Seite:OAGaildorf 117.png

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Grundherren und die Standesherrschaft Limpurg-Gschwend. Eine Umgelds-Entschädigung genießen dieselben nicht, wohl aber die Stadt. In den Gräflich Pückler’schen und Waldeck’schen Familien bestehen Familien-Fideicommisse.

Das Städtchen liegt frei im Kocherthal, das hier 1/4 St. breit und von beiden Seiten mit hohen, meist bewaldeten Bergen umgeben ist. Die Thalsohle ist etwas wellenförmig und bietet mit den vielen und schönen Wiesen ein angenehmes Bild dar. In südwestlicher Richtung trennt der Kirgel, ein sehr schmaler Gebirgsausläufer, worauf sich eine schöne Aussicht eröffnet, das Kocher-Thal von dem Roth-Thal, da sich hier die Roth in den Kocher ergießt. Der eben erwähnte Fluß fließt, nachdem er den Hagersbach aufgenommen, unmittelbar an der Stadt, wo er eine Krümmung von Osten nach Nordwesten macht, vorüber. Sein Niveau unter der steinernen Brücke, welche am nördlichen Ende Gaildorfs über den Kocher führt, ist 999,2 Par. Fuß über dem Meere. Der Charakter der Gegend könnte mild genannt werden, wenn sie nicht die Vegetation aufhaltenden und oft verderblichen Nachtfrösten ausgesetzt wäre, welche sich aus den vielen Wiesengründen und Waldungen entwickeln. In den hier und da einander entgegenstehenden, mit vielfachen Einschnitten versehenen, Thälern herrscht immer ein Luftzug, der aber auch selten eine epidemische Krankheit aufkommen läßt. Das Wasser führt so viele Schwefeltheile mit sich, daß nur wenige Brunnen für den Genuß und die Küche brauchbar sind. Vortreffliches Trinkwasser liefert die 1839 von Winzenweiler herabgeleitete Quelle, welche der verstorbene Oberamtsarzt Dr. Mößner zu seiner Wasserheilanstalt bestimmt hatte.

Das Aussehen des Ortes ist vermöge seiner Lage, der nicht zu eng gebauten, meistens größeren und verblendeten Häuser und der herrschenden Reinlichkeit, freundlich. Durch denselben zieht die vereinigte Straße von Heilbronn, Stuttgart, Schorndorf, Gmünd und Aalen, welche sich jenseits der Kocherbrücke alsbald in die Haller Route einerseits und in die Crailsheimer und Ellwanger Route andererseits abtheilt. Das eigentliche Städtchen besteht aus einem, dem Kocher entlang gebauten, länglichen Vierecke und hat eine Hauptstraße und vier Gassen. Das Portal desselben bilden, von Norden betrachtet, die zu beiden Seiten der Brücke stehenden zwei Schlösser. Die massiven Stadtmauern stehen größtentheils noch; die zwei Thore mit ihren Thürmen aber sind längst abgetragen. Außer dem offenen Marktplatze, welchen vor den Häusern stehende Akazien umgeben, ist noch ein öffentlicher Platz vor der Kirche vorhanden. Die in südlicher Richtung anstoßende Vorstadt ist beinahe ebenso groß, als das Städtchen selbst.

Gaildorf zählt 237 Haupt- und 59 Neben-Gebäude, mit einem Brandversicherungs-Anschlage

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Rudolph Friedrich von Moser: Beschreibung des Oberamts Gaildorf. J. B. Müller’s Verlagshandlung, Stuttgart 1852, Seite 117. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAGaildorf_117.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)