zeigen die bereits 936 erwähnte, vielverbaute Kirche von Westergröningen bei Halberstadt, die wahrscheinlich 960 gegründete alte Schloßkirche zu Gernrode und die 1014 erbaute Liebfrauenkirche zu Magdeburg. Die uns bekannten Bauten in den alemannischen und schwäbischen Landen gehören, wie der nach 1052 erbaute Dom zu Konstanz, der zweiten Hälfte des 11. Jahrh. und dem Verlauf des folgenden Jahrhunderts an. Eine Säulenbasilika von großartigen Verhältnissen und strengem Stil ist die um 1105 erbaute Klosterkirche von Paulinzelle in Thüringen, deren reichgebildetes Portal samt der vor demselben befindlichen Vorhalle der spätern Zeit des 12. Jahrh. angehört. Auch die zwischen 1073 und 1109 erbaute Kirche St. Jakob zu Bamberg und die zwischen Ansbach und Nürnberg gelegene, 1136 geweihte Kirche von Heilsbronn sind Säulenbasiliken. Dagegen hat die 1121 geweihte Kirche St. Michael in Bamberg wieder Pfeiler, deren Gliederung jedoch bereits mehr ausgebildet ist. Die hierher gehörigen Denkmäler der Stadt Hildesheim sind die Säulenbasilika auf dem Moritzberg, der Dom, worin Pfeiler mit je zwei Säulen wechseln, und die 1133 gegründete Kirche St. Godehard (s. Tafel IX, Fig. 1). Der Dom von Trier mit seinen der Antike nachgebildeten Pilastern ist ein wertvoller Bau der frühromanischen Periode. Die bedeutendste Entfaltung des Baues gewölbter Basiliken finden wir an den drei mittelrheinischen Domen zu Mainz (s. Tafel IX, Fig. 6 u. 7), Worms und Speier. Verwandten Stil mit den deutsch-niederrheinischen Bauten zeigen die romanischen Kirchen der benachbarten belgischen Lande, besonders die Kirche St. Servatius zu Maastricht, Notre Dame la Chapelle zu Brüssel und die Kathedrale von Tournay, während der höchste Glanz und Adel romanischer Dekoration sich an dem alten Teil, insbesondere dem Portal des der letzten Periode des romanischen Stils angehörenden Doms von Freiberg im sächsischen Erzgebirge, der sogen. „goldenen Pforte“ (s. Tafel „Bildhauerkunst IV“, Fig. 4 u. 5), entfaltet. Wo sich bei diesen deutsch-romanischen Monumenten der Spitzbogen angewendet findet, erscheint derselbe als eine mehr oder weniger untergeordnete, fast zufällige Form, welche auf organische Weise in die künstlerische Struktur dieser Bauwerke nicht verflochten ist, während derselbe bei einer andern Reihe von Monumenten, vorzugsweise Sachsen, Thüringen, Hessen und Franken angehören, eine höhere Bedeutung gewinnt. Man hat diese seit der Mitte des 12. Jahrh. auftretende Verbindung des durch die Kreuzzüge aus dem Orient mitgebrachten Spitzbogens mit den Elementen der romanischen B. den Übergangsstil genannt. Zu den frühsten Bauwerken derselben sind die noch dem 12. Jahrh. angehörige Stiftskirche St. Peter zu Fritzlar in Hessen, ferner die als Ruine noch vorhandene Kirche vom Kloster Memleben an der Unstrut, das Schiff und Querschiff des Doms von Naumburg, der westliche Bau und das Querschiff der Kirche zu Freiburg an der Unstrut, der Dom zu Bamberg (s. Tafel IX, Fig. 3–5) als das reichste und glänzendste Beispiel sowie die alten Teile von St. Sebald zu Nürnberg zu rechnen, während unter den Bauten des südlichen Deutschland und der angrenzenden Länder die Pfarrkirche zu Wiener-Neustadt, die alten Teile an der Westseite von St. Stephan zu Wien, der angeblich aus dem Anfang des 11. Jahrh. herrührende Dom zu Basel (s. Tafel IX, Fig. 8), die Kirche zu Gebweiler im Elsaß, das Querschiff des Doms zu Freiburg i. Br., das Querschiff und das Chor des Doms zu Straßburg sowie die Pfarrkirche zu Gelnhausen hervorzuheben sind. An den ältern Teilen, zumal dem Chor des Doms von Magdeburg, obgleich schon 1208 oder 1211 begonnen, zeigt sich das Element des gotischen Stils bereits überwiegend, ebenso an einzelnen Klostergebäuden der deutsch-romanischen Architektur, insbesondere an den Kreuzgängen, welche die Klosterhöfe umgeben. Obwohl die Denkmäler romanischer Architektur in den skandinavischen Ländern, soweit uns nähere Kunde über dieselben vorliegt, nicht von sonderlicher Bedeutung sind, so gewähren doch einige kleinere, in dem Innern von Norwegen erhaltene Monumente, die aus Holz gebauten Kirchen zu Borgund und Urnes im Stift Bergen sowie zu Hitterdal in Tellemarken, ein kunsthistorisches Interesse. In Schweden existieren einige rohe Granitbauten, welche der Zeit um die Mitte des 12. Jahrh. angehören und, ohne weitere Ausbildung, nur in der Form des Rundbogens das Gepräge des [496] romanischen Stils tragen, z. B. die alte, unter Erich dem Heiligen nach 1155 vollendete Kirche bei Upsala, die Ruinen des Klosters Alwastra, die Kirche des Klosters Wreta in Ostgotland sowie die Ruinen des Klosters Nydala in Småland. Die ältesten Bauten Dänemarks, von denen wir Kunde haben, sind dem Stil der norddeutschen verwandt, so die um 1110 gegründete Kirche von Westerwig an der westlichen Bucht des Limfjords und die Krypte der Kirche von Viborg in Jütland. In Grönland hat man die Ruinen dreier Rundgebäude entdeckt, die, aus dem frühern Mittelalter herrührend, vermutlich zu dem Zweck der Baptisterien erbaut worden waren. Merkwürdiger jedoch als diese ist ein andrer, vielleicht von Bischof Erik um 1121 errichteter Bau zu Newport auf Rhode-Island, an der Küste der nordamerikanischen Freistaaten, der gegenwärtig noch erhalten ist und in einem Rundbau von 7 m Durchmesser besteht, der von acht schweren Rundpfeilern mit roher Deckplatte, über denen sich Halbkreisbogen wölben, getragen wird.
Der gotische Baustil (s. Tafel X und die beiden Tafeln „Kölner Dom“ bei Art. „Köln“), welcher in der letzten Hälfte des 12. Jahrh. unmittelbar auf die vollendete Entfaltung des romanischen folgte und zum Teil sogar gleichzeitig mit ihm hervortritt, knüpft zunächst an das System der gewölbten Basilika, wie sich dasselbe in der romanischen Periode entwickelt hatte, an. Der Grundplan der kirchlichen Monumente, die Hauptdisposition der Räume bleiben im wesentlichen dieselben; aber ungleich entschiedener als bisher tritt das Gefühl für das Ganze des architektonischen Werks und für das gegenseitige Verhältnis seiner Teile hervor, ungleich lebensvoller erscheint der Organismus, der dasselbe durchdringt, ungleich wirksamer entfaltet sich die aufwärts strebende Bewegung, welche den Geist und die Sinne des Beschauers zum Himmel emporzuziehen bestimmt ist. Die Pfeiler und Halbsäulen, welche die Bogen und Gewölbe aufnehmen, steigen bei dem gotischen Kirchenbau selbständig und frei empor, und ihre Bewegung setzt sich in den Linien des Gewölbes fort. Die belebte Teilung der Gewölbemasse, die bereits der romanische Baustil durch die Anwendung des Kreuzgewölbes gewonnen hatte, wird entschiedener dadurch hervorgehoben, daß nicht bloß Quergurte (zur Sonderung der Hauptteile des Gewölbes), sondern daß auch Kreuzgurte (zur Bezeichnung der Einzelteile desselben) eingeführt werden. Dieses System der verschiedenen Gurtungen bildet den eigentlichen festen Kern des Gewölbes; zwischen sie werden nur leichte Gewölbekappen von dreieckiger Gestalt zum Schluß der Decke eingesetzt. Somit kommt hier das Gewölbe nicht mehr als eine Masse in Betracht, sondern vorzugsweise nur die Struktur seiner Gurte, in welche sich die aufsteigende Bewegung der Pfeiler auflöst, und in welcher der Gewölbedruck auf die einzelnen Punkte der Pfeiler, von denen sie ausgingen, zurückwirkt. Indem somit die Masse des Gewölbes sich gliedert, genügen zu deren Stütze an der äußern Seite des Gebäudes einzelne Strebepfeiler, die zugleich Teile der Umfangsmauer bilden und im Innern als Träger der Gewölbegurte gegliedert sind, während sie nach außen die feste, widerstandsfähige Gestalt des Mauerkörpers bewahren. Die zwischen den Strebepfeilern gelegenen Teile der Umfangswände bieten somit die Gelegenheit zu weiten und hohen Fenstern, während nur eine leichte Füllmauer und untere Brüstung der Fenster eingeschaltet wird. Mit dieser Reduktion der belastenden und Konzentration der widerstehenden Massen stand der ruhig abschließende Halbkreisbogen im Widerspruch, der überdies eine Überwölbung verschiedener Spannweiten bei gleicher Höhe der Bogen nicht zuließ. Indem man sich dem kühner aufsteigenden Spitzbogen zuwandte, den man bereits vielfach vorgebildet fand, hatte man eine Bogenform gewonnen, welche große Abwechselung in Höhe und Weite der Bogen zuließ, ohne ihren Charakter zu verändern. Gurtgewölbe, Strebepfeiler und Spitzbogen bilden somit charakteristische Elemente der gotischen Architektur, die sich daneben auch des Pfeilers oder der Säule bedient, an welche sich leichte Halb- oder Dreiviertelsäulchen zum Tragen der Gewölbegurte anlehnen. Der Pfeiler erscheint in solcher Gestalt als ein gegliedertes Ganze, welches auch bei Bildung seines Details als ein Ganzes behandelt wird. Das Kapitäl bildet eine leichte, umherlaufende Blätterkrone, die sich kelchförmig ausweitet und mit wenigen und leichten Deckgliedern versehen ist (s. Tafel „Kölner Dom I“), während der Fuß nur unbedeutend ausladet und mit dem Pfeilerschaft durch Vermittelungsglieder verknüpft ist. Was die Form der Bogen und Gurte des Gewölbes betrifft, so wird in der gotischen B., wo Bogen und Pfeiler in einem unmittelbarern Zusammenhang stehen als in der romanischen, eine derjenigen der Pfeiler ähnliche Gliederung angenommen, welche im Gegensatz zu der starren Breite des romanischen Pfeilers in ihrer Hauptform schräge Seitenflächen hat, die sich einer gemeinsamen Kante zuneigen. Die einfachste Gliederung erhalten die relativ schwächern Kreuzgurte des Gewölbes, reicher sind die stärkern Haupt- oder Quergurte desselben, noch reicher und mannigfaltiger die starken Bogen gegliedert, welche die Pfeiler verbinden, und auf denen zugleich die Oberteile des Mittelschiffs ruhen. Dasselbe Bildungsgesetz wie an den Gewölbebogen erscheint an der Einfassung der Fenster, während man in die Fensteröffnung ein Stabwerk einfügt, welches in schmalen Säulchen besteht, die oben durch Spitzbogen verbunden sind. Zwischen die letztern und die großen Spitzbogen der Fenstereinfassung werden kreisförmige und andre geometrische Figuren bildende stabartige Glieder, das sogen. Maßwerk, eingespannt, welche dem Ganzen Halt gewähren. Unter den Fenstern, welche die Oberteile des Mittelschiffs einnehmen, pflegt (wenigstens bei den völlig durchgebildeten Bauwerken) eine durchbrochene Galerie oder ein galerieähnliches Nischenwerk eingeschlossen zu sein, dessen Hauptteile mit der Fensterarchitektur in Verbindung stehen, wodurch die gesamte Oberwand des Mittelschiffs in eine harmonisch bewegte Gliederung aufgelöst ist. Die Einfassungen der Thüren sind denen der Fenster ähnlich, nur reicher gebildet, da die stärkere Mauer einen größern Raum zur Anordnung von Profilierungen darbietet. Die Dächer erscheinen bei dem aufstrebenden Charakter, den auch das Äußere ausdrückt, in hoher, steiler Form. Ein einfacher, um die Strebepfeiler und Brüstungsmauern umherlaufender Sockel gibt dem Gebäude eine feste Unterlage. Scharf profilierte Kranzgesimse schließen die Umfangswände nach oben ab. Die großartigste Entfaltung der äußern Architektur zeigen die Fassade und die beiden Türme, welche die Seiten der Fassade bilden. Die Bogen der Portale tragen nicht selten reichgeschmückte, denjenigen der Fenster gleichende Giebel, die sogen. Wimpergen (s. Tafel „Kölner Dom II“, Fig. 5). Zwischen den Türmen und über dem Hauptportal wird ein besonderer Zwischenbau mit einem großen Prachtfenster, dessen Licht in das Mittelschiff fällt, angebracht, [497] während die untern quadratischen Türme von je zwei Strebepfeilern an den Ecken umgeben und in mehrere Stockwerke, deren Wandflächen von schlanken, mit Maßwerk ausgefüllten Fensteröffnungen durchbrochen werden, geteilt sind und gewöhnlich in einen achteckigen, von Fenstern durchbrochenen Aufsatz, an dessen Ecken wieder freie Türmchen, die sogen. Fialen, emporsteigen, und über demselben in eine schlanke achtseitige, mit weit ausladender Kreuzblume gekrönte, vielfach durchbrochene Pyramide auslaufen. Kleinere Blumen solcher Art, die sogen. Krabben, blühen aus jeder Spitze des Äußern empor; ebenso sind die Kanten der Giebel, der andern pyramidalen Teile und der von dem Mittelschiff über die Seitenschiffe nach den Strebepfeilern geführten Strebebogen mit Blumen besetzt (s. Tafel „Kölner Dom II“, Fig. 5, 8, 9 u. 10). Auch die gotische Architektur wies der bildenden Kunst das weiteste Feld an und trat dadurch mit ihr in ein Verhältnis, welches die vollendetste Gesamtwirkung hervorrief. Die zahlreichern und umfassendern bildlichen Darstellungen gehören, wie es die Bedeutung des kirchlichen Monuments erforderte, dem Innern an, bilden aber nicht mehr, wie in den altchristlichen oder in den spätern Basiliken, eine tote Mauermasse, sondern erscheinen da, wo ihnen die architektonische Form ihre Stelle anweist, wo sie demnach ihre völlige Berechtigung erlangen, während die Glasmalerei der Fenster den monumentalen Farbenschmuck des Innern bildet. Der großartige Raum des Innern nimmt ferner selbständige Monumente von kleinerer Dimension in sich auf, die in architektonischem Charakter wieder einen größern oder geringern Reichtum bildnerischer Darstellungen enthalten, wohin die Altäre, die Tabernakel, in denen das geweihte Brot aufbewahrt wird, die Lettner, von welchen die Evangelien verlesen werden, die Kanzeln und Taufbecken gehören. Im Äußern vereinigt sich naturgemäß die Skulptur mit den architektonischen Formen, und besonders sind es die Portale, welche durch deren figürliche und Pflanzengebilde aufs reichste geschmückt werden. Auch die über denselben befindlichen Giebel sind meist durch Statuen oder Reliefs ausgefüllt, welche auch an denjenigen Stellen des Äußern, wo die freiere Entfaltung der architektonischen Formen Gelegenheit dazu bietet, namentlich an den Strebepfeilern, deren einzelne Türmchen sich zum Teil tabernakelartig gestalten und in solchem Rahmen freie Standbilder aufnehmen, angewandt werden.
