Seite:OAHerrenberg 194.png

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ausgeführt sind, so daß man an der Kirche drei Hauptbauperioden deutlich wahrnehmen kann, nämlich die ursprünglich romanische, welche später in die germanische geändert und endlich nach dem Brande modernisirt wurde. Im Innern der geräumigen Kirche ist außer einem ausgezeichnet schönen, lebensgroßen Holzbild des Gekreuzigten ein gut gemaltes Bild des 1704 gestorbenen Pfarrers Joh. Ludwig Cappel zu bemerken.

Der mit 8 Fuß dicken Mauern versehene viereckige Thurm, welcher gegen oben in ein Achteck übergeht, ist von unten herauf mit Schußscharten versehen und diente ehemals zur Vertheidigung des befestigten, mit hohen Mauern umgebenen und mit Thürmen versehenen Kirchhofes; das untere Stockwerk desselben hat ein sehr altes Tonnengewölbe und Spuren ehemaliger Wandmalereien. Von den 1787, 1788 und 1823 gegossenen drei Glocken wird die mittlere, in Folge einer von dem Landmühlen-Inspector Wurster gemachten Stiftung von 100 fl., den Winter über jeden Abend um 9 Uhr geläutet.

Der alte Kirchhof wurde, nachdem seine Mauern erniedrigt und die Thürme oben abgetragen worden waren, in eine Baumschule umgewandelt, und 1830 nördlich vom Ort, an der Straße nach Herrenberg ein neuer Begräbnißplatz angelegt.

Das gegenüber der Kirche gelegene, 1835 neu erbaute Pfarrhaus, nebst Nebengebäuden, Hof und Garten, wird von der Königl. Hofdomänenkammer unterhalten.

Das ehemalige Hirschau’sche Pflegegebäude, nachher Gasthof zur Linde, kaufte 1843 die Gemeinde um 6025 fl. zu einem Schulhaus, das nun neben der Volksschule, an welcher ein Schulmeister mit einem Lehrgehilfen angestellt ist, auch die Wohnung für diese enthält; übrigens besteht auch eine Industrieschule.

An der Stelle des früheren Schulhauses wurde im Jahr 1844 mit einem Aufwand von 2500 fl. ein massives Gemeinde-Back- und Waschhaus erbaut.

Das gut erhaltene, nach dem Brande erbaute Rathhaus mit Thürmchen und Glocke steht unfern der Kirche, ebenso die der K. Hofkammer gehörige Zehentscheuer nebst Fruchtkasten.

Gesundes Trinkwasser liefern in hinreichender Fülle sechs laufende Brunnen, wovon der am Pfarrhaus stehende vierröhrig ist, und zwei Pumpbrunnen; ein sogenannter Hungerbrunnen befindet sich am südöstlichen Ende des Orts, und eine Wette ist im nördlichen Theile desselben angelegt. Bei der Gipsmühle bestand früher ein acht Morgen großer See, der schon längst in Wiesen umgewandelt wurde, welche noch die Seewiesen genannt werden.

Empfohlene Zitierweise:
Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Herrenberg. Eduard Hallberger, Stuttgart 1855, Seite 194. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAHerrenberg_194.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)