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Ferdynand Antoni Ossendowski: Schatten des dunklen Ostens

dann später geholfen, sich in Finnland im Verborgenen zu halten, bis das revolutionäre Gericht ihn dort gefunden hat und ihn in seinem einsamen Häuschen in Terjoki durch den Ingenieur Rutenberg erhängen ließ.

Neben diesen Gespenstern der Reaktion arbeiteten in denselben Kreisen viele andere Persönlichkeiten, die wiederum Agenten der Revolution waren.

Eine von ihnen war der alte Philosoph-Anarchist Solnzow, ein Skeptiker und Zyniker zugleich. Er wurde in einigen russischen belletristischen Büchern auf sehr sympathische Weise beschrieben. Solnzow hatte sich nie gefürchtet, seine äußerst freisinnigen Überzeugungen offen zu bekennen, da er es aber immer in so überschwenglicher Weise tat, so hat man ihn als Sonderling betrachtet und nie als politische Persönlichkeit ernst angesehen.

Ich habe Solnzow einigemale bei Zusammenkünften im Hause des Redakteurs der „Historischen Stimmen“, B. Glinskij, getroffen. Er hat damals so ausgesprochen anarchistische Anschauungen zum besten gegeben, hat so viel Zynismus in Gesellschafts- und Religionsfragen an den Tag gelegt, daß der Beiname „alter Sonderling, Diogenes“ vollständig berechtigt zu sein schien.

Wie war die Allgemeinheit in Staunen versetzt, als beim Ausbruche der Revolution im Jahre 1917 sich dieser „Diogenes“ als Führer einer ausgezeichnet organisierten anarchistisch-kommunistischen Armee entpuppte und als unter seiner Führung die Palais der Fürsten Leuchtenberg, der Balletteuse Kreschinski, das Palais Durnow im Sturme erobert wurden, wobei Polizei und Militär diesem Angriff machtlos gegenüberstanden. Im Dezember des Jahres 1918 hat derselbe Solnzow die Bolschewiken „Reaktionäre“ genannt und ihnen den Kampf angesagt. In Moskau haben tatsächlich Abteilungen von Anarchisten, die eine Artillerie besaßen, während zweier Tage die Herrschaft an sich gerissen, wurden aber gezwungen, ein Kompromiß zu schließen und sich mit Sowjet zu einigen.

Der richtige Name Solnzows ist — Bleidtmann.

Ein zweiter unbekannter Anhänger des Bolschewismus war der reiche, gebildete Verleger von Büchern aus der Soziologie, Geschichte und Psychologie, Herr W. Bonisch-Brujewitsch. Der Bruder dieses Revolutionisten, ein General des Generalstabes, war eine Zeit das Haupt der russischen Armee während der ersten revolutionären Regierung.

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Ferdynand Antoni Ossendowski: Schatten des dunklen Ostens. Eurasia, Wien 1924, Seite 154. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ossendowski_-_Schatten_des_dunklen_Ostens.djvu/158&oldid=- (Version vom 14.9.2022)