Unbekannt: Ueber die Gemäldeausstellungen der Akademie der bildenden Künste in Dresden, in den Jahren 1769 und 1770 | |
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Ich begab mich zu einem Freunde, der nicht so leicht über einzelne Gemälde in Entzückung geräth, wenn ihn nicht außerordentliche Schönheiten überraschen: der aber den Fortgang der Kunst im Ganzen übersieht; und der, indem er dem Liebhaber das Vergnügen gönnt, das ihm die Stücke selbst machen, auch zugleich als Patriot den Beytrag bestimmt, den die Cultur der Kunst überhaupt zum Besten des Staats thut. So wie jemand, der gegen die erfrischenden Reizungen der Springbrunnen und Wasserfälle in einem schönen Lustgarten nicht fühllos ist, die kluge Sorgfalt des Gartenbaumeisters für Zulänglichkeit des Wassers wegen Beziehung auf das Ganze noch höher schätzen kann: so nimmt ein anderer bey einheimisch hervorgebrachten Gemälden und Kupferstichen zwar an dem Vergnügen des Kenners Antheil, aber von diesen Merkmaalen des Geschmacks in einem Lande, und von der ausgebreiteten Zeichnungskunst, die jenen Kunstwerken die Gestalt gegeben haben, faßt er eine noch schmeichelhaftere Hoffnung, daß die Werke kunstreicher Hände überhaupt im Lande durch Zeichnung und Geschmack verschönert, Manufakturen verbessert, und Handel und Gewerbe durch neue Zweige belebt werden können. Ein solcher ist mein Freund: und meines Freundes Beobachtungen dieser Art sollten meiner Vergessenheit zu Hülfe kommen.
Er schien geneigt meinem Verlangen die Hände zu bieten. Mein Gedächtniß, sagte er, ist vielleicht so schwach, oder noch schwächer, als das
Unbekannt: Ueber die Gemäldeausstellungen der Akademie der bildenden Künste in Dresden, in den Jahren 1769 und 1770. Dyckische Buchhandlung, Leipzig 1772/1773, Seite 118. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Neue_Bibliothek_der_sch%C3%B6nen_Wissenschaften_Akademieausstellungen_Dresden_1769_1770.djvu/2&oldid=- (Version vom 26.10.2024)