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Mutter zu streuen. Sie zog den Handschuh herunter und streute drei Mal einige Erdkrumen auf den Sarg.

„Auf Wiedersehen, meine gute Mutter!“ sagte sie dabei mit kaum vernehmbarer Stimme, sank auf die Kniee und den Kopf zur Erde beugend, betete sie.

Der Wind, welcher den ganzen Tag über geweht hatte, wurde in diesem Augenblicke so stark, dass er die hundertjährigen Tannen wie schwache Bäumchen hin und her bewegte. Ihre grünen Kronen fingen an zu brausen und überschütteten das auf der Erde knieende Mädchen mit Nadeln. O, ich wäre glücklicher gewesen, wenn ich damals zugleich die beiden Unglücklichen, von denen die eine tot, die andere halbtot war, beerdigt hätte!

Der Leser wird mir gewiss diesen Wunsch sehr übel nehmen, denn er hat ja schon meine aufkeimende Liebe zu diesem Mädchen bemerkt. Ja, aber mag er meine Rechtfertigung anhören! Da ich das Mädchen nicht aus den Augen liess und jede seiner Bewegungen beobachtete, hatte ich auf seinem Finger einen goldenen Ring, das deutliche Zeichen seiner Verlobung bemerkt. Ich weiss nun nicht warum, aber wenn in jenem Augenblicke das Mädchen plötzlich gestorben wäre, hätte ich

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Rafael Patkanjan: Drei Erzählungen. Wilhelm Friedrich, Leipzig [1886], Seite 108. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PatkanjanDreiErz%C3%A4hlungen.pdf/118&oldid=- (Version vom 1.8.2018)