Hermann Knothe: Das Landeswappen der Oberlausitz | |
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Bautzen, als Hauptstadt, sowohl bei Hofe als bei sonstigen Solennitäten den Vortritt vor den übrigen Städten hatte, wie es bei den abzuhaltenden Städtetagen den Vorsitz führte, so besass es auch das Vorrecht, alle an die Korporation der Sechsstädte gerichteten Schreiben allein erbrechen zu dürfen und sie nach vorgängiger Berathung mit den übrigen Städten zu beantworten und die Antwort mit seinem Bautzner Stadtsiegel zu bekräftigen. So gewöhnte man sich nach und nach sowohl im Auslande, als bei der Regierung zu Prag, das Bautzner Stadtsiegel mit seinem Stadtwappen als Bestätigung des Willens der sämmtlichen Sechsstädte, ja des „Landes der Sechsstädte“ zu betrachten. Gerade hierdurch gestaltete sich nach und nach das Bautzner Stadtwappen zum allgemeinen Landeswappen.
Alle diese erwähnten Vorrechte der Stadt Bautzen gründeten sich auf kein geschriebenes Privilegium, sondern beruhten, wie so viele Rechtsverhältnisse des Landes, lediglich auf altem, aus den Umständen erwachsenem Brauche. Daher sträubte sich Görlitz in der Erinnerung daran, dass es zweimal (1268–1329 unter den Brandenburgern und unter Heinrich von Jauer, 1377–1396 unter Herzog Johann von Görlitz) ebensogut wie Bautzen eine Landeshauptstadt gewesen, von Zeit zu Zeit, jene Vorrechte anzuerkennen[1], während Bautzen darauf bestand und z. B. 1515 erklärte: „isz were ire herlikeit und altherkommenn, gemeine brieffe zu offen und antwort darauff zu geben, wusten auch sich derselben nicht zu begeben, ap sie ein not doruber erleiden solden; wolden auch ehe erdulden, das inen die mawer nydergeleget [würde]“.[2]
Während, wie bereits erwähnt, seit 1378 die Ober- und ebenso auch die Niederlausitz weder in den Siegeln der Landesherren mehr heraldisch angedeutet, noch in den Titulaturen der letzteren namentlich erwähnt werden, nehmen die böhmischen Könige seit Ladislaus den Titel auch eines „Markgrafen zu Lusitz“ wieder auf und seit Georg erscheint in dem Majestätssiegel auch wieder das Landeswappen der Niederlausitz, nämlich der Ochs. Dieser niederlausitzische Ochs befindet sich sogar auf einigen monumentalen Bauten in der Oberlausitz selbst, welche zu Ehren des Landesherrn errichtet wurden, während die Zinnenmauer auf denselben fehlt.
Hermann Knothe: Das Landeswappen der Oberlausitz. In: Neues Archiv für Sächsische Geschichte und Alterthumskunde. Dritter Band, Zweites Heft. Wilhelm Baensch Verlagshandlung, Dresden 1882, Seite 104. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Neuesarchivfur03sach.djvu/112&oldid=- (Version vom 1.8.2018)