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Ebenso ist sie in der natürlichen Bezirksgruppe XI „Hohenlohische Ebene“, zu welcher Mergentheim gehört, in Vergleichung mit den übrigen 10 Bezirksgruppen, die für Württemberg geringste[1], obgleich sie in Vergleichung mit den Durchschnitten anderer Gegenden und Länder noch keineswegs zu den niederen gehört.

Über die Ursache dieser relativ geringen Kindersterblichkeit im Oberamt Mergentheim ist in dem für das Jahr 1867 erstatteten Bericht des Oberamtsphysikats Folgendes enthalten:

„Die Sterblichkeit der Kinder im ersten Lebensjahr bleibt sich hier alljährlich ziemlich gleich, beträgt in diesem Jahr 219, das Verhältnis zu den Lebend-Geborenen stellt sich daher auf 23%. Wie schon öfters erwähnt, herrscht auch in dieser Gegend Frankens noch die natürliche gute Sitte der Mütter, ihre Kinder selbst zu stillen. Nach den Tagebüchern der Hebammen sollen nur 13 Mütter nicht gestillt haben.“

Die Sitte des Stillens und Nichtstillens der Kinder steht aber nach anderen Berichten[2] in Wechselwirkung mit der geringeren und größeren Häufigkeit der Geburten, so daß mit dem Nichtstillen häufig eine größere aber scheinbare Fruchtbarkeit verbunden ist, mit dem Stillen aber nicht selten eine geringere Fruchtbarkeit und Zahl der Geburten, wie denn auch der Oberamtsbezirk Mergentheim sowohl als die ganze Bezirksgruppe XI, Hohenlohische Ebene, durch eine sehr geringe Zahl Geborener sich bemerklich machen (siehe oben S. 93)[3].

Andererseits geht diese geringe Fruchtbarkeit nach den vorliegenden statistischen Ziffern im Bezirk Mergentheim sowohl als in der Gruppe XI, „Hohenlohi’sche Ebene“, auch mit einer verhältnismäßig großen Prozentzahl in vorgerückterem Alter abgeschlossenen Ehen zusammen (s. oben S. 93). Da nun das vorgerücktere Lebensalter der Mütter sowohl einer relativ größeren Geburtenzahl als der Fähigkeit zum Stillen der Kinder entgegensteht, so ist hieraus die Erscheinung um so mehr erklärlich, daß eine größere Kindersterblichkeit nicht blos von sehr großer und scheinbarer Fruchtbarkeit begleitet ist, sondern auch mit sehr geringer Fruchtbarkeit sich verbinden kann.


  1. Vergl. Jahrgang 1874 I H. S. 17, 146.
  2. Vergl. Jahrgang 1874 I H. S. 143. ff.
  3. Vergl. Jahrgang 1874 der Württ. Jahrbücher I S. 155.
Empfohlene Zitierweise:
Julius Hartmann, Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Mergentheim. W. Kohlhammer, Stuttgart 1880, Seite 101. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OberamtMergentheim0101.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)