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und meines Kollegen Traum; alles das musste einen mächtigen Eindruck auf einen so jungen Menschen machen, wie ich damals war. Trotzdem bemühte ich mich aus falschem Schamgefühl ruhig zu scheinen und erzählte nun meinem Freunde folgendes:

„Mir träumte, ich ginge mit Marien im Sommergarten spazieren. Ich trug meinen einfachen Studentenrock, sie aber war reich und schön gekleidet, wodurch ihre Körperreize bedeutend erhöht wurden. Alle Vorübergehenden schauten sie mit Entzückung an und obgleich Marie gegen diese allgemeine Bewunderung gleichgültig blieb, so war es mir doch äusserst unangenehm, dass jeder seine gierigen Blicke auf sie richtete. Plötzlich erschien bei uns ein Offizier, welcher Marien bei der Hand ergriff und sie mir gewaltsam entriss. „Hilf, hilf, Michael!“ schrie Marie mit herzzerreissender Stimme. Halb rasend lief ich ihnen nach, aber sie entfernten sich so schnell, dass ich sie nicht einholen konnte. Sie verliessen den Garten und liefen an die Newa, wo der Offizier Marien mit Gewalt in einen Kahn setzte. Als ich am Ufer ankam, waren sie bereits in der Mitte des Flusses. „Marie, Marie!“ rief ich, „schreie um Hülfe!“ doch sie hörte mein Rufen nicht. Die Schiffer, welche am Ufer standen, schauten

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Rafael Patkanjan: Drei Erzählungen. Wilhelm Friedrich, Leipzig [1886], Seite 152. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PatkanjanDreiErz%C3%A4hlungen.pdf/162&oldid=- (Version vom 1.8.2018)