Die erste Entwickelung des gotischen Baustils tritt uns in Frankreich und zwar in den nordöstlichsten Gegenden desselben entgegen, was die zahlreichen Monumente in Isle de France, Champagne, Burgund sowie in den Nachbardistrikten der angrenzenden Landesteile bezeugen. Zu den ältern Monumenten gehört die Notre Dame-Kirche von Paris, deren gegenwärtiger Bau (angeblich) bereits 1163 begonnen, erst um 1360 vollendet wurde. Verwandten Stil zeigen: das Chor der Kathedrale von Rouen (1212–1280), die Kathedrale von Laon, die Kirche Notre Dame zu Dijon (1252–1334), die Kathedralen von Senlis, Auxerre (seit 1213), Sens etc. Während die 1260 geweihte Kathedrale von Chartres noch strenge Formen besitzt, zeigt die 1211 begonnene, 1250 vollendete Kathedrale von Reims, eine der glänzendsten Schöpfungen der gotischen B. (s. Tafel X, Fig. 5), die konsequenteste Durchbildung des frühgotischen Stils. Bei der Kathedrale von Amiens (1220–88) nähert sich der architektonische Charakter bereits der besonders in Deutschland auftretenden freiern Entwickelung des Stils; dagegen zeigen sich an einigen frühgotischen Bauten der Normandie mehr oder minder abweichende Motive, so an dem Chor von St.-Etienne zu Caen, an der Kathedrale von Bayeux (mit Ausnahme der etwas ältern, spätromanischen Arkaden des Schiffs, deren Fortsetzung der übrige Bau ausmacht) und, wie es scheint, an der Kathedrale von Coutances, während sich der gotische Baustil in der Normandie später zu einer glänzenden Pracht entwickelte, der es im ganzen freilich mehr auf ein ebenso leichtes und zierliches wie kühnes und phantastisches Spiel der Formen ankommt. Das Palais de Justice und das Hôtel de Bourgtheroulde in Rouen und das Schloß Fontaine le Henri bei Caen sind charakteristische Beispiele der spätgotischen Palastarchitektur. Andre Beispiele derselben erscheinen in Lothringen und Burgund, ja man bezeichnet zuweilen, an den Glanz des burgundischen Hofs erinnernd, diesen Stil mit dem Namen des burgundischen. Dasselbe ursprüngliche System der gotischen Architektur, welches in den nordöstlichen Gegenden von Frankreich auftritt, herrscht auch in den Niederlanden, sowohl bei den minder zahlreichen Kirchen, welche der frühern Entwickelungsperiode des Stils angehören, als bei den weit zahlreichern Kirchen der spätern Zeit, vor. Indem aber dies System hier mit der größten Einseitigkeit aufgefaßt und meist ohne alle weitere künstlerische Ausbildung zur Anwendung gebracht wird, erhält auch das Äußere oft einen schweren, nüchternen Charakter, und wo ein größerer Formenreichtum angewandt wird, erscheint derselbe vorherrschend in dem Gepräge einer äußerlichen, mehr oder weniger willkürlichen Dekoration. Hierher gehören die meisten Kirchen gotischen Stils zu Valenciennes, Tournai, Lille, Courtrai, Ypern, Brügge, Gent, Brüssel, Löwen, Mecheln, Antwerpen, Lüttich, Huy, Dinant etc., während die holländischen Kirchen zu Rotterdam, Delft, im Haag, zu Leiden, Haarlem, Amsterdam etc. Beispiele der nüchternsten Architektur darbieten, von welchen nur die der spätern Periode dieses Stils angehörigen Kirchen, so die im 14. Jahrh. erbaute, durch die Schönheit der Verhältnisse des Innern ausgezeichnete Kathedrale zu Antwerpen, die Kirchen St. Peter zu Löwen, St. Martin zu Halle (unfern Brüssel), St. Waltrudis zu Mons, St. Salvator zu Brügge eine Ausnahme machen. Der im Innern mit Rundsäulen geschmückte Dom St. Gudula zu Brüssel ist durch seine schöne Fassade aus dem Anfang des 16. Jahrh. ausgezeichnet, die sich in ihren Hauptmotiven der deutsch-gotischen Bauweise nähert. Die niederländischen Kirchen tragen das Gepräge von öffentlichen Hallen, neben welchen die Stadthäuser, Fruchthallen und andre öffentliche Bauten der Art als wichtige und umfassende Anlagen erscheinen, an denen sich in den letzten Zeiten des gotischen Stils sogar eine höhere künstlerische Ausbildung entfaltet, und deren architektonische und bildnerische Dekoration in eigentümlich reicher und geschmackvoller Weise durchgeführt erscheint. Das glänzendste und prachtvollste Beispiel solcher Bauanlagen ist das Stadthaus von Löwen (1448–69), welchem sich die namhaften Stadthäuser zu Brüssel, Gent (der ältere Teil desselben, gegründet 1481), Brügge (bereits 1376 gegründet), Oudenaarde, Arras, Mons und die Tuchhalle in Ypern (s. Tafel X, Fig. 3) anreihen, denen der sich kühn über das Gebäude erhebende städtische Glockenturm, Belfroy (Beffroi) genannt, zur besondern Zierde gereicht.
In England ward der gotische Baustil fast ebenso früh wie in Frankreich und, wie es scheint, nicht ganz ohne einen von dort ausgegangenen Einfluß eingeführt; doch nahm derselbe hier alsbald eine eigentümliche, [498] von der französischen Behandlungsweise völlig abweichende Richtung an, indem jenes Streben nach einer reichern, mannigfaltigern Gliederung und Teilung der Formen, einer buntern und mehr spielenden Ornamentik, welches bereits bei den romanischen Bauten in England hervorgetreten war, auch den Charakter des germanischen Stils bestimmte. Aber wie früher, so gelangte auch jetzt die englische Architektur, einzelne Ausnahmen abgerechnet, nicht zu einer vollständig organischen Durchbildung. Der Reichtum der Formen, mit welchen die Gebäude geschmückt wurden, war nicht das Erzeugnis einer innern, gewissermaßen naturnotwendigen Entwickelung, sondern eines mehr oder weniger willkürlichen Formenspiels. Für den ersten Beginn der gotischen B. in England sind die Kathedrale von Canterbury und die Templerkirche zu London von Bedeutung; der ersten Hälfte des 13. Jahrh. gehört unter andern die Kathedrale von Salisbury an, die, aus Einem Guß, die erste selbständige Entwickelung des englisch-gotischen Baustils im ganzen wie in allen seinen Einzelheiten darstellt. Für eine strengere Organisation des gotischen Baustils gibt die Kathedrale von Exeter, deren wesentliche Teile 1280–1370 erbaut wurden, ein sehr bezeichnendes Beispiel, während die 1270 begonnene Westminsterkirche zu London sich besonders, was die Anordnung des Grundrisses betrifft, dem System der französischen Kathedralen nähert. Die edelste und reinste Durchbildung des gotischen Baustils zeigt sich im Schiff der Kathedrale von York (1291–1330), deren prächtige Fassade auf Tafel X, Fig. 1, dargestellt ist, und in dem gleichzeitig erbauten Kapitelhaus derselben Kirche, wo sich die Behandlung der meist nur in Deutschland heimischen organischen Durchbildung des Stils nähert. Manche entsprechende Motive finden sich an den malerischen Ruinen der Abtei von Tintern (unfern Monmouth), der Abtei von Netley (unfern Southampton), der Kapelle von Holyrood zu Edinburg, der Abtei von Melrose (am Tweed, Grafschaft Roxburgh) u. a. An einzelnen Monumenten der letzten Periode des gotischen Stils entfaltet sich in England das eigne dekorative Element zu nirgends sonst erreichtem Glanz und Reichtum, besonders in der Ausbildung des sogen. Sterngewölbes. Als die ersten Beispiele dieser zierlichen Behandlungsweise sind der Kreuzgang der Kathedrale von Gloucester (1381), die Lady Chapel (Marienkapelle) der Kathedrale von Peterborough und die Kapelle des heil. Georg zu Windsor zu nennen. Das edelste und durchgebildetste Beispiel dieser Gewölbebildung enthält die Kapelle des King’s College zu Cambridge (begonnen 1441, beendet 1530), und bis zur überschwenglichen Pracht entfaltet erscheint dieselbe an der gleichzeitigen Begräbniskapelle Heinrichs VI. an der Westminsterkirche zu London. Die Engländer teilen die Entwickelung ihrer Gotik gewöhnlich in drei Perioden: early english (früh englisch, 13. Jahrh.), decorated style (der verzierte Stil, 14. Jahrh., Hauptwerk die Fassade der Kathedrale zu York) und perpendicular style (15. und 16. Jahrh.).
