Seite:OberamtCalw 177.jpg

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Obdachlos, wie die meisten Einwohner wurden, erlagen 772 Personen im J. 1635 ansteckenden Krankheiten; die Zahl der 602 Bürger schmolz auf 400 herab, selbst die Reichsten versanken in Dürftigkeit. Joh. Valentin Andreä, welcher – eine große Leuchte der württembergischen Kirche überhaupt – von 1620 bis 1639 als Dekan in Calw segensreich wirkte, war vor dem Eindringen des Feindes in die Gegend von Neuweiler geflüchtet; um Wiederemporbringung der nur langsam aus der Asche erstehenden Stadt, bei deren Brande er selbst sein Vermögen, wichtige geschichtliche Handschriften und werthvolle Gemälde verloren hatte, durch Rath und That, durch Beibringung von fast 10.000 fl. milder Beiträge etc., erwarb er sich große Verdienste[1].

Eine zweite Zerstörung, nicht weniger verderblich als die erste, erlitt Calw vom 19. bis 23. Sept. 1692 durch Melac’s Horden. In Asche sanken, nach vorhergegangener Plünderung, sämmtliche Gebäude innerhalb und außerhalb der Mauern, ausgenommen „vier Privathäuser im Bezirk der Mauern, und außerhalb derselben 36 hin und her an den Bergen klebende, mehr Hütten als Häuser.“

Sonst machten sich die Kriege zu verschiedenen Zeiten durch starke Quartierlasten der Stadt empfindlich.

Abgesehen von den großen Ernten, welche der Tod im J. 1634 und 1635 hier machte, sind verheerende Seuchen unter den Jahren 1501, 1502, 1530, 1622 angemerkt; im J. 1502 starben 500 Menschen, im J. 1622 233.

Andererseits bildete Calw gegen die Pest einen Schutzort, wohin man sich flüchtete. In dieser Absicht hatte allhier die theologische


  1. Durch Andreä und durch den beim Brand in Calw zurückgebliebenen dortigen Präceptor Luz († 1669. Haug Schwäb. Magaz. 1776. 562 ff.), welcher durch seine Kenntniß mehrerer Sprachen den verschiedenen Nationen unter den Soldaten imponirte und an Andreä unmittelbar nach der Zerstörung Calws Bericht erstattete, kennt man die nähern Umstände. Von Andreä sind: Threni Calvenses, quibus Calvae bustum, sors praesens lamentabilis et innocentia expressa. Argentorati 1635. 12; (übersetzt unter dem Titel: Fragment aus dem 30jährigen Krieg, betr. das Schicksal und die Einäscherung der Stadt Calw, von L. [Lepplicher]. Tübingen 1793. 8.), größtentheils auch aufgenommen in Andreä’s Vita ab ipso conscripta 133–147 ed. Rheinwald. Von Luz, durch Andreä herausgegeben, ist Virgae divinae urbi Calvae IV. et III. Eid. Sept. 1634 inflictae memoria studio J. V. A. calamo vicario Cp. Lucii. Stuttg. 1643. 8. (Auszug in Haug Schwäb. Magaz. 1776, 563.)
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Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Calw. Karl Aue, Stuttgart 1860, Seite 177. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OberamtCalw_177.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)