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in dem Urgebirge ihren Ursprung zu haben, indem in der Nähe des obern Bades der Granit zu Tage geht, welcher sich an mehreren Stellen als Überrest eines in schiefer Richtung vom rechten Nagoldufer nach dem linken das Thal aufwärts durchschneidenden Granitriffes verfolgen läßt.

Das Wasser der Liebenzeller Heilquellen wirkt bei dem inneren Gebrauch im Allgemeinen lösend, besänftigend, erweichend, die Schleimhäute durchfeuchtend, reinigend; bei dem äußeren Gebrauch theilt es die Wirkungen des warmen Wassers im Allgemeinen, modificirt und erhöht durch die physischen und chemischen Eigenthümlichkeiten der Therme. Als Bad wirkt das Wasser der Liebenzeller Heilquellen specifisch auf die Herstellung einer normalen Hautthätigkeit, beruhigt das Gefäß- und Nervensystem in den Centren, wie in der peripherischen Ausbreitung, vermehrt die natürlichen Ausscheidungen, insbesondere die des Urins, und verleiht dem ganzen reproduktiven Leben eine die gesunde Ernährung des Ganzen und der Theile befördernde Richtung.

Die Fälle, in welchen die Quellen am häufigsten gebraucht werden und in denen ihre Wasser einen ausdauernden Heilwerth gezeigt haben, lassen sich übersichtlich unter folgende Gruppen vereinigen: krankhafte Zustände der Catamenien, wohin auch die Neigung zu Fehlgeburten und die Sterilität der Frauen im Allgemeinen gehört; krankhafte Erscheinungen des Wachsthums und der Entwicklung, die Anlage und das erste Stadium der Lungenschwindsucht, chronische Entzündung der inneren Organe, Nervenkrankheiten, einige Hautkrankheiten, die geringeren Grade der Scrophelsucht, insbesondere der scrophulösen Augenentzündungen, Rheumatismus und Gicht, die Hämorrhoidalkrankheit und in gewissen Fällen die habituelle Hartleibigkeit, Krankheiten des Alters durch die zunehmende Vertrocknung der flüssigen Theile entstanden u. s. w.

Die heilsamen Quellen, in Vereinigung mit der reizenden, geräuschlosen Gegend und der balsamischen, gesunden Waldluft, haben Liebenzell in frühen Zeiten zu einem sehr besuchten Kurort gestempelt. Schon im Anfang des 15. Jahrhunderts wurden die beiden Bäder als von der Markgrafschaft Baden (damaligen Markgrafen Bernhard) rührende Erblehen, welche an badische Unterthanen als Badewirthe gegeben wurden, erwähnt. Das untere Bad ist das ältere; es wurde im J. 1403 an Hirtenhans von Pforzheim gegen 24 fl. Jahreszins verliehen, das obere, bald nach 1403 errichtete, im J. 1415, als das „neue Wildbad zu Liebenzell, genannt das obere Bad“ bezeichnet, an Benz Reuer von Liebenzell gegen 22 fl. Fremde Bader z. B. von Darmstadt und Baden-Baden, welche sich hier schon im 15. Jahrhundert niederließen, beweisen den damaligen starken Besuch der Bäder. (Mone Zeitschrift 2, 279–282). Der badische Markgraf Friedrich bestimmte durch seine Badeordnung vom 1. Mai 1597 die Rechte der Gäste und Wirthe. Auch unter Württemberg waren die Bäder herzogliches Eigenthum und Erblehen ihrer Besitzer. Diese Bäder erfreuten sich

Empfohlene Zitierweise:
Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Calw. Karl Aue, Stuttgart 1860, Seite 269. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OberamtCalw_269.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)