In Deutschland kam der gotische Baustil zwar etwas später als in Frankreich und in England zur Entfaltung und allgemeinen Anwendung, jedoch hat er hier am herrlichsten sich durchgebildet und das Kolossalste geschaffen. Die ältesten in Deutschland bekannten Beispiele der gotischen Architektur zeigen uns diesen Stil noch im Kampf mit den Hauptformen des romanischen. Als wichtigste Beispiele für das erste Auftreten desselben in Deutschland sind das Schiff der Kirche zu St. Gereon in Köln (1212–27), der 1208 oder 1211 begonnene Dom von Magdeburg und die alte Pfarrkirche zu Regensburg zu nennen, welch letztere im Innern noch mit Pfeilern statt der Säulen versehen ist. In den westlichen Gegenden von Deutschland ist die 1227–44 erbaute Liebfrauenkirche zu Trier von großer Wichtigkeit. Schlichter und klarer gestaltet sich der gotische Baustil an der Elisabethkirche zu Marburg (1235–83), in vollständiger, durchaus harmonischer und höchst grandioser Entfaltung aber am Dom von Köln, 1248 gegründet, dem vollendetsten Meisterwerk der gotischen Architektur (s. Tafeln „Kölner Dom I u. II“ bei Art. „Köln“). Als unerreichtes Muster künstlerischer Konzeption zeigt sich uns der Entwurf der Fassade mit den beiden mächtigen Türmen; im völligen Gegensatz gegen das zerteilende und trennende Galeriewesen des französischen Fassadenbaues steigt hier das Ganze unendlich zergliedert, aber in durchaus stetiger Entwickelung und mit stetem Bezug auf den höchsten Gipfelpunkt empor. Die auf Tafel I und II dargestellte West-, Süd- und Ostfassade und innere Ansicht geben ein Bild dieser ebenso reichen wie harmonischen Gesamtwirkung im Äußern und Innern, während der Querschnitt (s. Tafel II, Fig. 4) nicht nur die ebenso statisch motivierte wie künstlerisch durchgebildete Übertragung des Druckes der Mittelschiffgewölbe durch Strebebogen auf die innern und äußern Pfeiler der Querschiffe vorführt, sondern auch die gegliederte, an allen Seiten abgewalmte Dachkonstruktion der letztern zeigt, durch welche die reiche Gliederung der Wände des Mittelschiffs bedingt wird. Die reich und edel durchgeführten Detailformen der Pfeiler, Wimpergen, Strebebogen, Krabben und Kreuzblumen sind auf Tafel II, Fig. 5–10 dargestellt. Neben dem Kölner Dom ist zunächst die Kirche der Cistercienserabtei Altenberg bei Köln zu nennen, deren Hauptanlage, was namentlich das Chor betrifft, mit der des erstern übereinstimmt. Nahe Verwandtschaft verrät die Kathedrale von Metz, und in reich entwickelter, doch schon beträchtlich späterer Ausbildung zeigt sich eine Nachahmung des Systems des Kölner Doms an der Kollegiatkirche von Xanten. Von höchster Bedeutung für die weitere Entwickelung der Stilform der deutsch-gotischen B. ist ferner die Katharinenkirche zu Oppenheim, obgleich dies Gebäude keineswegs als ein organisches Ganze zu betrachten ist, der sich als ein Beispiel reiner und edler Entfaltung des Stils die Kirche von Wimpfen im Thal (1262–1278) anreiht. Von Bedeutung sind ferner das Schiff des Münsters zu Freiburg i. Br. und das des Münsters von Straßburg, dessen Fassade im wesentlichen das Vorbild des französischen Kathedralstils befolgt, insofern sie, statt das Gesetz einer durchgehenden, aufwärts strebenden Entwickelung (wie am Kölner Dom) zur Erscheinung zu bringen, trennende Galerien und ein großes Radfenster zeigt. Unter die frühern Bauten des gotischen Stils in den sächsischen und thüringischen Gegenden gehören, außer dem Dom von Magdeburg, das Chor der Kirche von Schulpforta (1251–68) und das etwa gleichzeitige Westchor des Doms von Naumburg, welche beide noch mit einzelnen altertümlich strengen Motiven ausgestattet sind. Ebenfalls um die Mitte des 13. Jahrh. begann der Bau des Doms von Halberstadt (mit Ausnahme des ältern Unterbaues der Fassade), während der Dom von Meißen erst im Verlauf des 14. und 15. Jahrh. seine jetzige Gestalt erhielt und das 1349–53 erbaute Chor des Doms von Erfurt als ein edles Werk jüngerer Zeit zu bezeichnen ist. Treffliche Beispiele für die weitere Gestaltung der deutsch-gotischen Architektur geben der um den Schluß der gotischen Periode [499] in seiner jetzigen Gestalt beendete Dom von Regensburg, der St. Stephansdom zu Wien, der Dom zu Prag (1343–85), das Münster von Ulm, 1377 gegründet. In Franken sind das zierliche Chor der Kirche von Weißenburg (geweiht 1327), die Frauenkirche zu Nürnberg (1355–61), die Lorenzkirche und das Chor der Sebalduskirche daselbst (1361–77), die Frauenkirche von Ingolstadt (gegründet 1425), die Stadtkirche zu Wimpfen am Berg (gegründet 1494) zu nennen. Aus dem 14. und 15. Jahrh. stammen die Liebfrauenkapelle zu Würzburg (1377–1409), die Kirche St. Martin zu Landshut (1432–78), die Frauenkirche zu München (1468–94), dann weiter nordwärts die Peter- und Paulskirche (1423–97) und die Frauenkirche (1458–73) zu Görlitz, das Schiff des Doms von Erfurt (1472), der Dom zu Freiberg im Erzgebirge (nach 1484), das Schiff des Doms von Merseburg (um 1500), die Marienkirche zu Zwickau (1453–1536), die Liebfrauenkirche zu Halle (1529), die Nikolaikirche zu Zerbst (1446–94) u. a. Für die spätere Entwickelungszeit des gotischen Stils sind ferner jene dekorativen Architekturen bezeichnend, welche, wie die Lettner, Tabernakel u. dgl., zu kirchlichen Zwecken im Innern der Kirchen aufgeführt und reich mit plastischem Schmuck versehen wurden, während in den frühern Perioden solche Werke sehr selten sind. Unter den spätgotischen Werken ähnlicher Art sind namentlich die Lettner im Dom von Magdeburg (begonnen 1448), im Dom von Halberstadt (beendet 1510) und der sogen. Apostelgang im Dom zu Münster hervorzuheben. An den Tabernakeln, so namentlich an dem berühmtesten Werk dieser Art in St. Lorenz zu Nürnberg, findet man nicht selten manche phantastisch barocke Formen. Ihre Anordnung, doch meist in einfacherer Behandlung, wurde auch für die an öffentlichen Straßen errichteten Heiligenhäuschen, wofür das in einfach reinem Stil gebildete sogen. Hochkreuz bei Godesberg unfern Bonn (1333) und die sogen. Spinnerin am Kreuz bei Wien interessante Beispiele darbieten, und bei öffentlichen Brunnen beibehalten, unter welchen der um 1360 errichtete sogen. schöne Brunnen zu Nürnberg hervorragt. Für die Dekoration der öffentlichen, zu städtischen Zwecken errichteten Gebäude und Privatwohnungen hat der deutsch-gotische Baustil manche treffliche Formen geschaffen, wie dies viele Werke dieser Art zu Regensburg, Ulm, Nürnberg, Frankfurt a. M., Koblenz, Münster u. a. O. bezeugen. In den an der Nordseite des Harzes gelegenen Städten ist für solche Gebäude meist ein hölzernes Fachwerk angewandt, das zur Ausbildung einer zierlichen Holzarchitektur Veranlassung gegeben hat, deren bedeutendste Beispiele man zu Quedlinburg, Braunschweig und vorzugsweise zu Halberstadt findet. Verhältnismäßig selten sind in Deutschland Rathäuser gotischen Stils, da die ältern Bauten dieser Art meist während der Renaissance umgestaltet worden sind. Ein hervorragendes Beispiel ist das Rathaus in Braunschweig, 1393 begonnen (s. Tafel X, Fig. 2). Der in den Küstenländern der Ostsee und in einigen an dieselben angrenzenden Gegenden von Deutschland: in Holstein, Mecklenburg, Pommern, den brandenburgischen Marken, in Preußen, auch (wie es scheint) in Kurland und Livland sowie in den skandinavischen Ländern entwickelte gotische Baustil unterscheidet sich von derjenigen Ausbildung des Systems, die vornehmlich im westlichen Deutschland zur schönsten Blüte gedieh, durch eine ungleich größere Schlichtheit und Strenge. Während das Gefühl kühler und ruhiger ist und die lebhaft durchgeführte Gliederung des architektonischen Ganzen, die rhythmisch bewegte Entwickelung seiner Teile gegen die Massenwirkung zurücktreten, fehlt es keineswegs an künstlerischem Sinn, der sich sowohl in dem kräftigen Ernste der Hauptformen als in der großartigen Kühnheit der Verhältnisse ausspricht. Eins der großartigsten Werke dieser Art ist das Schloß von Marienburg, dem die übrigen Burgen des Deutschen Ordens zu Gollub, Poppowo, Kowalewo, Thorn, Mewe, Rheden, Lochstädt verwandt sind.
In Italien blieb man im wesentlichen zunächst bei den Bedingungen des romanischen Gewölbebaues stehen. Was man an Spitzbogen, Giebeln, Spitzsäulchen und an dekorierenden Formen unmittelbar von der gotischen Bauweise annahm und mit jenem Element verband, erscheint nur als eine äußerliche Huldigung, welche man dem allgemeinen Zeitgeschmack darbrachte. Der italienisch-gotische Baustil, wenn überhaupt von einem solchen die Rede sein kann, bildet kein in sich abgeschlossenes Ganze; vielmehr ist er, obgleich häufig mit reicher Dekoration versehen, in seinen wesentlichen Teilen meist roh und unentwickelt. Eins der frühsten gotischen Monumente in Italien ist die Kirche San Francesco in Assisi, welche 1218–1230 durch einen Deutschen, Meister Jakob, erbaut sein soll; wenig jünger ist die Kirche Sant’ Antonio zu Padua (begonnen 1231, in ihren wesentlichen Teilen 1307 beendet), in deren Hauptformen noch gar kein gotisches Element hervortritt. Das Innere des Doms von Siena, der gegen die Mitte des 12. Jahrh. begonnen wurde, hat eigentümliche, edle Verhältnisse; die Ausbildung desselben ist aber im wesentlichen die italienische, während der Dom von Orvieto (1290 begonnen) im Schiff, den Basiliken vergleichbar, noch Rundsäulen und Halbkreisbogen besitzt. Die Fassade des Doms von Siena ist auf Tafel X, Fig. 6, abgebildet. Diesen Monumenten sind der Campo santo, die kleine Kirche Santa Maria della Spina zu Pisa sowie der Dom von Arezzo und die Kirche Santa Maria Novella zu Florenz (1279) anzureihen. Höchst einfach und streng erscheint die Kirche Santa Croce zu Florenz (1294) von Arnolfo di Cambio, von welchem 1296 auch der Dom Santa Maria del Fiore daselbst angelegt wurde, der eine reichere, aber ebenfalls unschöne Durchbildung des italienischen Systems zeigt. Die Kirche San Petronio zu Bologna (begonnen 1390) ist ähnlich schwer, unorganisch in den Formen und gesperrt in den Verhältnissen wie der Dom zu Florenz. Das bei weitem großartigste aller kirchlichen Monumente gotischen Stils in Italien ist der 1386 gegründete und in seinen Hauptteilen am Schluß des 15. Jahrh. beendete Dom von Mailand, neben welchem die 1396–1499 erbaute, zu den reichsten und bedeutendsten der Lombardei gehörende Kartause bei Pavia zu nennen ist. Wie in der Dekoration der Kirchenfassaden, so entwickelt sich auch an den Palästen und öffentlichen Hallen von Italien der gotische Baustil nicht selten in eigentümlich glänzender Weise, indem sich seine Formen hier zu einem so harmonischen und anmutsvollen Ganzen gestalten, daß diese Beispiele als das Vollendetste zu bezeichnen sind, was der gotische Stil in Italien überhaupt hervorgebracht hat. Während der öffentliche Palast von Florenz (Palazzo vecchio) und der von Siena, beide dem 13. und 14. Jahrh. angehörig, noch als schwere, burgähnliche Massen erscheinen, zeichnet sich die Loggia dei Lanzi in Florenz durch edle, würdige Verhältnisse aus. Sehr bedeutend ist ferner die Börse (Loggia dei mercanti) zu Bologna. An den öffentlichen Palästen einiger lombardischer Städte, wie Como, Cremona, Piacenza, entwickelt sich eine anziehende [500] Dekoration, bei welcher romanische und arabische Elemente mit Glück benutzt sind. In reicher Pracht, moderne Formen ziemlich harmonisch mit jenen des gotischen Stils verschmelzend, erscheint auch die Fassade des 1456 gegründeten sogen. großen Hospitals zu Mailand. Vor allem jedoch erhalten die Fassaden der Paläste von Venedig in dieser Periode eine ebenso charakteristische wie anmutsvolle Gestalt, unter denen als eins der reichsten, aber noch schweren und minder entwickelten Beispiele der gegen die Mitte des 14. Jahrh. gebaute Dogenpalast zu nennen ist. Zierlicher ist eine Reihe von meist aus jüngerer Zeit herrührenden Privatpalästen am Canale grande, worunter die Paläste Cavalli, Foscari, Pisani, Barbarigo, Sagredo, die Cà Doro hervorzuheben sind.
In Spanien und Portugal scheint sich der gotische Baustil in ungleich größerer Reinheit erhalten zu haben als in Italien, doch fehlt es im einzelnen, wie in der spanisch-romanischen Architektur, auch nicht an Einflüssen des maurischen Baustils. Bei der Kathedrale von Burgos (1299) finden sich Pfeiler angewendet, welche ganz aus Halbsäulen als Gurtträgern zusammengesetzt sind (s. Tafel X, Fig. 4). Ein reiches und glänzendes Äußere entfaltete sich an der Kathedrale zu Barcelona (angeblich 1217 gegründet), deren Fassade 1442 durch zwei Meister von Köln, Johann und Simon, angelegt worden sein soll. Zu den spanischen Kirchen dieser Periode gehören die Kathedralen von Segovia, deren Äußeres ziemlich massenhaft erscheint, von Sevilla, fünfschiffig mit glänzender Fassade, welche schon mit Formen der spätern Entwickelungszeit des Stils durchsetzt ist, die Kirche de los Reies zu Toledo (1494–98), reich und geschmackvoll dekoriert, und die Kirche des Dominikanerklosters zu Valladolid, deren Fassade aber bereits eine wüste Ausartung zeigt, indem die verschiedenartigsten gotischen und maurischen Formen bunt durcheinander gewürfelt sind. Unter den Arkaden der Klosterhöfe finden sich mehrfache Reminiszenzen an die maurische Kunst, minder entschieden an denen der Klöster Montserrat und Poblet, deutlicher im Kloster von Guadalupe, wo Pfeiler durch spitz gewölbte Hufeisenbogen verbunden sind, und in vorzüglich schöner, doch freier Behandlung der gotischen Formen in dem Dominikanerkloster zu Valladolid. An öffentlichen städtischen Bauten, wie an dem Rathaus von Barcelona und an der Börse von Valencia, entwickelt sich ein nicht minder ansprechender Dekorationsstil. Die edelste und regelmäßigste Ausbildung des gotischen Baustils auf der gesamten Pyrenäischen Halbinsel tritt uns in der Kirche des Klosters von Batalha in Portugal entgegen, in deren Innerm, den besten deutsch-gotischen Bauten wenigstens nahestehend, ein vorzüglich reines System sich entwickelt.
