Seite:OberamtMergentheim0340.jpg

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den sehr hohen Blasenthurm an der Westfront, mit seiner großen schmideisernen Uhrentafel mit der Jahreszahl 1620. Dieser Thurm wurde schon im Jahr 1545 neu mit Schiefer gedeckt und mit Vergoldung geziert. Die anderen Thürme, die um das Schloß standen, sind bis auf den nordöstlichen Thorthurm verschwunden, darunter der Überreitersthurm, Taubenthurm, Faulthurm, Weißerthurm. Zwölf Thürme standen im Ganzen um dasselbe. Links vom Thoreingang steht das frühere Archiv mit reichen, mit verzierten Pilastern besetzten Renaissancegiebeln und einem sehr hübschen Portal, eingefaßt von auch mit Blumenwerk verzierten Pilastern und Hermen mit gekreuzten Armen, oben das Wappen des Erbauers, des Deutschmeisters Georg Hund von Wenkheim. Dieses Portal bildet den Eingang zu einer steinernen Wendeltreppe mit gothischer Spindel. Das Gebäude ist theilweise mit feuerfesten Gewölben versehen und bewahrte, 1774/1800 durch Deutschmeister Max Franz bedeutend erweitert, das Hauptarchiv des ganzen deutschen Ordens. Sein Inhalt befindet sich jetzt größtentheils im Schloß zu Ludwigsburg.

Der ganze Schloßkomplex bildet, wie der Stadtbauplan zeigt, etwa ein unregelmäßiges Fünfeck, das im Osten in lange Ökonomiegebäude zerstreut ist, und gegen Norden oder vielmehr Nordwesten strecken sich langhin jene ziemlich niedrigen Steinbauten, wo jetzt das K. Oberamt, ehemals Rentamt, und das K. Oberamtsgericht, ehemals Marstall, untergebracht sind, während in dem als katholisches Seminar 1606, auch ganz aus Stein, errichteten Bau gegen Nordosten das K. Kameralamt sich befindet.

Im Seminar war auch die sehr reichhaltige deutschmeisterische Bibliothek aufgestellt und bis zu ihrer Aufhebung aus den Mitteln des fürstlichen Rentamts vermehrt, zum Theil auch durch Geldbeiträge neuangestellter Räthe; im Jahr 1790 wurde sie durch die von Ellingen herübergebrachte bedeutend vergrößert (vergl. Bundschuh, Lexikon von Franken. Bd. 3. S. 570). Diese Büchersammlung wurde im Jahr 1810 die Grundlage der neuerrichteten K. Handbibliothek in Stuttgart. Von Handschriften vor 1500 besaß sie gegen 50, worunter mehrere altdeutsche. Nicht ganz die Hälfte derselben ist auf Pergament geschrieben. (Vgl. Stälin in den Württ. Jahrb. 1837). Im Jahr 1784 schenkte Hoch- und Deutschmeister Max Franz seine Privatbibliothek, sowie die Duplikate der kurfürstlichen Bibliothek zu Bonn, später erhielt dieselbe durch Erkaufung der Privatsammlungen des Hofkammerraths Weiskirch, des Stadtpfarrers

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Julius Hartmann, Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Mergentheim. W. Kohlhammer, Stuttgart 1880, Seite 340. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OberamtMergentheim0340.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)