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seidenen, hochfarbigen Bändern waren überall ein Staat für ledige Töchter, der aber mit dem Hochzeittag ungeziemend wird, so wie das bunte Band um den Hut des Junggesellen. Die frühere Staatskirchentracht des Bauern bestand noch um’s J. 1780 in einem schwarzen, mit einer Menge Falten versehenen, häufig grün besetzten Modekleid des sechszehenten Jahrhunderts. Auch die rothen Wollenhemden, in einem feuerrothen Kamisol mit Haften bestehend, waren abgegangen. Die grünen Filzkappen sind Hüten und verbrämten Tuchmützen gewichen, und das Marderbräm statt der Spitzen am Kopfputze der Weiber, nur noch an der Grenze des Gmünd’schen Gebiets wahrzunehmen. In unseren Tagen besteht die Tracht im Unterlande, namentlich um Michelbach und im Fischachthale, wo sie von der fränkischen sich wenig unterscheidet, Sonntags aus selbstgesponnenem, häufig selbst erzeugten wollenem Tuch oder Zeug von schwarzer Farbe, mit Ausnahme der Katholiken, die sich in hellere Farben kleiden; dazu ein dreieckiger Filzhut mit der Spitze nach hinten, oder eine runde Kappe von Seeotterfell mit Pelzbräm. Das weibliche Geschlecht trägt eine den größern Theil des Kopfes überdeckende Haube mit langen hinunterhängenden Bändern; bei Trauer oder Feierlichkeiten statt derselben eine große, mit Bändern reichlich versehene schwarze Florhaube, welche in gleicher Form bei Hochzeiten und Taufen von den Mädchen aus weißem Stoff mit Spitzen und oft Atlasbändern und einem künstlichen Blumenstrauß geziert getragen wird. Zum weiblichen Schmucke gehören noch silberne Ohrringe, ein solcher Fingerring und ein großes Halspatter von Granaten. Neben dem großen Kopftuche, früher dem einzigen Schutze gegen Sturm, Kälte und Regen, macht sich seit einigen Jahren der Regenschirm immer mehr geltend. – Um Gschwend wurden die schwarzen Tuchröcke durch blaue verdrängt. Um Frickenhofen und theilweise um Eschach besteht noch die alte Tracht: Schaufelhut, schwarzer Barchentrock und Zwilchhosen, sowie schwarzwollene und leinene Frauenkleider; nur die Jugend kleidet sich etwas heller. 1

Mit Hochzeiten, Taufen und Leichen sind Schmäuse in den Wirthshäusern verbunden, die bei Vermöglichen häufig einen beträchtlichen Aufwand verursachen. Zur Hochzeit ladet der Bräutigam mit dem auserkornen Brautführer oder „Hochzeitknecht“ nicht nur die Verwandten, sondern auch alle Bekannte in einem größern oder kleinern Umkreis ein, jeder mit einem bloßen Degen, an dessen Griffe bunte Bänder flattern. Die Einladung geschieht häufig mit einem Spruche, der ankündigt, in welchem Wirthshause nach der Hochzeit das Essen gehalten wird und was die Person hiefür zu bezahlen hat. Am Hochzeittage selbst geht der Zug vom Wirthshaus aus in die Kirche, die Braut mit einer Art Krone, „Schappel“ genannt, von Flittergold oder künstlichen Blumen auf dem Haupte und vom Hochzeitknechte geführt, die Übrigen mit Rosmarin-Sträußen behangen, unter rauschender

Empfohlene Zitierweise:
Rudolph Friedrich von Moser: Beschreibung des Oberamts Gaildorf. J. B. Müller’s Verlagshandlung, Stuttgart 1852, Seite 038. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAGaildorf_038.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)