Die neuere oder Renaissancebaukunst, welche in ihren letzten Ausläufern bis in unsre Tage hineinreicht (s. Tafel XI und XII), beruht auf der Wiederaufnahme der antiken und zwar vorzugsweise der römischen Bauformen, welche sich der erwachenden historisch-wissenschaftlichen Richtung zunächst darboten und welche mit den Bedürfnissen der neuern Zeit vorzugsweise übereinstimmten. Als die Wiege der neuern B. erscheint Italien, dessen Werke fast ausschließlich das Vorbild für die übrigen Länder blieben. Die Blütezeit dieser Architektur fällt in das 15. Jahrh. An der Grenzscheide des romanischen Zeitalters stehend, sind die Bauten dieser gewöhnlich als Frührenaissance bezeichneten Periode noch von einem frischern Lebenshauch beseelt, der ihnen ein eigentümlich anziehendes Gepräge verleiht. Noch bemüht man sich, mit Selbständigkeit die klassischen Formen aufzufassen und diese mit besonderer Rücksicht auf das von den antiken Gebäuden abweichende Ganze auszubilden, während sich später das Ganze vielmehr dem als Prinzip aufgenommenen antiken System fügen muß. In den Vordergrund dieser Kunstperiode tritt die Palastarchitektur. Die baulichen Massen werden hier noch kräftig und großartig zusammengehalten, ohne daß sich dieselben durch eine aufgeklebte Scheinarchitektur zu etwas anderm gestalten, als was sie sein sollen; aber da, wo die Massen sich naturgemäß in einzelne Teile sondern, namentlich an den Öffnungen der Fenster und Thüren, entwickelt sich gleichwohl eine bewegtere Gliederung, wozu die Formen der antiken Kunst mit Geist und Geschmack verwandt werden. Freilich ist dies nur eine Architektur des Äußern, doch ist dieselbe mehr als eine müßige Dekoration. Bei den kirchlichen Monumenten, wo es vorerst auf eine architektonische Belebung des innern Raums ankam, konnten aber die antiken Vorbilder nicht ausreichen, weshalb diese Bauten von vornherein weniger Bedeutung erlangten. Die bessern derselben, welche der ersten Hälfte des 15. Jahrh. angehören, zeigen ein geistreiches Zurückgehen auf die einfache Basilikenform. Später erscheinen Gewölbeanlagen nach römischer Art mit massigen, durch Pilaster bekleideten Pfeilern oder mit Kuppeln in der von den Byzantinern erfundenen Form. Wir unterscheiden in der Periode des 15. Jahrh. einige namhafte Bauschulen. Als die bedeutendste derselben tritt uns zuerst die toscanische Schule, welche in Florenz ihren Sitz hat, entgegen. An ihrer Spitze steht, als der Begründer der modernen B., Filippo Brunellesco (1375–1444), von dem der Bau der kolossalen Kuppel, mit welcher die Chorpartie des Doms von Florenz bedeckt ist, die beiden florentinischen Kirchen San Lorenzo und San Spirito und der Palast Pitti (dessen Oberbau und Hof aber erst später ausgeführt wurden) daselbst herrühren. Der Burgcharakter dieses Palastes bleibt nun für geraume Zeit der Typus der florentinischen Paläste; sie erscheinen inmitten des städtischen Verkehrs als feste Schlösser, in denen die angesehensten Geschlechter residieren, charakteristisch für die Nachwirkung mittelalterlicher Lebensverhältnisse, die sich auch in der in Rede stehenden Periode noch häufig genug von Einfluß zeigten. Den folgenden Baumeistern gelang es, der rohen Anlage zugleich das Gepräge künstlerischer Würde und Schönheit zu geben, indem sie durch angemessene Gestaltung jener großen Werkstücke (der Bossagen), aus denen die Paläste aufgeführt wurden, durch ein kräftig abschließendes und krönendes Hauptgesims, durch zierliche Füllung der Fenster eine ebenso markige wie gefällige Gliederung des Äußern erzielten, wozu als wichtigste Beispiele der Palast, den Michelozzo Michelozzi für Cosimo Medici baute (jetzt Palast Riccardi), sowie der von Benedetto da Majano 1489 begonnene und von Simone Cronaca (1533) beendete Palast Strozzi zu Florenz (s. Tafel XII, Fig. 1) zu nennen sind. Ähnliche Paläste finden sich in Siena; besonders bemerkenswert und den genannten völlig ähnlich ist unter diesen der Palast Piccolomini (begonnen 1469), welcher vermutlich von dem florentinischen Meister Bernardo Rossellino herrührt. Unter den übrigen florentinischen Architekten der Zeit sind hervorzuheben: Agostino di Guccio, der das zierliche Kirchlein der Brüderschaft von San Bernardino zu Perugia (1462) erbaut hat; Giuliano da Majano, der in Rom den sogen. venezianischen Palast baute; [501] Baccio Pintelli, von dem verschiedene Kirchen in Rom, Sant’ Agostino, Santa Maria del Popolo u. a., sowie die Sixtinische Kapelle des Vatikans (1473) erbaut sind, und Leo Battista Alberti (1398–1472), der zuerst mit einem entschiedenen gelehrten Studium des klassischen Altertums hervortrat.
Die venezianischen Paläste dieser Zeit zeichnen sich, im Gegensatz zu dem imponierenden Ernst jener von Toscana, durch eine eigentümliche Leichtigkeit und Eleganz aus und erhalten eine besondere Weise der Dekoration, die sich auf die ältesten venezianischen Vorbilder, auf die Anlagen des byzantinischen Stils (wie San Marco) zu gründen scheint, da eine Art musivischen Schmuckes, Täfelungen, Kreise, Leistenwerk u. dgl., aus verschiedenfarbigem, wertvollem Stein gebildet, als Füllstücke in das Mauerwerk der Fassaden eingelassen ist. Die kirchlichen Gebäude, im Innern zwar wieder weniger bedeutend, nehmen in der Gestaltung ihres Äußern an diesen Anordnungen teil; auch zeigt sich hier die bemerkenswerte, der byzantinischen Architektur entnommene Form der halbrunden Giebel. Besonders zahlreich sind die Werke, die man der Familie der Lombardi zuschreibt; als die ausgezeichnetsten unter den Gliedern dieser Familie werden Martino und Pietro Lombardo genannt. Unter den venezianischen Palästen dieser Periode sind als Hauptbeispiele zu nennen: der Palast Pisani a San Polo, die Paläste Angarani (oder Manzoni) und Dario, der als Werk des Pietro Lombardo geltende Palast Vendramin Calergi (1481), der Palast Corner Spinelli, der Palast Contarini (1504), der von Guglielmo Bergamasco (1525) erbaute Palast dei Camerlenghi neben Ponte Rialto, während die am Markusplatz gelegenen, von Bartolommeo Buono Bergamasco erbauten Procurazie vecchie einen hervorragenden Bau vom Schluß des 15. Jahrh. bilden. Unter den kirchlichen Gebäuden sind hervorzuheben: San Zaccaria (1457; s. Tafel XII, Fig. 2), dem Martino Lombardo zugeschrieben; die Scuola di San Marco, neben der Kirche Santi Giovanni e Paolo, erbaut von Martino Lombardo (1485); die Scuola di San Rocco, 1517 von Bartolommeo Buono u. a. erbaut. Von dem gelehrten Architekten Fra Giocondo aus Verona rühren der Fondaco dei Tedeschi zu Venedig sowie der bedeutende Ratspalast (Palazzo del Consiglio) zu Verona her.
Mit dem Anfang des 16. Jahrhunderts beginnt in der italienischen B., was die Behandlung der antiken Bauform betrifft, eine größere kritische Strenge herrschend zu werden, verwandt mit den zuerst bei dem Florentiner Alberti hervorgetretenen Bestrebungen, wodurch zwar jetzt im allgemeinen eine gewisse äußere Reinheit des Stils erreicht, zugleich aber jener poetische Hauch, jene lebensvollere Phantasie verkümmert wurden, welche die Mehrzahl der Werke des 15. Jahrh. noch durchdrungen hatten. Man blieb fortan bei den Regeln stehen, die man aus den antiken Monumenten und aus den Büchern des Vitruv entnahm. Rom ward für jetzt der bedeutsamste Mittelpunkt der italienischen Architektur. Der erste für diesen Umschwung der architektonischen Richtung (Hochrenaissance) vorzüglich thätige Meister ist Donato Lazzari, gewöhnlich Bramante genannt, aus dem Herzogtum Urbino (1444–1514). Seine Mailänder Bauten tragen noch ganz das anmutige Gepräge, welches die oberitalienische Architektur aus der spätern Zeit des 15. Jahrhunderts ausgezeichnet. Später ging Bramante nach Rom, wo ihn die unmittelbare Nähe der altrömischen Monumente zu einer strengern Nachahmung ihrer Formen angetrieben zu haben scheint. Die Werke, welche er hier ausführte, tragen jenen oben als den des 16. Jahrh. bezeichneten Charakter und zeigen zwar noch Grazie, feinen Sinn und Geschmack, zugleich aber auch jene beginnende größere Nüchternheit des Gefühls. Unter den Werken der Frührenaissance nimmt die Fassade der in edlem Stil erbauten Kartause von Pavia, der sogen. Certosa (s. Tafel XI, Fig. 1), von Ambrogio Borgognone eine hervorragende Stelle ein. Dem Bramante nahe verwandt ist Baldassare Peruzzi (1481–1537), der in Rom verschiedene Paläste erbaute, z. B. die sogen. Farnesina, eine für Agostino Chigi ausgeführte, im Äußern mit Pilasterstellungen geschmückte Villa, und dessen Schüler Sebastiano Serlio sich weniger durch ausgeführte Werke als durch sein Lehrbuch der Architektur bekannt machte. Bedeutendere Nachfolger Bramantes in Rom waren Antonio da Sangallo der jüngere aus Florenz (gest. 1546), der Erbauer des Palastes Farnese, der in seinen schönen und großartigen Verhältnissen eine Nachwirkung des ältern florentinischen Palaststils verrät, und Pirro Ligorio (gest. 1580), der bemüht war, sich völlig in den Geist des klassischen Altertums zu versenken, wovon unter seinen ausgeführten Bauwerken die in den vatikanischen Gärten gelegene Villa Pia (früher Casino del Papa) Zeugnis gibt, die als das zierlichste und anmutsvollste Beispiel antiker Villenarchitektur erscheint. Eine durchaus abweichende Richtung entwickelt sich in der italienischen Architektur durch die Bestrebungen Michelangelo Buonarrotis (1474–1564), der im Gegensatz zu den frühern Meistern, die mit naiver Anmut in den Formen der Antike sich bewegten, im Gegensatz auch zu seinen Zeitgenossen, welche diese Formen mit gewissenhafter Treue festhielten, dieselben bei dem Bau der Peterskirche in Rom (s. Tafel XI, Fig. 2–5) nach Laune und Willkür umzugestalten und somit den Ausartungen der Folgezeit das Thor zu öffnen beginnt. Die Schüler Michelangelos ahmten den architektonischen Geschmack des Meisters mit mehr oder weniger Treue nach, und mit besonderm Wohlgefallen hielt unter diesen Giovanni del Duca an dessen manieristischen Ausartungen fest. Gleichwohl fand diese willkürliche Behandlungsweise der B. in den nächsten Jahrzehnten nach Michelangelos Tod noch wenig Anhänger. So hielt unter den jüngern Zeitgenossen dieses Meisters zunächst Giacomo Barozzi, genannt Vignola (1507–73), streng an dem Studium des klassischen Altertums fest und suchte dafür auch durch das Buch zu wirken, welches er über die fünf Säulenordnungen des klassischen Altertums verfaßte. Sein Hauptbauwerk ist das Schloß Caprarola auf dem Weg von Rom nach Viterbo. Gleichzeitig mit Vignola und in ziemlich verwandter Richtung mit ihm bildete sich in Rom Galeazzo Alessi (1500–72) aus, dessen in Genua aufgeführte Paläste im allgemeinen weniger durch ihre Fassaden als durch die Anordnung der innern Räume, namentlich der Vestibüle, Höfe und Treppenhallen, ausgezeichnet sind, worin er eine großartige malerische Wirkung zu erreichen wußte. Andre Eigentümlichkeiten gewahrt man bei denjenigen Architekten, welche in der Periode des 16. Jahrh. im venezianischen Gebiet beschäftigt waren. Unter den frühern Meistern derselben sind Michele Sanmichele von Verona (1484–1559) und Jacopo Tatti, genannt Sansovino (1479–1570), Erbauer der Bibliothek von San Marco in Venedig (s. Tafel XII, Fig. 3), zu nennen, dessen Nachfolger Andrea Palladio von Vicenza (1518–80) der gefeiertste und einflußreichste Meister der modernen Architektur war. [502] Allenthalben wurde noch lange nach seinen Rissen gebaut, und noch mehr sicherte er sich diesen nachwirkenden Einfluß durch das von ihm verfaßte Lehrbuch der Architektur. Die bedeutendsten seiner Nachfolger in Venedig waren Vincenzio Scamozzi und Baldassare Longhena. Verwandte, doch nicht zu derselben Konsequenz gesteigerte Bestrebungen zeigen in jener Zeit: Bartolommeo Ammanati zu Florenz (1511–92), Vollender des Palastes Pitti u. Erbauer der Brücke Santa Trinità, die sich durch leichte Schwingung ihrer Bogen auszeichnet, Domenico Fontana zu Rom (1543–1607), Erbauer des neuen Lateranpalastes, u. a.
Wie Leo Battista Alberti diejenigen Bestrebungen eingeleitet hatte, die im 16. Jahrh. eine größere Verbreitung fanden, so erscheint Michelangelo als Begründer derjenigen Richtung des architektonischen Geschmackes, welche das 17. Jahrh. charakterisiert. Ihm kam es vor allen Dingen darauf an, durch die Gewalt seiner Werke zu imponieren, durch kühne und überraschende Kombination den Beschauer mit Staunen und Verwunderung zu erfüllen, ohne auf die Reinheit, auf die innerliche Notwendigkeit der Mittel, die er zu solchem Zweck anwandte, sonderlich Rücksicht zu nehmen. Dies Streben ward mit Vorliebe und in ungleich ausgedehnterm Kreis um den Beginn des 17. Jahrh. aufgenommen; die architektonischen Werke dieser Periode haben einen gewissen pathetischen Schwung, der zuweilen allerdings Großartigkeit des Sinnes verrät, viel häufiger jedoch in fremdartigen und abenteuerlichen Formen sich ergeht und durchweg mit Hohlheit des Gefühls verbunden ist (Barockstil). Charakteristisch hierfür sind die zur Fortsetzung und zur glänzendern Gestaltung des Baues der Peterskirche von Rom ins Werk gesetzten Bauten von Carlo Maderna (1556–1639) und Lorenzo Bernini (1589–1680). Arbeitete der letztere und seine Mitstrebenden im allgemeinen auf eine gewisse Großartigkeit des Eindrucks hin, so trat ihnen eine andre Richtung gegenüber, die, von allem innern und äußern Formengesetz abweichend, nur durch die abenteuerlichsten und launenhaftesten Kombinationen zu wirken strebte. Das Haupt dieser Partei war Francesco Borromini (1599–1667), der eifrigste Nebenbuhler Berninis. Alles Geradlinige in den Grund- und Aufrissen seiner Architektur ward soviel wie möglich verbannt und durch Kurven der verschiedensten Art, durch Schnörkel, Schnecken u. dgl. ersetzt; den Hauptformen entzog er die gesetzmäßige Bedeutung, während er die untergeordneten, mehr für die Dekoration bestimmten Nebenformen mit völliger Willkür als die wichtigsten Teile des Ganzen behandelte. Rom wurde angefüllt mit diesen Fratzengebilden der Architektur. Unter den Nachfolgern des Borromini, welche im einzelnen die Willkür des Meisters noch zu überbieten wußten, sind Giuseppe Sardi und Camillo Guarini (besonders in Turin thätig) hervorzuheben. Im 18. Jahrh. machen sich in der italienischen Architektur Bestrebungen bemerklich, die zu einer größern Ruhe des Gefühls und zu einer strengern Schulrichtigkeit zurückführen; doch bereiten dieselben keine neue geistige Entwickelung vor. Die bedeutendsten Meister dieser Zeit sind Filippo Ivara (1685–1735), der unter anderm das Kloster der Superga bei Turin baute, und Luigi Vanvitelli (1700–73), der Erbauer des Schlosses Caserta bei Neapel.
