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Augen sehen, denn mit Worten lässt sie sich gar nicht beschreiben. Selbst im Schlosse eines Königs wäre sie eine Zierde gewesen! Was soll ich dir noch mehr sagen? An Wuchs übertraf sie um einen Kopf alle Frauen unserer Stadt und ihr Gesicht war so weiss, dass der erste Schnee schmutzig dabei war. Auf ihren Wangen prangten Rosen und dann diese Kleidung! Sammet, Seide und dann dieses teure Zeug, ach, wie heisst es denn! alles war auf ihr. In den Ohren hatte sie Brillanten so gross wie eine Nuss, um den Hals, in den Haaren und auf den Fingern … und so ein Mädel ist gestorben! Der Verstand bleibt mir stille stehen. Giebt es da noch eine Gerechtigkeit Gottes? Ach, Kati, arme Kati!

„Meine Frau und ich, wir waren wie versteinert und konnten keinen Schritt weiter thuen, die Zungen waren uns wie gelähmt. Aber siehe, da kam uns wieder Kati zu Hülfe, Gott mache sie selig! Sie sprang sogleich von ihrem Stuhle auf, umarmte meine Frau und küsste sie und sagte: „Also du hast meiner nicht vergessen?“ Auch zu mir kam sie und küsste mir die Hand (mag sie Gott in jener Welt für diese Liebe und Ehrfurcht belohnen). Sie bat uns näher, bot uns Stühle an, setzte uns Thee vor und wir fingen an einander alte

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Rafael Patkanjan: Drei Erzählungen. Wilhelm Friedrich, Leipzig [1886], Seite 31. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PatkanjanDreiErz%C3%A4hlungen.pdf/41&oldid=- (Version vom 1.8.2018)