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Bewegung hatte daher noch nicht begonnen. Nachher aber, als die relative Bewegung des Wassers abnahm, deutete sein Aufsteigen an den Wänden des Gefässes das Bestreben an, von der Axe zurückzuweichen, und dieses Bestreben zeigte die stets wachsende wahre Kreisbewegung des Wassers an, bis diese endlich am grössten wurde, wenn das Wasser selbst relativ im Gefässe ruhte. Jenes Streben hängt nicht von der Uebertragung des Wassers in Bezug auf die umgebenden Körper ab, und deshalb kann die wahre Kreisbewegung nicht durch eine solche Uebertragung erklärt werden. Einfach ist die wirkliche kreisförmige Bewegung eines jeden sich umdrehenden Körpers, dem einfachen Streben gleichsam als eigenthümliche und angemessene Wirkung entsprechend. Die relativen Bewegungen sind nach den mannichfachen Beziehungen auf äussere Körper unzählig, als Schatten der Beziehung sind sie aller wahren Wirkungen baar; ausser insofern, als sie an jener einfachen und wahren Bewegung Theil nehmen.

Daher werden nach den Ansichten derjenigen, welche unser Sonnensystem innerhalb des Fixsternhimmels sich umdrehen und die Planeten mit sich führen lassen, die Planeten und einzelnen Theile des Himmels, welche relativ in den ihnen zunächst gelegenen Theilen ruhen, in Wahrheit sich bewegen. Sie ändern nämlich ihre gegenseitige Lage (anders als es bei den wahrhaft ruhenden geschieht) und nehmen, zugleich mit den Theilen des Himmels fortgetragen, an der Bewegung der letztern Theil; sie haben, als Theile rotirender ganzer Systeme, das Bestreben, sich von ihren Axen zu entfernen.

Die relativen Grössen sind daher nicht die Grössen selbst, deren Namen sie tragen, sondern deren wahrnehmbare Maasse (wahre oder irrthümliche), deren man sich gewöhnlich statt der gemessenen Grössen bedient. Sollen aber aus dem Gebrauche die Bedeutungen der Worte definirt werden, so hat man unter den Namen: Zeit, Raum, Ort und Bewegung eigentlich diese wahrnehmbaren Maasse zu verstehen, und die Rede fällt ungewöhnlich und rein mathematisch aus, wenn die gemessenen Grössen hierunter verstanden werden.

Ferner thun diejenigen der heiligen Schrift Gewalt an, welche diese Namen aus den dort aufgeführten gemessenen Grössen übersetzen, aber nicht weniger besudeln diejenigen die Mathematik und die Naturlehre, welche die wahren Grössen mit den relativen und den gewöhnlichen Maassen derselben verwechseln.

Die wahren Bewegungen der einzelnen Körper zu erkennen, und von den scheinbaren scharf zu unterscheiden, ist übrigens sehr schwer, weil die Theile jenes unbeweglichen Raumes, in denen die Körper sich wahrhaft bewegen, nicht sinnlich erkannt werden können. Die Sache ist jedoch nicht gänzlich hoffnungslos. Es ergeben sich nämlich die erforderlichen Hülfsmittel, theils aus den scheinbaren Bewegungen, welche die Unterschiede der wahren sind, theils aus den Kräften, welche den wahren Bewegungen als wirkende Ursachen zu Grunde liegen.

Empfohlene Zitierweise:
Isaac Newton: Mathematische Prinzipien der Naturlehre. Robert Oppenheim, Berlin 1872, Seite 30. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:NewtonPrincipien.djvu/38&oldid=- (Version vom 1.8.2018)