Außerhalb Italiens blieb bei den christlich-occidentalischen Völkern der gotische Baustil bis in das 16. Jahrh. hinein allgemein in Anwendung. Obwohl die Renaissance hier somit erst beträchtlich später eingeführt wurde, so gibt sich doch bereits an denjenigen Monumenten des gotischen Stils, welche dem 15. und dem Anfang des 16. Jahrh. angehören, sehr häufig eine Behandlungsweise kund, die, ohne irgend eine Gemeinschaft mit dem Formenprinzip der Antike zu verraten, als ein Ausdruck des neuern Zeitgeistes zu betrachten ist, welcher in der Rückkehr zu einer größern Massenwirkung und zu dem Gesetz der Horizontallinie und den hiervon abhängigen Bogenformen besteht. Durch eine solche Richtung des künstlerischen Gefühls war auch hier die Einführung der antiken Formen vorbereitet, die von Italien aus und zwar von jener Epoche ab erfolgte, wo die italienisch-moderne Architektur jene größere Freiheit der künstlerischen Konzeption, welche die dortigen Werke des 15. Jahrh. noch auszeichnet, eingebüßt hatte. Willig und aller selbständigen Produktion entsagend, nahm man die Grundsätze an, welche die italienischen Meister aufgestellt und durch ihre Werke bethätigt hatten. Besondere Eigentümlichkeiten begegnen uns in der neuern B. außerhalb Italiens vornehmlich nur da, wo die antiken Bauformen in den Zeiten ihrer ersten Einführung noch in einen gewissen Konflikt mit der ältern einheimischen Bauweise traten. Hierdurch sind manche interessante Schöpfungen entstanden, die zuweilen sogar noch an den Charakter der italienischen Werke des 15. Jahrh. erinnern, wenn sie auch die anmutsvolle Durchbildung der letztern nicht erreichen. Frankreich namentlich besitzt manche bezeichnende Werke solcher Art in der Architektur verschiedener Schlösser. Die künstlerischen Unternehmungen des Königs Franz I. (1515–47) verschafften hier dem neuen Stil schnellern und leichtern Eingang als in andern Ländern. Die vorzüglichsten französischen Architekten, welche in seiner und der nächstfolgenden Zeit thätig waren, sind: Jean Bullant (Schloß von Ecouen, um 1540), Pierre Lescot (die ältern Teile des Louvre, vollendet 1548; s. Tafel XII, Fig. 4) und Philibert Delorme. Auch ihre Werke haben bei mehr oder weniger reiner Aufnahme der italienischen Formen noch einen gewissen romantischen Nachklang; bei Delorme entwickelt sich hieraus aber ein barockes Wesen, das auch auf die spätere französische Architektur nicht ohne Einwirkung geblieben ist. In der ersten Hälfte des 17. Jahrh. ist besonders Jacques de Brosse anzuführen, von welchem der Palast Luxembourg in Paris herrührt, der an den florentinischen Palastbau erinnert. Die umfassenden Bauten, welche in der spätern Zeit des 17. Jahrh. unter Ludwig XIV. entstanden, sind ohne sonderliche Bedeutung. Am meisten tritt unter diesen die von Claude Perrault ausgeführte Hauptfassade des Louvre mit einer mächtigen Säulenhalle vor den obern Geschossen hervor, während das von J. H. Mansard, dem Erfinder der nach ihm benannten Dachform, gebaute Schloß von Versailles ziemlich charakterlos ist. Die französischen Architekten des 18. Jahrh. erscheinen durchweg, wie die gleichzeitigen Italiener, sehr nüchtern; nur Jacques Germain Soufflot (1713–81), der in seinem Kuppelbau der Kirche Ste.-Geneviève (des heutigen Pantheons) ein bei vielen Mängeln doch großartiges Werk zu stande brachte und sich zuerst wieder an die reinern Formen der Antike anschloß, verdient unter ihnen ausgezeichnet zu werden. Die Franzosen nahmen übrigens die Stilbegriffe Renaissance, Barock und Rokoko erst nach dem Vorgang der Deutschen an. Gewöhnlich bezeichnen sie die Stilwandlungen ihrer neuern B. nach den Regenten und unterscheiden einen Stil François I, Henri II, Louis XIII, Louis XIV, Style Régence und Louis XVI.
[503] In Spanien sehen wir die Renaissance ebenfalls bereits in der ersten Hälfte des 16. Jahrh. eingeführt. Unter Karl V. ward hier unter anderm als ein Gebäude von italienischer Form der (unvollendete) Palast neben der Alhambra von Granada, nach den Plänen Machucas, erbaut, dessen trockner Ernst zu der spielenden Pracht des maurischen Königsschlosses einen charakteristischen Gegensatz bildet. Bedeutenderes geschah in der zweiten Hälfte des 16. Jahrh. unter Philipp II. Das großartigste Monument, welches dieser Fürst errichten ließ, ist das Kloster San Lorenzo im Eskorial, begonnen 1563 durch Juan de Toledo, beendet 1584 durch dessen Schüler Juan de Herrera.
In England kam der moderne Baustil kaum vor dem Anfang des 17. Jahrh. zu einer durchgreifenden Anwendung. Als Begründer desselben ist hier vornehmlich Inigo Jones (1572–1652) zu nennen, ein getreuer Nachfolger des Palladio. Der königliche Palast zu Whitehall, ein Teil des Hospitals von Greenwich bei London u. v. a. rühren von ihm her. Der bedeutendste der modernen englischen Baumeister ist Christopher Wren, welcher von 1675 bis 1710 den Neubau der Paulskirche zu London ausführte. Auch in England spricht man nach den Regenten von einem Elizabethan Style, Stil der Königin Anna etc. In den Niederlanden ist vornehmlich Jakob van Campen (gest. 1658), der Erbauer des großen Rathauses von Amsterdam, zu nennen.
In Deutschland entstanden bereits seit der Mitte des 16. Jahrh. mancherlei Bauanlagen italienischen Stils, wie der Otto-Heinrichsbau des Heidelberger Schlosses (s. Tafel XII, Fig. 5). Doch suchte sich der deutsche Geist die antike Dekoration bald so vollständig anzueignen und ihr ein so entschieden nationales Gepräge zu geben, daß sich die deutsche Renaissance als selbständiges Glied aus der allgemeinen Renaissancebewegung herauslöste und namentlich in der dekorativen Gestaltung der Bauwerke, welche meist ihre gotische Grundform behielten, und im Kunstgewerbe zu reizvollen und künstlerisch wertvollen Schöpfungen gelangte. Zu Anfang des 17. Jahrh. erfreute sich Elias Holl von Augsburg eines besondern Ruhms; er führte 1615–20 das dortige Rathaus auf, das indes keine sonderlich großartige künstlerische Entwickelung erkennen läßt. Gleichzeitig (1616–19), in einer nicht unwürdigen Anwendung des italienischen Stils, ward das Rathaus zu Nürnberg durch Eucharius Karl Holzschuher erbaut. Wichtigere Unternehmungen finden sich in Deutschland zu Ende des 17. und zu Anfang des 18. Jahrh. Zu den kraftvollsten Bauten dieser Zeit gehören das 1685 von Nehring angefangene und von Joh. de Bodt vollendete Zeughaus zu Berlin sowie diejenigen Teile des dortigen königlichen Schlosses, welche Andreas Schlüter in den Jahren 1699–1706 erbaut hat. Schlüter, der größte Künstler seines Zeitalters, namentlich in der Skulptur, strebt in seinen Architekturen ebenfalls nach einer lebendig malerischen Wirkung, verliert aber dabei ebensowenig die kraftvolle Gestaltung des Einzelnen wie den festen und massenhaften Charakter des Ganzen aus dem Auge. Als bedeutende Zeitgenossen Schlüters sind Joh. Bernhard Fischer von Erlach, als dessen Hauptbau die 1716 begonnene und 1737 (durch seinen Sohn Esaias Emanuel) beendete Kirche St. Karl Borromäus zu Wien zu bezeichnen ist, ferner Johann Balth. Neumann, der von 1720 bis 1744 die stattliche fürstbischöfliche Residenz zu Würzburg erbaute, sowie G. W. v. Knobelsdorff zu nennen, von dem die bedeutendsten Bauten, welche Friedrich II., König von Preußen, in den frühern Jahren seiner Regierung zu Berlin und Potsdam ausführen ließ, herrühren.
Diese Richtung der deutschen B. entspricht in ihrem Stilcharakter im allgemeinen dem italienischen Barockstil. Mit diesem kämpfte zu Anfang des 18. Jahrh. eine originelle Neuerung um den Vorrang, das in Frankreich entsprungene Rokoko. Das Rokoko setzt sich ebenso kontrastierend in die klassische Epoche hinein wie das Regime Louis XV in jenes Louis XIV. Das Rokoko ist kein eigentlicher Architektur-, sondern ein Dekorationsstil. Es setzt an die Stelle der prunkvollen Säulenausstattung und Gebälkarbeit römischer Herkunft ein üppiges Geranke von Muscheln und Linganen, von Palmen und krummen Leisten, für deren Zusammenstellung nur leichtes Geringel und flache Haltung Gesetz sind. Kahle Wände und Decken sind dem Rokoko am erwünschtesten, geradlinige Gliederungen dagegen feindlich. Charakteristisch ist ferner, daß es sich besonders im Innenraum entfaltet, in Verbindung mit eingelassenen Spiegeln, glitzernden Glaslüstern, Porzellan-Etageren und chinesisch-japanischen Kunsterzeugnissen, welche überhaupt vom größten Einfluß auf den Stil geworden sind und zwar in Form, Dessin und Farbe. Die Abhängigkeit der europäischen Throne von Frankreich während und nach der Regierung Ludwigs XIV. verpflanzte rasch die neue Weise auch in die andern Länder, vorzugsweise nach Deutschland. Die zahlreichen Höfe bewahren davon noch köstliche, die französischen Vorbilder weit übertreffende Beispiele, unter denen der von Pöppelmann gebaute Zwinger zu Dresden, das Schloß Sanssouci bei Potsdam und die Pavillons von Nymphenburg hervorragen. Auch der auf das Rokoko (Style Régence und Louis XV) folgende, die Rückkehr zur Nüchternheit bezeichnende Stil Louis XVI, verbunden mit schwächlicher Anlehnung an die Antike, fand an den deutschen Höfen willige Nachahmung, wo in dem sogen. Zopfstil namentlich in Berlin demselben bereits vorgearbeitet war.
Eine neue Entwickelungsperiode der B. beginnt gegen Ende des 18. Jahrh., wo sich zuerst eine Reaktion gegen den Rokoko- und Zopfstil insofern bemerkbar machte, als sich hier und da Bauten erhoben, welche durch einfache und unbefangene Natürlichkeit ein glückliches Gegengewicht gegen das manieriert-konventionelle Wesen jener Stilrichtungen bildeten. Als größere, stattliche Werke sind das von H. Gentz gegen Ende des 18. Jahrh. in Berlin erbaute Münzgebäude und das Brandenburger Thor von Langhans anzuführen.
