Bekanntlich hat erst Poncelet unsere geometrische Anschauung von der gewohnheitsmäßigen Einseitigkeit befreit und hierdurch die geometrische Forschung in neue Bahnen gelenkt. Es fragt sich also, ob wir uns in Bezug auf unser raum-zeitliches Bewußtsein nicht von einer ähnlichen Einseitigkeit zu befreien haben?
III. Über den fließenden Raum.
§ 7. Verschiedenen Zeitpunkten entsprechen verschiedene Räume.
Im Sinne der ersten Grundbeziehung fassen wir alle Raumpunkte in dem Jetztpunkte der Zeit (t0) zusammen. Ich nenne nun den Weltraum, insofern er dem Jetztpunkte t0 entspricht, den Jetztraum und bezeichne ihn mit R0. Wenn also im Verlaufe der Zeit an die Stelle des Jetztpunktes t0 neue Jetztpunkte t1, t2, t3, .... etc. treten, so werde ich mit logischer Berechtigung sagen können, daß jedem derselben auch ein neuer Jetztraum, etwa R1, R2, R3, .... etc. entspricht. Auf solche Weise gelange ich zu dem Begriffe einer stetigen Reihe von Räumen, die ich in ihrer Gesamtheit als fließenden Raum bezeichne.
Dieser neuen Auffassung steht unsere angewohnte Ansicht von dem einen »stehenden Raume« gegenüber, und man wird vielleicht von dem Begriff dieses stehenden Raumes ausgehend den Begriff des fließenden Raumes bekämpfen wollen. Ich weise jedoch auf die Grundbeziehung α) zwischen Zeitpunkt und Weltraum hin, welche eben die Identität von Zeitpunkt und Weltraum ausspricht. Wird nun der Zeitpunkt ein anderer, so habe ich die logische Berechtigung, auch von einem anderen Weltraume zu sprechen. Es ist also nur eine logische Folge aus der klar erkannten Grundbeziehung
Menyhért Palágyi: Neue Theorie des Raumes und der Zeit. Wilhelm Engelmann, Leipzig 1901, Seite 11. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PalagyiRaumzeit.djvu/23&oldid=- (Version vom 1.8.2018)