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Alle Herzen atmen leicht und befreit aus. Man spricht davon, daß der Thronfolger einige Tage bleiben und die Werke besuchen will.

Doch ist jeder Empfang untersagt. Aber es liegt eine helle, stolze Freude auf allen Gesichtern, jedem ist es ein gutes Omen!


Przemysl, den 5. November 1914.

Was ist nicht wieder alles über uns hinweggebraust in diesen 8 Tagen, wo ich kaum Zeit zu ein paar flüchtigen Notizen fand.

Erst die erschütternde Nachricht von dem Heldentod eines lieben Bekannten, die mich ganz elend macht in dem Gedanken an seine Frau und die beiden Kleinen,

die Kriegserklärung der Türkei an Rußland,

und gestern die notwendige Verschiebung unserer Truppen vom hiesigen Kriegsschauplatz nach Russisch-Polen und damit die Möglichkeit einer zweiten Belagerung von Przemysl.

Vorgestern abends wurde ausgetrommelt, daß sämtliche Geschäfte für zwei Tage zu sperren sind, weil große Truppendurchmärsche stattfinden. Die Schließung der Geschäfte geschah wohl in der Absicht, der Festung nicht das Wenige zu nehmen, was in den Geschäften noch hier und dort vorhanden ist.

Außerdem wurde wieder ein Aufruf an die Bevölkerung angeschlagen, daß alle die, die nicht beim Militär oder beim Roten Kreuz beschäftigt sind, Gast-, Kaffeehäuser oder offene Läden haben, die Festung zu verlassen haben. Man sagt darin, daß dies eine notwendige Vorsichtsmaßregel gegen den Ausbruch einer Hungersnot sei, aus der Krankheiten entstehen würden.

Wie Emil abends mit der Nachricht nach Hause kam, daß wir uns auf eine zweite Belagerung gefaßt machen

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Ilka von Michaelsburg: Im belagerten Przemysl. C. F. Amelang, Leipzig 1915, Seite 56. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:MichaelsburgImBelagertenPrzemysl.pdf/66&oldid=- (Version vom 1.8.2018)