Gleichzeitig werden aber auch bereits andre, ungleich mehr umfassende Bestrebungen sichtbar, in denen wir die zweite Stufe dieser neuen Entwickelung erkennen. Dies sind diejenigen, die auf einem erneuten und tiefer eindringenden Studium der Antike beruhen, und durch welche der Kunst wiederum der Gewinn eines geläuterten und gereinigten Stils zu teil wurde. Als gewaltiger Herold ging diesen Bestrebungen Winckelmann (1717–68) voran, dessen prophetisch-begeistertes Wort von seinen Zeitgenossen bewundert, aber erst von der folgenden Generation in lebendigem Schaffen wiedergeboren ward. Seinen wissenschaftlichen Forschungen folgten die Untersuchungen der Monumente des griechischen Landes selbst. Seit Stuart und Revett ward die Aufnahme und Vermessung der griechischen Baudenkmäler eifrig betrieben, dann wurden große Schätze der griechischen Bauornamente in die Museen des westlichen Europa entführt und in Gipsabgüssen überallhin verbreitet. So kehrte man von dem Schnörkelwesen der frühern [504] Zeit zu den reinen klassischen Formen zurück, teils zwar noch, wie besonders von seiten der Franzosen, in der römischen Auffassung dieser Formen, teils, wie bei einzelnen englischen Bauten, in unmittelbarer Nachahmung griechischer Vorbilder, teils in einer Weise, welche aus dem griechischen Geist heraus Neues zu schaffen sich bestrebte. In dem letztern Betracht leistete besonders Deutschland Ausgezeichnetes, und vornehmlich K. Schinkel (1781–1841) ist es, dessen Bauwerke zuerst wieder das reine Bewußtsein der klassischen Formenbildung wie keine andern Denkmäler des gesamten modernen Zeitalters erkennen lassen, so das mit Fresken geschmückte Alte Museum, die in dorischem Stil erbaute Hauptwache, das genial entworfene Schauspielhaus zu Berlin. Bei kleinern Anlagen, wie dem reizenden Charlottenhof in Potsdam, wußte der Meister die Architektur mit der Gartenanlage auf das glücklichste zu verbinden, während er in der Bauakademie zu Berlin der Backsteinarchitektur der Gegenwart neue Bahnen vorzuzeichnen verstand. Eine dritte Richtung entwickelte sich als Opposition gegen die einseitige und in dieser Einseitigkeit frostige Auffassungsweise, zu der jene antikisierende Richtung allerdings häufig genug Veranlassung gab. Diese Opposition wandte sich im Gegensatz gegen jenes formale Streben der Blüteperiode des romanischen Zeitalters zu. Es fehlte hier ebenfalls nicht an mancherlei einseitigen Leistungen, zugleich blieb diese Richtung auf einen engern Kreis beschränkt und ging schnell vorüber; doch mußte ein solches Bestreben die wohlthätigsten Folgen haben. Von besonderer Wichtigkeit ist hier die Wiederaufnahme des gotischen Baustils, welche sich zunächst in England vollzieht, wo überhaupt zwischen dem Mittelalter und der neuern Zeit keine so scharfe Grenze gezogen war wie in andern Ländern. In Deutschland sind verschiedene nicht unbedeutende Monumente gotischen Stils ausgeführt worden, in denen aber auf der einen Seite mehr eine Aufnahme der Äußerlichkeiten dieses Stils, auf der andern Seite eine Umbildung desselben nach einer mehr klassischen Formenweise, die aber seinem Grundprinzip widerspricht, ersichtlich wird, während einzelne deutsche Baumeister statt seiner zu dem romanischen Baustil zurückgegriffen haben. Endlich ist diesen verschiedenen Entwickelungsstufen derjenige Zustand der B. gefolgt, der vorzugsweise der Gegenwart angehört und sich fast ausschließlich in der Nachahmung der verschiedenen Erscheinungsformen der Renaissance erschöpft. Neben Berlin wurde ein Schauplatz für großartige Bauthätigkeit in neuester Zeit Bayern und insbesondere München durch König Ludwig I. Hier war es Leo v. Klenze, der in der Glyptothek (1816–30), in der Walhalla bei Regensburg, in der Befreiungshalle bei Kelheim, in der Ruhmeshalle und in den Propyläen zu München mit anerkennenswerter Konsequenz an den Grundsätzen der Antike festhielt und bei der Pinakothek, dem neuen Königsbau und Saalbau die Renaissance mit Geschick zu benutzen verstand, während Gärtner in der Ludwigskirche, Bibliothek und Universität sich den Stilen des Mittelalters nach dem Grundsatz der romantischen Schule anschloß, Ziebland in der Basilika des heil. Bonifacius den altchristlichen und Ohlmüller in der Mariahilfkirche in der Vorstadt Au den gotischen Stil vertrat.
König Maximilian II. (seit 1848) versuchte statt der Reproduktion der verschiedenen Baustile der Vergangenheit die Erfindung eines neuen Baustils hervorzurufen. Die Münchener Akademie der bildenden Künste forderte 1851 hierzu auf und erkannte den Entwürfen Wilhelm Stiers aus Berlin den Preis zu, welche indes bei aller Reife in der Komposition zur Ausführung nicht geeignet schienen. Die im neuen Stil aufzuführenden Bauten wurden deshalb der Hand Bürkleins anvertraut, der sich namentlich durch seinen Bahnhof als einen glücklichen Vertreter der romanischen Richtung bewährt hatte, aber sonst weder in der neuen Maximiliansstraße und ihren öffentlichen Gebäuden noch in dem Regierungsgebäude und Maximilianeum etwas für die Gegenwart und nächste Zukunft Maßgebendes zu schaffen im stande war. Unter den neuern Gebäuden Münchens sind das gotische Rathaus von Hauberrisser sowie das im Renaissancestil erbaute, ebenso zweckmäßig wie künstlerisch durchgebildete neue Polytechnikum von Neureuther hervorzuheben. Eisenlohr (gest. 1853) hat in den Hochbauten der badischen Eisenbahn, namentlich an den Bahnhöfen von Heidelberg, Freiburg und Karlsruhe, den romanischen Stil wieder zu erwecken und unsern Bedürfnissen anzupassen gewußt, während Hübsch (gest. 1863) in Karlsruhe die altchristliche und romanische Bauart zu entwickeln strebte und in dem Theater zu Karlsruhe, der Trinkhalle in Baden-Baden, vor allem aber in der Kunstschule zu Karlsruhe seine besten Leistungen hinterlassen hat. Einer freiern Verwendung antiker Formen verdankt die Stuttgarter Schule den Fortschritt zu einer edlen Renaissance, wovon die Villa bei Berg von Leins, Egles Polytechnikum und Stuttgarts Privatbauten Beispiele darbieten. Unter den Leistungen der neuesten Zeit sind das Postgebäude von Tritschler, der ebenso geschmackvolle wie zweckmäßig eingerichtete neue Bahnhof von Morlock, die Kirche am Feuersee von Leins, das Gesellschaftsgebäude der Museumsgesellschaft von Reinhardt und die schon stark in den Barockstil hinüberspielenden Privatbauten von Gnauth zu nennen.
Die bauliche Entwickelung Wiens, welche bis zum Jahr 1828 unter dem Druck einer baubüreaukratischen Reaktion gestockt hatte, datiert von diesem Jahr, in welchem der Schweizer Architekt Müller aus Wyl, Zieblands Schüler, durch den in den italienisch-deutschen Formen des romanischen Stils bewirkten Bau der Altlerchenfelder Kirche eine erste Anregung zum Fortschritt gab. Ihr folgte der Bau der neuen Synagoge im maurischen Stil von Förster, des riesigen Artilleriearsenals, welches aus den Konkurrenzplänen der Architekten Hansen, Förster, Rösner, Siccardsburg und van der Nüll kombiniert war und, obwohl ohne völlige Einheit, doch in seinen einzelnen Teilen, besonders in dem stattlichen Waffenmuseum Hansens, welches eine ebenso originelle wie harmonische Verbindung romanischer und maurischer Elemente zeigt, eine hervorragende Leistung der modernen Architektur darstellt. Auch durch seine Kapelle des evangelischen Friedhofs, die Pfarrkirche der nichtunierten Griechen, den Renaissancepalast Erzherzog Wilhelms, den in dem Heinrichshof vereinigten großartigen Komplex von Miethäusern, das in griechischem Stil erbaute Parlamentsgebäude und die Akademie der bildenden Künste hat Hansen für Wien Epochemachendes geleistet. Während das von Siccardsburg und van der Nüll errichtete neue Opernhaus sich in den Formen der Spätrenaissance bewegt, hat Heinrich Ferstel (gest. 1883) in der Votivkirche einen edlen gotischen, in dem Bank- und Börsengebäude und der Universität imponierende Bauten im Stil der florentinischen Paläste geschaffen. Unter den strengern Gotikern ist vor allen Friedr. Schmidt mit seiner Lazaristenkirche (1860–62), seinem akademischen [505] Gymnasium (vollendet 1867) und dem im Stil italienischer Gotik ausgeführten Rathaus zu nennen. Auf seinem eng begrenzten Gebiet ist er ein trefflicher Meister und neben Statz, welcher mehrere Kirchen in den Rheinlanden erbaut hat, das tüchtigste Glied der kölnischen neugotischen Schule. Unter den neuesten Kirchen sind die Weißgerberkirche, die Pfarrkirche in der Brigittenau und die Kirche in Fünfhaus, alle von Schmidt, in gotischem Stil erbaut. Der Bau der Hofmuseen, des Hofburgtheaters und der Hofburg selbst nach den Entwürfen von Semper u. Hasenauer und der Justizpalast von A. v. Wielemans bilden gewissermaßen den monumentalen Abschluß einer Gruppe von Bauten, wie sie großartiger und phantasievoller keine zweite moderne Großstadt besitzt. (Näheres s. bei Wien, mit Tafel „Wiener Bauten“.)
In Norddeutschland ist namentlich die Friedenskirche zu Potsdam, von Persius 1850 vollendet, ein glänzendes Muster des Basilikenstils, der nicht minder glücklich, wenn auch mit weit geringern Mitteln im Backsteinrohbau in Stülers Jakobikirche zu Berlin zur Anwendung kam (1845). Stracks Petrikirche ist schon deswegen bemerkenswert, weil hier unter größter äußerer Beschränkung die Gotik einem Grundriß sich anbequemen mußte, welcher ihr fremd war, und hierdurch zu einem originellen Bauwerk Veranlassung gab. Einen nicht minder bedeutenden Bau, für welchen der romanische Stil und noch mehr die Renaissance Vorbilder gaben, ist die mit Kuppeln überdeckte Kirche der katholischen St. Michaelsgemeinde von Soller. Zu den großen Profanbauten, mit welchen Friedrich Wilhelms IV. Kunstsinn die Stadt schmückte, gehört das Neue Museum von Stüler, welches alle Sammlungen in sich schließt und mit Schinkels Altem Museum durch eine Straßenüberführung verbunden ist. Unter der Leitung von Strack wurde ein andrer Teil der Anlage, die Nationalgalerie, errichtet. Im Privatbau, besonders dem ländlichen, zu dessen Ausbildung die Straßen am Tiergarten und die reizenden Umgebungen Potsdams aufforderten, haben Strack, Knoblauch, Hitzig und besonders Persius Treffliches geschaffen. Zu den Wohnhäusern größern Stils gehört das elegante russische Botschaftshotel von Knoblauch, zu den öffentlichen Gebäuden das im Backsteinrohbau aufgeführte Rathaus von Wäsemann, die im Renaissancestil erbaute Börse, das erste in Hausteinen aufgeführte Gebäude Berlins, und die deutsche Reichsbank von Hitzig. Die im maurischen Stil aufgeführte Synagoge von Knoblauch zeichnet sich ebensowohl durch meisterhaften Grundriß wie durch die edlen Verhältnisse ihres Innern und ihrer originellen eisernen Kuppel aus, während die Anatomie und das chemische Laboratorium von Albert Cremer edle und geschmackvolle Leistungen im Backsteinbau darstellen. Unter den Kirchen der neuesten Periode sind die byzantinische Thomaskirche von Adler und die romanische Zionskirche von Orth als Muster zweckmäßiger Einrichtung und künstlerischer Durchbildung hervorzuheben. Besonders zahlreich sind die Leistungen auf dem Gebiet des Eisenbahnbaues, unter welchen der Görlitzer Bahnhof von Orth, der Ostbahnhof von Lohse, der Niederschlesisch-Märkische, der Lehrter und Potsdamer, der Anhalter von Schwechten und die Stadtbahnhöfe von Jakobsthal bei zweckmäßiger Anlage und künstlerischer Durchbildung eine mehr oder minder gelungene Verbindung des Steinbaues mit dem Eisenbau zeigen. Die Privatarchitektur weist eine Fülle von Bauten auf, welche, in dem Charakter eines Palastes oder einer Villa gehalten, meist sowohl in Anlage als in Form vortrefflich sind. Auf diesem Gebiet haben sich neuerdings neben den Meistern der ältern Periode, wie Lucae und Gropius und Schmieden, besonders Ende und Böckmann, Kayser und v. Großheim, Ebe und Benda, Kyllmann und Heyden, Otzen, H. Stier hervorgethan. (Näheres s. bei Berlin, mit Tafel „Berliner Bauten“.) – Unter den Bauwerken Dresdens sind Sempers Theater (1841 vollendet, 1869 abgebrannt, von neuem nach seinem Plan 1872–77 erbaut) ausgezeichnet zugleich durch die Fülle bedeutenden Schmuckes, für welche Plastik und Malerei auf das freigebigste aufgeboten wurden, und Museum, der Schlußstein des mächtigen Zwingerbaues, hervorzuheben. Mit dem Jahr 1848 erreichte Sempers Thätigkeit vorerst in Dresden ihr Ende und fand in der Schweiz, wo er in dem eidgenössischen Polytechnikum und Bahnhof zu Zürich und in dem Rathaus zu Winterthur Bauwerke in edlem Renaissancestil schuf, und später in Wien ihre Fortsetzung (s. oben). Leipzig zeigt im Privatbau meist eine Renaissance unter Dresdener Einfluß und erfreut sich im Museum des Müncheners Ludwig Lange, das 1858 vollendet und seit 1883 durch Lipsius erweitert wurde, eines seinem Zweck trefflich entsprechenden Gebäudes. Braunschweig hat durch Ottmer (1831–36) ein schönes, im Renaissancestil mit korinthischen Säulenstellungen erbautes Residenzschloß, welches später, teilweise durch Feuer zerstört, in der alten Gestalt wiederhergestellt wurde, und durch Raschdorff ein in gotischem Stil erbautes Postgebäude erhalten. Hannover hat bei bedeutendem Anwachs der Bevölkerung eine große Bauthätigkeit entfaltet. Das 1852 eröffnete Theater von Laves ist ein prachtvoll ausgestatteter Renaissancebau im Rundbogenstil; außerdem sind Haases Museum (romanisch) und Christuskirche (gotisch) als Bauten von hervorragender Bedeutung zu erwähnen. Unter den öffentlichen Gebäuden Bremens ist die im gotischen Stil erbaute Börse von Müller hervorzuheben. Von Köln aus, wo der gotische Stil durch den wieder aufgenommenen Dombau unter Zwirners Leitung treffliche Pflege fand, verbreitete er sich wieder auch durch Deutschland und rief namhafte Bauten hervor, unter welchen die Nikolaikirche zu Hamburg von dem Engländer Gilbert Scott, 1863 eingeweiht, und die Kölner Bauten von Statz zu nennen sind. In Schwerin sind durch den von Schinkel beeinflußten A. Demmler mehrere Monumentalbauten entstanden, unter denen das im florentinischen Palaststil gehaltene Arsenal und das im Stil der französischen Frührenaissance errichtete, von Stüler vollendete Schloß die bedeutendsten sind.
