einmal eine Semmel kann ich bekommen!“ Alle wollen überzahlen. Es ist ihnen ganz gleichgültig, was die Sachen kosten, aber sie bekommen nichts mehr.
Es ist so merkwürdig, daß der Mammon, um den sich im Frieden die ganze Welt zu drehen scheint, hier auf einmal bedeutungslos wird.
Heute auf dem Postamt stand ein junger Soldat eines Siebenbürger Regimentes neben mir. Er gab gegen 1200 K in mehreren Postanweisungen auf, wie es scheint, war ein Teil davon von Kameraden, und er sagte mir: „Ich schicke alles nach Hause; erschießen sie mich, so haben doch die Eltern wenigstens etwas davon. Und ich kann mir ja nichts dafür kaufen.“ Er war fünf Tage im Gefecht gewesen. Ein Kamerad, der mit ihm war, erzählte, er sei versprengt gewesen und die Russen hinter ihm her. „Gelaufen bin ich“, sagte er, „wie ein Auto, nein schneller, schneller — wie ein Aeroplan!“ Endlich nach langem Hin- und Herirren war es ihm gelungen, einen Trainwagen zu finden, mit dem er zu seiner Kompagnie fuhr. Ich meinte darauf, daß sie nun wohl ein paar Tage Rast haben würden, aber der von den Russen Verfolgte schüttelte den Kopf und sagte leise: „Morgen oder übermorgen geht's an! Sie sind dicht hinter uns her!“ —- So trägt jeder sein eigenes letztes Erleben, ob es Sieg oder Rückzug war, wie eine Suggestion mit sich und schließt daraus auf das Ganze.
Nachmittags hatte ich wieder in der Mickiewiczastraße zu tun, und der Heimweg über Na Branie, wo sich die fünf Hauptverkehrsadern von Przemysl kreuzen, war das Ärgste, was ich bisher an Getümmel erlebt habe; und das will seit den letzten vier Tagen viel heißen. Gerade kam reguläre Kavallerie durch die enge Franziskanergasse. Es war eine zusammengeschweißte Masse
Ilka von Michaelsburg: Im belagerten Przemysl. C. F. Amelang, Leipzig 1915, Seite 16. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:MichaelsburgImBelagertenPrzemysl.pdf/26&oldid=- (Version vom 1.8.2018)
