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Karl Eduard Paulus der Ältere unter Mitarbeit von seinem Sohn Eduard und – für das Geschichtliche – von Hermann Bauer: Beschreibung des Oberamts Gmünd

den zwei Brautmägden; den Schluß bilden die Weiber. Nach der Trauung geht der Zug in gleicher Ordnung wieder zurück in das Wirthshaus, wo der Brautführer zuerst die drei Brauttänze mit der Braut tanzt und hiemit die Tanzbelustigung eröffnet. In der Oberamtsstadt war früher der Hochzeitzug stets ein sehr zahlreicher; die Begleiter trugen Sträuße mit Citronen und jeder gab ein Geschenk. Die Braut hatte einen Kranz auf dem Kopfe und in ihre Zöpfe waren rothe und gelbe Bänder geflochten. Die Paare wohlhabender und vornehmer Familien wurden im Chor, die vom Mittelstand unter der Staffel beim Kreuzaltar, und die von minder Bemittelten im Wege neben der Kanzel kopulirt.

Die Leichenbegängnisse werden mit Ernst und Würde nach der kirchlichen Vorschrift abgehalten; die früher üblichen Leichenschmäuse sind mit wenigen Ausnahmen abgegangen. In Gmünd gingen früher 12 arme, in schwarze Kutten mit weißen Krägen und Aufschlägen gekleidete Männer dem Leichenzug voran, einen schwarzen Stab mit Flormantel in der Hand haltend. Die Frau, die Mutter, die Tochter etc. des Verstorbenen trugen Leichenmäntel und Schleier, welche die Frau noch 6–8 Wochen lang im Hause trug; der Mann war ebenfalls zu Hause schwarz gekleidet. Der tägliche Kirchgang wurde 4 Wochen lang fortgesetzt.

Nach der Getreideernte wird die sog. Sichelhänget und nach dem Ausdreschen die Flegelhänget, je in einem Schmaus bestehend, in manchen Orten noch abgehalten; in Heubach pflegt man bei der Sichelhänget die größten Ähren auszulesen und während des Schmauses in einem Glas auf den Tisch zu stellen. Man zählt dann die Körner einer Ähre und hebt sie bis zur nächsten Ernte auf.

In Unter-Böbingen und Zimmern kniet der Bauer mit allen Schnittern, bevor man die Winterfrucht schneidet, nieder und beten 5 Vaterunser und den Glauben. Auf dem letzten Acker der Winterfrucht läßt man jedesmal eine Handvoll Halme stehen, die man vorher schon bezeichnet und umkreist hat. In diese Ähren steckt man einen geschmückten Maien (eine kleine Birke oder Pappel) und befestigt die Halme daran. Alsdann knieen wieder alle nieder und beten 5 Vaterunser und den Glauben. Den Maien läßt man gewöhnlich auf dem Felde stehen, wo die Vögel dann die Ähren ausfressen (s. Meier, Sagen, Sitten und Gebräuche, S. 439).

Die Johannisfeuer bestehen nur noch in den Orten Ober-Bettringen, Winzingen und Wißgoldingen; an den Abenden des Johannistags und des Peter- und Paulstags werden von der Jugend auf den umliegenden Höhen, namentlich auch auf dem Stuifen, Feuer angezündet, um welche die jungen Leute tanzen und auch über dieselben wegspringen, während sie den Spruch sagen: „St. Johann, mach den Flachs 3 Ellen lang“, damit der Flachs gedeihe; der dabei

Empfohlene Zitierweise:
Karl Eduard Paulus der Ältere unter Mitarbeit von seinem Sohn Eduard und – für das Geschichtliche – von Hermann Bauer: Beschreibung des Oberamts Gmünd. Stuttgart: H. Lindemann, 1870, Seite 80. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Oberamt_Gmuend_080.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)