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drei Orten sind die nordwestlichen Seiten von Bäumen frei und somit den Winden zugänglich, was der Entstehung und Entwicklung der Krankheit Vorschub geleistet haben mag. Die rheumatischen Fieber, welche auf der Filder-Hochebene, wo beständig starke Luftzüge statt finden, beinahe immer mit Friesel-Eruption verbunden sind, die große Neigung hat chronisch zu werden, zeigen sich am häufigsten in Bonlanden, Plattenhardt, Sielmingen und Bernhausen. Der Friesel wird zum Theil durch die Lebensweise und die Unreinlichkeit der Bewohner begünstigt; da mit den Kranken sich Gesunde zusammenlegen, so kann es nicht fehlen, daß sich die Krankheit immer mehr verbreitet. In Bonlanden und Plattenhardt sieht man Männer, Weiber und Kinder, die mit Friesel behaftet sind, und unter diesen Personen, die ihn schon mehr als 20mal gehabt haben. Als Folgekrankheit dieser rheumatischen Krankheiten und des Friesels kommen sehr häufig Wassersuchten vor, während der Krankheit selbst wird die nöthige Diät selten beobachtet, besonders ist dieß bei den Wöchnerinnen der Fall, denen nach althergebrachter Sitte die Gevatterinnen öfters Speise kochen, wobei Wein-und Mostsuppe mit Milch, Eiern, Safran, Zimmt, Muskatnuß etc. nicht fehlen dürfen. Entzündungen der Luftwege sind auf den Fildern sehr häufig, besonders werden die Einwohner von Plieningen, Hohenheim, Bernhausen, Birkach, Kemnath und Heumaden und das hoch und frei gelegene Weidach hievon heimgesucht. In Bonlanden, Harthausen und Plattenhardt sind Brust- und Lungenentzündungen nicht selten. Dagegen kommt in Harthausen die sogenannte Halsbräune sehr häufig vor, was auch in Sielmingen und Ruith der Fall ist. Die Scropheln sind unter den Handwerkern, welche eine sitzende Lebensweise führen, besonders den Webern, ziemlich verbreitet; auch sind Hämorrhoiden nicht selten.

In Feuerbach, wo die Nordostwinde freien Zutritt haben und die Einwohner wegen der hohen Lage der Weinberge und Steinbrüche vielfachen Erkältungen ausgesetzt sind, zeigen sich in Folge dieses häufig entzündliche Lungenkrankheiten, Auszehrung und Wassersucht. Die Hauptbeschäftigung der Bothnanger, welche in Bleichen und Waschen besteht, ist mit vielen Erkältungen verbunden und führt bei den Frauen nicht selten schwere Geburten und Fehlgeburten herbei.

Der Volks-Charakter ist im Allgemeinen gut und spricht sich durch Offenheit, Redlichkeit, Fleiß, Sparsamkeit und Religiosität vortheilhaft aus. Die sogenannten Marktleute, welche beinahe täglich mit Stuttgart verkehren, wie die Bewohner der Orte, welche der Residenzstadt näher liegen, haben freilich zum Theil die einfachen Sitten der Landbewohner abgelegt und dafür nur die Schattenseiten des Städters aufgefaßt und angenommen. Mit dieser Veränderung geht Hand in Hand auch die

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Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Stuttgart, Amt. J. B. Müller's Verlagsbuchhandlung, Stuttgart 1851, Seite 042. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAStuttgartAmt_042.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)