Deutschland zunächst hinsichtlich der Bedeutung des neuesten architektonischen Schaffens steht Frankreich, wo die provinziellen Eigentümlichkeiten nicht so wie dort hervortreten, sondern Paris allein den Mittelpunkt aller Produktion bildet. Auf die streng antikisierende Richtung eines Percier und Fontaine unter dem ersten Kaiserreich folgte die freiere klassische Richtung des 1867 verstorbenen Hittorf aus Köln, der die edle Basilika St.-Vincent de Paul baute, und dem die Vollendung der Anlage der Place de la Concorde zu danken ist. Unter den Leistungen der Gotiker, welche fast durchweg den frühsten Formen dieses Stils sich anschließen, sind Viollet le Ducs Kirche in St.-Denis und die Kirche Ste.-Clotilde zu Paris von Gau aus Köln hervorzuheben, welch ersterer auch die gelungene Restauration der Ste. Chapelle zu Paris leitete. Von größerm Erfolg war der Anschluß an die Renaissance, wie er sich [506] namentlich seit der Restauration und Erweiterung des Hôtel de Ville (nach der Zerstörung durch die Kommune in ziemlich engem Anschluß an den ältern Bau durch Ballu und Deperthes wieder aufgebaut) und in Dubans edler Schöpfung, der École des beaux-arts, zeigte. Eine ähnliche Richtung verfolgte Visconti, der sich als Meister in der Anlage von Denkmälern, wie der Fontäne St.-Sulpice, der Fontäne Molière, der Kaisergruft unter dem Invalidendom, bewährte und unter dem zweiten Kaiserreich die Pläne zum neuen Louvrebau machte, von denen man nach seinem Tod (1853) leider abwich. Die öffentliche wie die Privatarchitektur der neuen Stadtviertel kleidet sich mehr und mehr in die Formen der üppigsten Spätrenaissance, so in Garniers Neubau der Großen Oper, die nicht nur im Detail mittelmäßig, sondern auch im Zusammenwirken der einzelnen Teile verfehlt ist, in einigen neuen Kirchen, St.-Augustin am Boulevard Malesherbes (von Baltard) und in Ste.-Trinité. Nur hier und da bringt die Privatarchitektur, namentlich in Landhäusern, besseres zu stande. Ein Versuch, durch Verbindung von romanischen, maurischen und Renaissanceelementen einen neuen Stil zu schaffen, ist in dem 1877 zunächst für die Zwecke der Weltausstellung vollendeten Trocadéropalast von Davioud und Bourdais gemacht worden. In England führten seit dem Anfang des Jahrhunderts archäologische Forschungen zu einem noch reinern und völlig unvermittelten, dafür aber auch desto einseitigern Anschluß an klassische Vorbilder. Mit der Zeit hat man sich der Spätrenaissance zugewandt, welche man hauptsächlich bei palastartigen Gebäuden anwendet. Daneben wird mit Vorliebe, wo es geht, die Gotik, meist in ihren spätesten Formen, angewandt (Barrys Parlamentshäuser). Der Schwerpunkt der englischen Bauthätigkeit unsrer Zeit liegt in der Solidität des Technischen, zu welcher bisweilen eine geschmackvolle Behandlung des Ornaments hinzutritt. Großartiges ist hier auf dem ganz modernen Gebiet des Glas- und Eisenbaues geleistet worden, wo der jetzt nach Sydenham übertragene Kristallpalast der ersten Weltausstellung Paxtons hervorzuheben ist. Eine Übersicht der wichtigsten Beispiele der architektonischen Stilarten gewähren unsre Tafeln „Baukunst I–XII“ nebst Tabelle; vgl. dazu den Art. Baustil.
[Litteratur.] Mit Übergehung der veralteten Litteratur ist in erster Linie als Führer W. Lübke, Geschichte der Architektur (6. Aufl., Leipz. 1884) zu erwähnen, in welcher alle Litteraturnachweise und namentlich die zahlreichen Einzelpublikationen und Sammelwerke verzeichnet sind. Daneben sind Schnaase, Geschichte der bildenden Künste (2. Aufl., Düsseld. 1865–78, 8 Bde.), und Kugler, Geschichte der B. (Stuttg. 1856–59, Bd. 1–3; fortgesetzt von Burckhardt und Lübke: „Renaissance in Italien, Frankreich und Deutschland“, 2. Aufl. 1878–82), als Hauptwerke zu nennen. Für die B. des Altertums ist Perrot und Chipiez, Geschichte der Kunst im Altertum (Bd. 1: „Ägypten“, deutsche Ausg., Leipz. 1882–1884), das am größten angelegte und inhaltreichste Werk; daneben sei Reber, Geschichte der B. im Altertum (das. 1867) genannt. Für die Kenntnis der griechischen B. ist K. Bötticher, Die Tektonik der Hellenen (2. Aufl., Berl. 1869 ff.), grundlegend, während J. Durm, B. der Griechen (Darmst. 1881), die beste bautechnische Prüfung aller Überreste der griechischen B. enthält. Als Leitfaden ist auch W. Lübke, Abriß der Geschichte der Baustile (4. Aufl., Leipz. 1878), zu empfehlen. Für eine Hauptepoche der italienischen B. liefert O. Mothes, Die B. des Mittelalters in Italien (Jena 1883), reiches Material. Eine „Geschichte der deutschen B.“ schrieb H. Otte (Leipz. 1862–74). Das Material an bildlichen Darstellungen ist durch die Monographien, Einzelpublikationen und Sammelwerke so ungeheuer angewachsen, daß wir nur diejenigen Sammlungen erwähnen, welche eine Anschauung von der gesamten Entwickelungsgeschichte der B. gewähren. Es sind dies: Gailhabaud, Denkmäler der B. aller Zeiten und Länder (a. d. Franz. von Lohde, Hamb. 1842–50, 4 Bde.); Lübke und v. Lützow, Denkmäler der Kunst (4. Aufl., Stuttg. 1884), und die „Kunsthistorischen Bilderbogen“, mit Textbuch von A. Springer (2. Aufl., Leipz. 1884). Für die deutsche Renaissance ist A. Ortwein, Deutsche Renaissance (Leipz. 1871 ff.), das reichhaltigste Sammelwerk, zu welchem Fritsch, Denkmäler deutscher Renaissance (Berl. 1882 ff.), ergänzend hinzutritt. Auch E. Försters Denkmale deutscher B. (Leipz. 1857–59) sind anzuführen. – Von Lehrbüchern der B. sind hervorzuheben: „Deutsches Bauhandbuch. Eine systematische Zusammenstellung der Resultate der Bauwissenschaften“ (reich illustriert, Berl. 1874–83) und „Handbuch der Architektur“, herausgegeben von Durm u. a. (Darmst. 1881 ff., mit zahlreichen Abbildungen); daneben ist Mothes, Illustriertes Baulexikon (4. Aufl., Leipz. 1881 ff., 4 Bde.), zu erwähnen. Die Interessen und die Kunde der B. werden gegenwärtig in Deutschland und Österreich durch folgende Zeitschriften vertreten: „Zentralblatt der Bauverwaltung“ (amtliches Organ des preußischen Arbeitsministeriums), „Deutsche Bauzeitung“, „Wochenblatt für Baukunde“, „Zeitschrift für Bauwesen“ (sämtlich in Berlin erscheinend); „Allgemeine Bauzeitung“ (Wien). In Frankreich sind die „Revue d’Architecture“, die „Encyclopédie d’Architecture“ und die „Gazette des Architectes et du Bâtiment“, in England „The Architect“, „The British Architect“, „The Builder“ und „The Building News“, für Holland das „Bouwkundig Weekblad“ und die „Bouwkundig Tijdschrift“, für die Vereinigten Staaten die „American Architect and Building News“ die Zentralorgane.
Tafel I–III.
In den Vereinigten Staaten, Mexiko (Palenque, Teocalli von Xochicalco, Tusapan, Papantla, Fig. 1–3) und Peru (Cuzco, Cayambe), ca. 600–700 n. Chr. bis zur Invasion der Spanier.
Beginn des Momumentalbaues ca. 250 v. Chr., unter Voraussetzung einer früher entwickelten Technik.
Freibauten: Topes (Stupas, Reliquienbehälter) zu Sanchi und auf Ceylon etc. Pagoden zu Mahamalaipur, Dschagannath, Madura (Fig. 4–6), Chillambrum (Fig. 7) etc. Tempel der Dachainas auf dem Berg Abu.
Grottenanlagen zu Ellora, Kailasa (Fig. 8, 9), Parasua Rama (Fig. 10), Elefanta (Fig. 11), Salsette, Mahamalaipur (Fig. 12), Karli (Fig. 13) etc.
Babylon, bis ca. 1000 v. Chr. Ninive, bis ca. 606 v. Chr. Chorsabad. Kujundschik (Fig. 1–3).
Ekbatana. Persepolis (Propyläen und Halle des Xerxes, Fig. 4, 5, 8, 9; Felsengrab des Darius, Fig. 7), Pasargadä (Grab des Cyrus, Fig. 6), bis 467 v. Chr.
- Dazu gehörend:
Römisch-byzantinischer Einfluß: Paläste zu Al Hathr, Diarbekr, Firuz Abad, Sarbistan, Ktesiphon etc. Felsenthore von Tak i Bostan, Tak i Gero. Feueraltäre bei Naksch i Rustam.
Phönikisch: Mauern und Gräber von Karthago, 878–146 v. Chr.
Hebräisch: Salomos Tempel zu Jerusalem, 1014–1007 v. Chr. (Fig. 10), Königsgräber zu Jerusalem (Fig. 11, 12), sogen. Grab des Absalom (Fig. 13).
Lydien. ca. 700–500 v. Chr. Sogen. Grab des Tantalos. Grab bei Sardes. Grab des Alyattes (Herodot).
Phrygien. 6. Jahrh. v. Chr. Grab des Midas.
Lykien. 5.–3. Jahrh. v. Chr. Gräber zu Lymira, Telmissos (Fig. 14), Antiphellos (Fig. 15), Freibau: Nereidendenkmal aus Xanthos (zu London).
Pyramiden: Memphis (Fig. 1, 2); Sarkophag des Königs Mencheres an der Pyramide von Gizeh (Fig. 3), 4000–3000 v. Chr. Obelisken (ältester zu Heliopolis, Ende des 3. Jahrtausends v. Chr.).
2100–1600 v. Chr. unter den Hyksos Stillstand.
Blütezeit 1600–1260 v. Chr. Denkmäler von Tempeln und Grotten zu Theben, Edfu (Fig. 4–7), Memphis, Abu Simbal (Fig. 8), Philä (Fig. 9), Tempel Ramses’ d. Gr. (Ramesseum, Fig. 10). Einzelne Stilformen von Medinet-Habu, Dendrah, vgl. Fig. 11–19.
[Ξ]
Mauerstruktur der Pelasger. Kyklopenmauern (Löwenthor von Mykenä, Fig. 1, 2; Mauer zu Psophis, Fig. 3; Thor zu Phigalia, Fig. 4; Amphissa, Fig. 5).
Dorischer Stil (ca. 1000 v. Chr.).
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Ionischer Stil (ca. 600 v. Chr.).
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Strenge Gebundenheit, einfach klare Gesetzmäßigkeit in Konstruktion und Form. Scharf kannelierte Säule ohne Basis, mit Echinus und Abakus als Kapitäl, glatter Architrav, Triglyphen und Metopen am Fries. | Schlankeres System; Fülle anmutig bewegter Formen: stumpf kannelierte Säule mit Basis, verzierter Echinus mit anliegenden Voluten, gegliederter Architrav, Fries ohne Triglyphen. |
Erste Epoche. Tafel IV.
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600–470 v. Chr., von der Solonischen Zeit bis zu den Perserkriegen. | |
Tempel zu Selinunt, Agrigent etc. Poseidontempel zu Pistum, Zeustempel zu Athen etc. | Tempel der Hera auf Samos. Artemistempel zu Ephesos. |
Zweite Epoche.
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470–338 v. Chr., von den Perserkriegen bis zur makedonischen Oberherrschaft. | |
Parthenon zu Athen, 438 v. Chr. (Fig. 6). Propyläen, 431 v. Chr. | Tempel der Nike Apteros, 469 v. Chr. Erechtheion (Fig. 7), ca. 409 v. Chr. |
Dritte Epoche.
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Von der makedonischen Herrschaft bis zum Untergang Griechenlands. | |
Verfall des streng dorischen Stils. | Tempel der Athene zu Priene, 340 v. Chr. |
Tempel der Athene Alea zu Tegea, 350 v. Chr. |
Spätere spielende Abart der andern Stile; original nur das Kapitäl, von schlanker, kelchförmiger Gestalt mit Akanthusblättern etc. reichverziert, später Kranzgesims mit Konsolen.
Monument des Lysikrates (Fig. 8, 9), 334 v. Chr. Turm der Winde (Fig. 10). Mausoleum zu Halikarnaß, 354 v. Chr. Apollontempel zu Milet. Theater zu Segesta (Fig. 11).
Denkmäler pelasgischer Art: die Mauern der Stadt Cossa. Erste Bogenbildung durch Überkragung horizontaler Steinschichten: Quellhaus zu Tusculum (Fig. 1) und Spitzbogen des Thors von Arpino. Gewölbebau (Konstruktion des Rundbogens, Fig. 2): Thor von Volterra (Fig. 3), Perugia (Fig. 4), Cloaca maxima zu Rom (Fig. 5). Bei dem Tempelbau (Fig. 6, 7) griechischer Einfluß. Tempelreste fehlen. Grabmäler bei Norchia, Castellaccio und Castel d’Asso, Cucumella bei Vulci und sogen. Grab der Horatier und Curiatier bei Albano (Fig. 8–11).
Einfluß der etruskischen Bauten ca. 300 v. Chr. Entwickelung des etruskischen Bogens zum Tonnengewölbe (Taf. V, Fig. 12), Kreuzgewölbe (Fig. 13), dann Kuppelbau.
Einfluß griechischer Bauten nach Unterjochung Griechenlands ca. 150 v. Chr.
