Seite:OberamtMergentheim0113.jpg

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Die Lebensweise ist durchschnittlich eine einfache und nüchterne. Die Nahrung besteht aus Suppen, Kartoffeln, Milch, Mehlspeisen, Gemüsen und Fleisch. Das letztere ist bei der bäuerlichen Bevölkerung vorwiegend Schweinefleisch (aus dem eigenen Stall), das aber doch nur 2–3mal in der Woche auf den Tisch kommt. Die Bewohner der drei Städte Mergentheim, Weikersheim, Creglingen, sowie zum Theil einzelner größerer Dörfer genießen täglich Rindfleisch, während dieses selbst beim vermöglichen Großbauern die seltene Ausnahme bildet, bei manchen der letztern nur an der „Kirwe“ (Kirchweih), „Niederfallen“ (Erntefest), an einzelnen Festtagen und bei feierlichen Gelegenheiten auf den Tisch kommt. – Als Getränk der Männer und Arbeiter dient vorzugsweise das Bier, der Wein geringerer Jahrgänge, der Tresterwein der bessern Jahrgänge und Obstmost; Branntweingenuß ist verhältnismäßig selten; das weibliche Geschlecht hält etwas auf Kaffee. Die Bewohner der viel wohlhabenderen Höhenorte leben besser, als die weniger gut, oft dürftig situirten Thalbewohner; der Taglöhner des Großbauern hat oft einen bessern Tisch als der Häcker im Thal; fällt diesem ein Schwein, so hat er 1/2 Jahr lang eben gar kein Fleisch; Milch, Kartoffeln, Brot und Suppen bilden die Hauptnahrung, der nur zum Theil die Eier des Hühnerstalls zugesetzt werden. Es gibt sich denn auch dieses Verhältnis in der kräftigeren körperlichen Erscheinung der Höhenbewohner zu erkennen, doch ist hierauf auch die bessere frischere Luft der Hochebene mit von Einfluß.

Der Menschenschlag ist ein mittlerer. – Ohne daß man ihn besonders kräftig nennen kann, ist er ausdauernd und zäh, und man begreift oft nicht, welch’ schwere Feldarbeiten anhaltend fortgesetzt die meist ziemlich hager in die Erscheinung tretenden Persönlichkeiten zu verrichten im Stande und zu thun gewohnt sind. Vielfach wird hier schon an den Kindern dadurch gesündigt, daß sie viel zu frühe zu verhältnismäßig schweren bäuerlichen Arbeiten, Dreschen etc. angehalten werden, und deshalb eine kräftige stämmige Bauernjugend, besonders des männlichen Geschlechts, ziemlich selten zum Vorschein kommt. Dennoch erreicht die Mehrzahl ein höheres, selbst ein hohes Alter, wie denn fast 15 Prozent der Bevölkerung über 70 Jahre alt werden, und in den auf der Plateauhöhe der Tauber gelegenen Orten verhältnismäßig rüstige Personen mit 80 Jahren und darüber nicht selten sind. – Die Schädelform der Bewohner ist vorherrschend germanisch dolichocephal, im Gegensatz zu

Empfohlene Zitierweise:
Julius Hartmann, Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Mergentheim. W. Kohlhammer, Stuttgart 1880, Seite 113. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OberamtMergentheim0113.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)