Seite:Onkel und Neffe 1 05.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Sonntag da und da hat er denn auch zweimal Neffen mit gehabt, aber das waren langweilige, bequeme Peter und furchtsam wie die Hasen. Nein, es war zu lächerlich und mit dem einen hab ich mich tüchtig gerauft, weil er den Hans einen schmutzigen Bauerlümmel nannte."

„Nun, und wer hat denn da den Kürzeren gezogen?"

Der Kleine lachte hell auf. „Er war ziemlich einen Kopf größer als ich, aber ein prasseldürrer Schlankel, und ich hab ihn bald unter mir gehabt. Und dann schrie er schon nach den ersten Püffen so jämmerlich, daß das ganze Haus zusammen lief und nachher ist er nur noch im Bogen um mich herumgegangen. Und der will einmal Officier werden!"

„Nun, da sieh nur zu, daß er nicht einmal Dein Leutnant wird – vielleicht fiele es ihm ein, wie Du ihn als Knabe gebläut hast und er striche Dirs nachträglich an."

„Das wäre hübsch – aber das kann gar nicht sein, denn er ist ja ein Bayer und ich bin ein Sachse."

„So? Und wie kommst Du denn da nach Galendorf?"

„Mein Papa wohnt in Dresden und ich habe noch vier kleinere Geschwister, und da hat mich die Tante auf ein paar Jahre fortgeholt, denn der Onkel und die Tante sind alle beide unverheiratet und haben auch keine Kinder, und da ists doch in dem weitläufigen Schloß recht einsam für sie, und sie sind froh, daß sie mich haben und wollen mich am liebsten gar nicht wieder fortlassen."

Der Fremde mußte diese kindliche Auseinandersetzung aus irgend einem Grunde sehr interessant finden; er forschte weiter:

„Aber sehnst Du Dich denn nicht zurück nach Deinem schönen Dresden?" Der Kleine sah ihn erstaunt an – augenscheinlich war ihm ein solcher Gedanke noch nicht gekommen. Er erwiderte lebhaft:

„Da wäre ich doch recht dumm. Dort habe ich keinen Wald, keinen Park, keinen Forellenbach, nur einen kleinen staubigen Garten vor dem Hause, und wenn auch ein Springbrunnen drin ist, davon hab' ich doch weiter nichts. Und dann ist der Onkel doch auch so gut; er nimmt mich mit zum Angeln, ich gehe jeden Tag mit ihm in den Wald, ich lade und putze seine Gewehre und stopfe ihm die Pfeife, und er sagt mir, wie die Bäume und Sträucher und die Vögel heißen und die Schmetterlinge. Wollen Sie sich meine Sammlung ansehen? Von Trauermänteln habe ich sechszehn Stück – einer schöner als der andre, sogar einen Segelfalter habe ich auf dem Schlosse von einer Luke aus mit dem Netz gefangen und der Onkel spannt sie mir auf."

„Er ist also sehr gut und freundlich und zankt niemals?"

„Nun, manchesmal wird er auch wild, aber doch nicht gegen mich. Den alten Tagewächter Andres, der immer betrunken ist, haben wir diesen Sommer zufällig dabei ertappt, wie er halbreife Aepfel von den Bäumen an der Wallgrabenmauer schlug – den hat der Onkel freilich tüchtig zugedeckt: das ging immer rechts und links um die Ohren und der alte Kerl war halb todt vor Schreck. Hinterher hats dem Onkel aber doch wieder leid getan und er hat Abends drüben in der Schenke zwei Maaß für den Andres bezahlt. So wars auch mit der alten Hannkathrin ihren Hühnern; die kamen uns über die Mauer in den Gemüsegarten geflogen, zerkratzten die Beete und scharrten den Samen heraus, und es half immer nur ein paar Tage, wenn ich die Vogelflinte mit Erbsen lud und unter sie hinein pfefferte, daß die Federn flogen und sie wie toll durcheinander gackerten und nicht wußten, wohin sie rennen sollten. Schließlich erwischte der Onkel einmal ihren schönen bunten Hahn, drehte ihm den Hals um und warf ihn über die Mauer, aber am nächsten Tage, als ich ihm sagte, wie unglücklich die alte Hannkathrin wäre, die mir so oft Eier schenkte, schickte er mich mit ein paar Gulden Schmerzensgeld hinüber zu ihr."

„Nun – und die Tante, ist die auch so gut mit Dir?" forschte der Fremde weiter.

„Ach, die Tante Theres – nun freilich ist sie gut, sehr gut und lieb, aber sie ist doch nur ein Frauenzimmer, nicht wahr, und versteht nichts vom Jagen und Fischen und fürchtet sich vor den Flinten, sogar vor den Raupen und Eidechsen und Laubfröschen. Wenn wir vom Angeln kommen und bringen ein tüchtiges Gericht mit, so schleppt sie die Fische in die Küche und sagt gar nichts

Empfohlene Zitierweise:
Rudolf Lavant: Onkel und Neffe (Rudolf Lavant) . Druck und Verlag der Genossenschafts-Buchdruckerei., Leipzig 1879, Seite 4. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Onkel_und_Neffe_1_05.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)