Seite:Mittelschule Durlach (Vierordt) 068.jpg

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zu gewöhnen, bestimmte niemals eine Stunde zum Unterricht in der Muttersprache oder auch nur zur Fertigung oder Ablieferung und Censur eines freien deutschen Aufsatzes, sah vielmehr in dieser Muttersprache nur eine Barbarei, über die man eben mit größter Anstrengung Meister werden müsse und leider in den meisten Fällen nicht Meister werde. Solche Ansichten gingen von seinen Musteranstalten auf deren zahlreiche Töchter über. Neben den vielen Reden, die auf dem Durlacher Gymnasium in alten Sprachen durch Schüler gehalten worden sind, weiß ich keine deutsche vor dem Jahre 1687 aufzuführen, wo endlich neben sieben in lateinischer, griechischer, hebräischer, chaldäischer, syrischer, arabischer und äthiopischer Zunge gehaltenen Vorträgen auch ein deutscher auftreten durfte. Zwar in der mit dem Gymnasium verbundenen theologischen Bildungsanstalt wurde zu deutschen Kanzelreden angeleitet, die schriftliche Fertigung wie das Halten der Predigten fleißig geübt, so erzählt Fecht in seinem Manuscript 1689, aber einen Tadel über das ausschließlich lateinische Rhetorisiren der vorangehenden Gymnasialjahre spricht auch er nicht aus. Erst der Anfang des 18. Jahrhunderts begann die der Muttersprache gebührenden Rechte wenigstens einigermaßen anzuerkennen. Die „Ordnung für das fürstliche Gymnasium zu Durlach“ vom 15. Juni 1705 enthält Kapitel III, §. 8 wenigstens die Worte[1]: Die deutsche Sprach selbsten ist in prosa und ligata zuweilen zu excoliren; – aber 1706 und in den folgenden Jahren ist noch lange keine deutsche Sprachstunde in dem Schematismus, sondern blos vorgeschrieben, daß die Tertianer ihren Cicero und Phädrus daheim in’s Deutsche schriftlich übersetzen sollen. Das war aber auch durch Johann Sturm schon längst vorgeschrieben und zwar zu dem Zweck, daß diese daheim gefertigte schriftliche Version in der Schule mündlich revertirt werde. – Daher berichtete der 1715 aus Jena nach Durlach als Rector berufene Königsberger Boye fünf Jahre später: „In der teutschen Poësi und Oratoria wird


  1. Sie steht in dem Album unserer Anstalt für die Jahre 1714–49.