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Hiezu trat seit 1–2 Decennien als fast ständige Erscheinung, wenn auch meist in milder und zerstreuter Form, die sog. Halsbräune (Diphtherie). Im Allgemeinen ist zu sagen, daß bösartige Epidemien im Bezirk und hauptsächlich in der Oberamtsstadt eine Seltenheit sind. Der Typhus tritt meist ganz vereinzelt auf, Wechselfieber, Dysenterie und Pocken sind so gut wie unbekannt. Nur von letzteren sind aus den Jahren 1853, 1856 und 1869 beschränkte, auf Einschleppung zurückzuführende Epidemien verzeichnet.

Die akuten, nicht epidemischen Krankheiten betreffen meist die Athmungsorgane, auf welche die vielen wässrigen Niederschläge, die häufigen Nebel und starken Winde gleich ungünstig einwirken. Sehr häufig sind Mandelentzündung, Katarrhe, Entzündungen der Lunge und des Rippenfelles. Etwa 10 % der in der Oberamtsstadt Gestorbenen haben an Lungenentzündung gelitten. Ebenso häufig ist der Brechdurchfall, die Sommerdiarrhöe der kleinen Kinder.

Chronische Krankheiten: Der früher im Bezirk sehr verbreitete Kretinismus hat sich in den letzten 20 Jahren auffallend vermindert. – Epileptiker gab es zu Anfang dieses Jahres 32, in welche Zahl sich beide Geschlechter gleichmäßig theilten. – Skrophulosis und Rhachitis sind selten und demgemäs auch Drüsen- und Knochenleiden, Verkrümmungen. Ihre Ursachen findet man theils in Vererbung, theils in häufigen Geburten, allzulangem Stillen (sehr oft), Bewohnen überfüllter, feuchter und dumpfer Räume.

Chronische Lungenkatarrhe mit Emphysem, außerordentlich häufig, die schwerste Plage des Landmannes und durch Zutritt von Herzerweiterung, Leberschwellung und Wassersucht eine alltägliche Todesursache. Die extremen Gewohnheiten des Landmannes, überheizte, nie ventilirte Stuben und eine übermäßig dichte Bekleidung, unter welcher die Haut beständig transspirirt, daneben Wind und Wetter und höchste Gleichgiltigkeit gegen anhaltende Durchnässungen machen diese Leiden sehr erklärlich.

Störungen der Magen- und Darmfunktion durch Diätfehler jeder Art sind ebenso häufig. An sie schließen sich die organischen Erkrankungen des Magens an, Katarrhe, Geschwüre und der nicht seltene Krebs. Ein sehr häufiges Vorkommnis sind auch die Unterleibsbrüche.

Empfohlene Zitierweise:
Eduard Paulus der Jüngere: Beschreibung des Oberamts Crailsheim. W. Kohlhammer, Stuttgart 1884, Seite 101. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OACrailsheim0101.jpg&oldid=- (Version vom 30.4.2018)