Seite:Oberamt Gmuend 187.jpg

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Karl Eduard Paulus der Ältere unter Mitarbeit von seinem Sohn Eduard und – für das Geschichtliche – von Hermann Bauer: Beschreibung des Oberamts Gmünd

Kirche dargestellt ist und zur Beisteuer gegen Ablaß aufgefordert wird mit der Inschrift: Alle die ir hilf und steur reichend zuo dißem würdigen gotts Hauß die erlangend von vill Cardineln legatten Ertzbischoffen in ainer sum ablas Drey Daussent Dreyhunder Und Zwaintzig tag. 1503. Anno 1612 Renoviert. Daneben stehen auf Konsolen die Gipsabgüsse der Brustbilder von Peter und Heinrich Arler, ersteres aus dem Dome zu Prag, letzteres aus der Certosa bei Pavia. Über diese sogenannten Arler, soweit sie Gmünd betreffen, ist das Sicherste und Glaubwürdigste wie folgt:

Heinrich Parlier (Werkführer) von Boulogne (Bolonia) wurde vor 1333 nach Schwäbisch Gmünd berufen, um allda eine Kirche u. dgl. zu bauen. Ihm wurde dort 1333 der Sohn Peter geboren, welchen Kaiser Karl IV. von Gmünd nach Prag berief (1356), um den begonnenen Bau der Domkirche nach Matthias von Arras weiter zu führen, was dieser auch bis 1386, wo dieselbe in der Hauptsache vollendet wurde, erfüllte. Peter hatte nach dem Zeugniß des Hradschiner Stadtbuchs mehrere Söhne, einer derselben mochte wohl der bei dem Bau der Mailänder Kirche im Jahr 1391–92 beschäftigte Heinrich gewesen sein (s. Stälin, Wirtemb. Geschichte, Band III. S. 751. Anm. 3.).

Die h. Kreuzkirche in Gmünd ist 1351 begonnen, und zwar nach dem Entwurfe jenes Heinrich von Boulogne und der junge Peter mochte in seiner Jugend daran beschäftigt gewesen sein. Aus dem Gebäude selbst geht hervor, daß es von einem Baumeister ersten Ranges entworfen und ausgeführt wurde, einem Manne, der die damals übliche Bauweise in neuer und genialer Art auffaßte; auch die Thatsache, daß der junge Peter in die Residenz des kunst- und prachtliebenden deutschen Kaisers Karl IV. als Dombaumeister berufen wird, spricht dafür, daß diese Architektenfamilie eines sehr großen Ruhmes genoß. Ferner ist unstreitig, daß das Gebäude sich viel mehr zum damaligen französischen, als zum deutschen Stile hinneigt; und in wirklich genialer Weise ward hier die französische Choranlage mit der deutschen Hallenkirche verschmolzen.

In der dritten Chor-Kapelle steht der sogenannte Annenaltar, in dessen Schrank sich ein von der Johanniskirche herübergebrachtes sehr bedeutendes gothisches Holzbild befindet, die h. Anna mit Christus und Maria. Dieser Schrank steht auf einem spätgothischen Flügelaltar, der in der Mitte Maria mit den beiden Johannes in runden Figuren, auf den Seiten die Geschichte Christi in etwas gedrungenen Reliefdarstellungen enthält; die Außenseiten der Flügel zeigen sehr gut gemalte Heilige. An der Wand gegenüber hängen zwei schöne Todtenschilde, einer von Niclas Gaisberg, k. k. österreichischer Rath, gest. 26. August 1541; der andere von einem Vogt Spett von Thimnau, gest. 2. März 1541.

Empfohlene Zitierweise:
Karl Eduard Paulus, Eduard Paulus, Hermann Bauer: Beschreibung des Oberamts Gmünd. Stuttgart: H. Lindemann, 1870, Seite 187. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Oberamt_Gmuend_187.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)