Seite:Oberamt Leutkirch 176.png

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Lucius, die Regierung antreten sollte, war kein Gut, kein Gefälle, kein Recht des Klosters mehr unveräußert oder mit Schulden unbelastet. Da fand sich der Prämonstratenser-Orden bewogen ins Mittel zu treten und (1402) eine Administration (anfänglich unter der Leitung des Abt Gerung von Weissenau) niederzusetzen, welche das Schuldenwesen ordnete und die verkauften oder verschriebenen Güter wenigstens theilweise wieder einlöste. Allein das Stift erholte sich sehr langsam, bis im Jahr 1420 der treffliche Martin Hesser aus Marchtall den Abtsstab ergriff, der durch Sparsamkeit, kluge und thätige Verwaltung, Wiederherstellung der Klosterzucht und Wiederaufbauung der zerfallenen Gebäude sich das Verdienst und den Namen eines zweiten Stifters der Abtei Roth erwarb, und zum Glück für dieselbe 37 Jahre lang die Regierung führte. Weniger zufrieden mit dem streng ökonomischen Herren waren die Kloster-Unterthanen, welche sich 1449 wegen drückender Lehenslasten auflehnten. Durch einen von einem Schiedsgericht vermittelten Vertrag (1456) wurden alle Lehen für Erblehen erklärt, von welchen, wenn sie verkauft, cedirt oder auf irgend eine andere Art, als durch Erbschaft, von einer Hand in die andere kommen, der zehnte Pfennig dem Kloster zu entrichten ist, ausgenommen von der Fahrniß, welche nicht verehrschatzt wird. Diese 10 pCt. hat der Käufer oder Übernehmer des Guts zu bezahlen. Von Erbschaften hat der Abt das Hauptrecht (bei dem Mann das beste Pferd, bei der Frau die beste Kuh) und den Fall (das beste Kleid) anzusprechen.[1] Die Nachfolger Abt Martins wirkten in seinem Geiste fort, und so gelangte die Abtei wieder zu einer ansehnlichen Blüthe, wiewohl die Stürme des Bauernkrieges 1525 auch an Roth nicht schonend vorübergingen. Das Kloster wurde ausgeplündert und vermochte kaum die Drohung der Rebellen, es einzuäschern, durch ein Opfer von 300 fl. abzuwenden. Einen langen Kampf führte das Verhältniß herbei, daß die Rothischen Unterthanen, in Beziehung auf die hohe Gerichtsbarkeit, unter der Landvogtei standen, was sich dann erst aufhob, als Erzherzog Leopold 1619 die hohe und peinliche Gerichtsbarkeit um 8000 fl. mit dem Vorbehalt der Wiederlösung an das Stift verkaufte. Im Jahre 1744 wurde diese Pfandinhabung und mit ihr die volle Landeshoheit gegen abermalige 8000 fl. in ein feudum francum verwandelt.[2] Auch die


  1. Diese Erblehen hießen später die altrothischen Güter, während man die, nach 1456 acquirirten leibfälligen Lehen, oder die den Unterthanen abgekauften und in Falllehen verwandelten Erblehen (wozu man keine Gelegenheit vorbeiließ) neurothsche Güter nannte. (S. übrigens oben Feudalverhältnisse).
  2. Für Schutz und Schirm bezog übrigens die Landvogtei bis 1803 von dem Abte, und vor dem Vertrag von 1456 von dessen Unterthanen, jährlich 1 Fuder Schirmwein. Ein Appertinens dieses Lehens war die Zollfreiheit des jährl. Klosterbedarfs von 36 Ctnr. Schmalz und 36 Ctnr. Käse bei der Zollstätte Grönenbach.
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Beschreibung des Oberamts Leutkirch. Stuttgart und Tübingen: Cotta, 1843, Seite 176. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Oberamt_Leutkirch_176.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)