Anwendung des Säulenbaues der Griechen: Hallen, Märkte, Basiliken.
Bedeutung der römischen Architektur: Verbindung der alten Formen des Säulenbaues und des neuen Konstruktionsprinzips der Wölbung zu einem neuen Stil.
- 1. Glanzepoche, zur Zeit des Kaisers Augustus (31 v. Chr. bis 14 n. Chr.): Pantheon (Taf. V, Fig. 14–16), Theater des Marcellus, Mausoleum des Augustus. Aquädukt des Claudius (Taf. VI, Fig. 3). Die Privatgebäude in Pompeji (Taf. VI, Fig. 4–6).
- 2. Glanzepoche, unter den Flaviern, 69 n. Chr.: Kolosseum (80 n. Chr.), Triumphbogen des Titus und Konstantin (Taf. VI, Fig. 7), Mausoleum des Hadrian (Taf. VI, Fig. 8–10), Basilika des Konstantin, Tempel der Venus und Roma, 135 n. Chr. (Taf. V, Fig. 17, 18). Amphitheater zu Nîmes (Taf. VI, Fig. 1, 2).
- 3. Spätrömische Bauten: Thermen des Caracalla (Taf. VI, Fig. 11), ca. 200 n. Chr., Palast des Diokletian in Spalato (Taf. VI, Fig. 12, 13), 305 n. Chr.
Dorisch. Den Etruskern entlehnt; verziertes Kapitäl, Basis; mißbräuchlich toscanische Ordnung genannt. Tabularium zu Rom. Sarkophag des Scipio 250 v. Chr. (im Vatikan).
Ionisch. Entkleidung des ionischen Stils von seiner zarten, lebensvollen Anmut. Tempel der Fortuna Virilis.
Korinthisch. Am Sonnentempel Aurelians (sogen. Frontispiz des Nero). Auf den obern Teil des Kapitäls wurden an Stelle der leichten Spiralstengel breite Voluten samt dem Echinus des ionischen Kapitäls gelegt, woraus das Komposit- oder römische Kapitäl entstand. Titusbogen 70 n. Chr. (Rom).
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entstanden aus der römischen Basilika durch Überhöhung und wagerechte Deckung des früher offenen, unbedeckten Mittelraums. Isolierter Glockenturm. Basilika St. Paul vor Rom (Fig. 1–3); S. Agnese, 6. Jahrhundert. S. Prassede, 9. Jahrhundert.
Verbindung der altrömischen Kuppel mit quadratischem Grundriß (Fig. 7). Griechische Kreuzform (Fig. 8). Seit dem 5. Jahrh. San Vitale zu Ravenna, 526–547 (Kapitäler aus Ravenna, Fig. 4–6). Sophienkirche in Konstantinopel (Fig. 9–12), 532–537.
In Italien: Palast Theoderichs zu Ravenna, Grabmal des Theoderich, jetzt Santa Maria della Rotonda in Ravenna. Palast della Torri zu Turin, 8. Jahrh. Im Norden: Porta nigra und Dom zu Trier. – Bauten Karls d. Gr.: Palastkapelle in Aachen 796–804.
Von byzantinischen Einwirkungen ging aus: Georgisch: Kirche zu Pitzounda. Armenisch: Kathedrale zu Ani.
Spitzbogen, Hufeisenbogen (Fig. 1), Kielbogen (Fig. 2), Stalaktitengewölbe (Fig. 4, 6), Flächendekoration (Fig. 7, 8, 16, 17).
Moschee el Haram zu Jerusalem, ca. 637. Moschee Amru in Alt-Kairo, 643. Moschee el Moyed el Aksa zu Kairo (Fig. 3), 1415. Schloß der Kuba bei Palermo (Fig. 4), 1180.
Moschee zu Cordova (Fig. 5), 786. Minaret Giralda zu Sevilla, 1195. Burg Alhambra, gebaut im Laufe des 13. und 14. Jahrh. (Abencerragen-Halle, Fig. 6, Details Fig. 7–12). Kapitäler aus Gerona (Fig. 13, 14).
Anfänge gegen Ende des 12. Jahrh.; Blütezeit 16.–17. Jahrh. Kutab Minar und Große Moschee (Fig. 15) zu Dehli. Palast Akbars zu Agra. Persien, 8. Jahrh., Blütezeit 16. Jahrh. Meidan Schahi zu Ispahan. Moschee Achmeds zu Konstantinopel, 15. Jahrh.
Wasilij Blagennoi zu Moskau.
Beispiele in der Walachei: Kirche in Kurtea d’Argyisch (Ornamente, Fig. 16, 17).
Beginn 1000. Blütezeit 12. Jahrhundert. Verfall 13. Jahrhundert.
Abteikirche zu Laach. St. Godehard in Hildesheim (Fig. 1).
Dom zu Speier. Kirche zu Hecklingen (Fig. 2).
Dom zu Bamberg (Fig. 3–5), Dom zu Mainz (Fig. 6, 7). Münster zu Basel (Fig. 8).
Cistercienserkloster Maulbronn (Fig. 9), Palast des Kaisers Barbarossa in Gelnhausen (Fig. 10). Holzbau: Kirche zu Hitterdal.
Beginn 12. Jahrhundert. Blütezeit 1250–1350, Verfall 1350–1450.
Festhalten der durch die gewölbte Basilika gegebenen Grundlage. Grundgesetz der Konstruktion: das Spitzbogengewölbe mit Strebepfeilern; außerdem charakteristisch: Strebebogen, Bündelpfeiler, reiche Bogengliederung zu Kreuz-, Stern- und Netzgewölben, Maßwerke, Fialen, Krabben, Kreuzblumen.
Dom zu Köln (begonnen 1248, Tafel „Kölner Dom“), Freiburg (13. Jahrh.), Straßburg (1318), Wien (14. Jahrh.), Reims (1212–1300, Taf. X, Fig. 5), Notre Dame zu Paris (1163–1257), Kathedrale in York (1291–1330, Taf. X, Fig. 1), Mailand (begonnen 1386), Siena (Taf. X, Fig. 6), Burgos (begonnen 1221, vollendet 1442–87, Taf. X, Fig. 4), Toledo (begonnen 1227). – Palast Cadoro und Dogenpalast zu Venedig, Marienburg, Rathaus zu Braunschweig (begonnen 1393, Taf. X, Fig. 2), Löwen (1418–69), Tuchhalle zu Ypern (Taf. X, Fig. 3).
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1420–1500.
Florentinische Schule: Dom zu Florenz und Palazzo Pitti, von Fil. Brunellesco; Certosa von Pavia, 1473 von Borgognone begonnen (Taf. XI, Fig. 1); Palazzo Strozzi, 1489 von Ben. da Majano begonnen (Taf. XII, Fig. 1).
Venezianische Schule: Palazzo Vendramin Calergi, 1481 von Pietro Lombardo erbaut; Scuola di San Marco, 1490 von Martino Lombardo begonnen; Scuola di San Rocco, 1517 unter Bart. Buono begonnen, später durch A. Scarpagnino beendet; Hof des Dogenpalastes, von Ant. Bregno begonnen; San Zaccaria, 1457 angeblich von M. Lombardo erbaut (Taf. XII, Fig. 2).
1500–1580.
Römische Schule: Palast der Cancelleria in Rom, von Bramante; Palast Pandolfini zu Florenz, von Raffael; Peterskirche zu Rom, 1506–1667, von Bramante, Michelangelo, Buonarroti, Raffael, Peruzzi, Ant. da Sangallo, Maderna, Bernini (Taf. XI, Fig. 2–5).
Bibliothek von San Marco zu Venedig, 1536 von Jac. Sansovino begonnen (Taf. XII, Fig. 3); Kirche del Redentore zu Venedig, von A. Palladio, 1576.
1580–1800.
Palazzo Barberini zu Rom, Kolonnaden des Petersplatzes, von Bernini; Sant’ Agnese zu Rom, von Borromini (1599–1667); Palazzo Borghese zu Rom, von Mart. Lunghi.
Frankreich: Schloß zu Chambord, 1523 von Nepveu-Trinqueau erbaut; Hôtel de Ville, 1533–1628; Westfassade des Louvre, von P. Lescot, 1541 (Taf. XII, Fig. 4); Pantheon, 1713–81 von Soufflot erbaut; Tuilerien zu Paris, von Phil. Delorme, 1564. (Letzte Entwickelung des Stils: Rokoko.)
England: Paulskirche zu London, 1675–1710 von Christ. Wren erbaut.
Niederlande: Börse zu Antwerpen, 1531.
Spanien: Neue Kathedrale zu Salamanca, 1512 nach den Plänen von Egas und Rodriguez von Hontanon erbaut; Kloster Eskorial, 1563–84 von Juan de Toledo und Juan de Herrera erbaut.
Deutschland: Belvedere auf dem Hradschin zu Prag, Heidelberger Schloß (Otto-Heinrichs-Bau, 1556–59; Taf. XII, Fig. 5); Gewandhaus zu Braunschweig, 1589; Rathaus zu Augsburg, 1615–20 von E. Holl erbaut; Zeughaus zu Berlin, 1685 von Nehring begonnen, vollendet von de Bott; Königliches Schloß zu Berlin, von A. Schlüter, 1699–1706; Karl Borromäus-Kirche in Wien, von J. B. Fischers v. Erlach, 1716; Zwinger in Dresden, 1711.
Im vorhergehenden Jahrhundert des Zusammenhangs in sich und mit dem Leben verlustig geworden, folgte sie dem allgemeinen, großen, geistigen Zug. In der gründlichen Durchforschung, im treuen Studium der neuentdeckten Werke aus der griechischen Blütezeit fand die Baukunst Läuterung und schloß sich späler an die Vorbilder der Renaissancezeit an.
Deutschland. Berlin (s. Tafel „Berliner Bauten“): das Alte Museum, Schauspielhaus und Bauakademie von Schinkel, Petrikirche und Nationalgalerie von Strack, Synagoge und russisches Botschaftspalais von Knoblauch, Neues Museum und Markuskirche von Stüler, Rathaus von Wäsemann, Börse und Reichsbank von Hitzig, Michaelskirche von Soller, Reichstagsgebäude von Wallot. München: Bibliothek von Gärtner, Glyptothek und Allerheiligenkapelle von Klenze, Mariahilfkirche in der Vorstadt Au von Ohlmüller, Bonifaciuskirche von Ziebland, Bahnhofsgebäude von Bürklein, Neue Pinakothek von Voit. Dresden: Museum und Theater von Semper. Leipzig: Museum von Lange. Stuttgart: Villa des Kronprinzen von Leins, Wilhelma von v. Zanth, Polytechnikum von Egle, Bahnhof von Morlock. Hannover: Christuskirche von Hase. Karlsruhe: Bahnhof von Eisenlohr, Kunstschule und Theater von Hübsch. Braunschweig: Residenzschloß von Ottmer. Hamburg: Nikolaikirche von Scott, Kunsthalle von Schirrmacher und Hude.
Österreich. Wien (s. Tafel „Wiener Bauten“): Altlerchenfelder Kirche von Müller, Arsenal von Förster und Hansen (Waffenmuseum), van der Nüll und Siccardsburg (Kommandantur) und von Rösner (Kapelle); Synagoge von Förster, Kirche der nichtunierten Griechen und Friedhofskapelle von Hansen, Votivkirche und Bankgebäude von Ferstel, Lazzaristen- und Weißgärberkirche von Schmidt, Neues Opernhaus von van der Nüll und Siccardsburg, Heinrichshof von Hansen, Rathaus von Schmidt, Parlamentshaus und Kunstakademie von Hansen, Hofmuseen von Semper und Hasenauer, Hofburgtheater von Semper, Universität von Ferstel, Justizpalast von v. Wielemans.
Frankreich. Paris: Madeleinekirche von Vignon, 1808–43; Verbindungsbauten des Louvre und der Tuilerien von Visconti und Lefuel, 1852–57; die Neue Oper von Garnier, 1861–75; St.-Vincent de Paul von Hittorf, 1824–44; Ste.-Clotilde von Gau und Ballu, 1846–57; Bibliothek Ste.-Geneviève von Labrouste; Trocadéropalast von Davioud und Bourdais.
Belgien. Brüssel: die neue Börse von Zuys, der Justizpalast von Poelaert. Gent: Justizpalast und Universität von Roelandt. Antwerpen: die neue Börse.
England. London: Parlamentshäuser von Barry, Bankgebäude von John Soane, Coventgarden-Theater von Robert Smirke.
Rußland. Petersburg: Kathedrale von Waronchin, Isaakskirche von Montferrand.
Schweiz. Zürich: Polytechnikum von Semper. Basel: die Elisabethenkirche von Stadler.
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BAUKUNST VII. ALTCHRISTLICHER und BYZANTINISCHER STIL. |
1 S. [Paul] vor Rom. Altch[ristlich]er Basilikenbau.[WS 2] 2 Grundriß von S. Paul. 3 Querschnitt von S. Paul von C nach D des Grundr. 4 Kapitäl aus Ravenna. (Altchristlich.) 5 Kapitäl aus S. Vitale. (Byzantinisch.) 6 Kapitäl aus S. Vitale zu Ravenna. (Byz.) 7 Konstruktion der byzant. Kuppel. Verbindung der altröm. Kuppel mit quadrat. Grundriß. 8 Griechisches Kreuz als Basis des Zentralbau-Systems. 9 S. Sophia [zu] Konstantinopel. 532–537 n. Chr. Längenschnitt von S. Sophia, [von] A nach B des Grundr. (Byzant. Stil, Zentralbau-System.) 10 Innere Ansicht von S. Sophia von A nach B des Grundr. 11 Grundriß von S. Sophia. 12 Kapitäl aus S. Sophia. (Byzant.) 13 Byzant. Ornament aus dem Dom zu Monreale. (Sizilien.) |
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Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Siehe auch den Nachtrag unter Baukunst der Gegenwart (Band 18).
- ↑ Durch Falz der Tafel nicht lesbare Teile sind in [ ] ergänzt.