Seite:OAGaildorf 167.png

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schlechtem Thurm versehene Kirche, in welcher der Pfarrer von Sulzbach jährlich fünfmal zu predigen hat, zeigt über dem Haupteingange die Jahreszahl 1400; auch sind über den Thüren die Wappen Schenk Conrad’s († 1482) und dessen Gemahlin, der Gräfin Clara von Montfort, sowie seines Sohnes Schenks Albrecht († 1506), und seiner Gemahlin der Gräfin Elisabetha von Oettingen, eingehauen. Im Thurme hängen 2 Glocken, wovon eine mit der Umschrift: „hilf ihesus maria. bernhard lachaman gos mich. 1497.“ Die Kirche hatte vor der Reformation viele Altäre, zwei angebaute Capellen und ein wunderthätiges Marienbild, zu welchem stark gewallfahrtet wurde. Noch 1610 mußte die Heerberger Brüderschaft und Wallfahrt verboten werden. Im dreißigjährigen Kriege wurde die Capelle von den Kroaten verwüstet, das Marienbild und der Altar aber verschont. Vor etwa 100 Jahren soll jenes in das Archiv in Ober-Sontheim gekommen seyn, wo es Justinus Kerner entdeckte und 1846 erkaufte: eine edle Arbeit aus blendendem Alabaster in halber Lebensgröße, die er noch besitzt. Der Altar mit seinem Gemälde blieb jedoch, und wird vielfach aufgesucht und bewundert. Im Schreine desselben stehen ein Muttergottesbild mit dem Jesuskind und die heil. Catharina und heil. Barbara aus Holz, beinahe in Lebensgröße, geschnitzt und vergoldet, indeß das untere Altarblatt und die beiden Flügelthüren die schönste Arbeit der oberdeutschen Malerschule darstellen. Auf der Staffel ist Christus zwischen den Aposteln im Brustbild gemalt, auf den Flügeln die Anbetung der Hirten, die Darstellung im Tempel und die Verkündigung. Die Hinterwand des Altarkastens hat die Inschrift: „das Werk hat gemacht Bartholme Zeitblom, maler zu Vlm. 1497“. (Näheres siehe III. Veröffentlichung des Vereins für Kunst und Alterthum in Ulm und Oberschwaben. Von Ed. Mauch, 1845.) Da die Wappen des Schenken Albrecht und seiner Gemahlin auch an der südlichen Seite des Altars angebracht sind, so scheinen diese hieran sich betheiligt zu haben. Die Bilder wurden durch Fürsorge des württ. Alterthumsvereins von Conservator Eigner in Augsburg unlängst trefflich restaurirt. Der Altar ist Eigenthum der Ortsstiftung; die Capelle hat die obere Pfarrgemeinde zu erhalten. Bemerkenswerth ist, daß noch jetzt die Capelle nicht nur von Katholiken der Umgegend häufig besucht, sondern auch von Evangelischen bei glücklichen Familien-Ereignissen oder in Krankheiten und dergl. ein Opfer dahin getragen wird. – Über die Entstehung der Capelle und Wallfahrt gehen im Volke zwei Sagen. Die eine läßt Maria bei ihrer Flucht nach Egypten auf dieser Höhe ein nächtliches Obdach suchen, die andere einen Ritter mit seinem Liebchen auf Einem Rößlein bei dem hier hausenden Einsiedler „Herberge“ finden und am Altare seiner Klause verbunden werden, worauf der Ritter aus Dankbarkeit ein Kirchlein

Empfohlene Zitierweise:
Rudolph Friedrich von Moser: Beschreibung des Oberamts Gaildorf. J. B. Müller’s Verlagshandlung, Stuttgart 1852, Seite 167. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAGaildorf_167.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)